
Nachhaltigkeit messen und bewerten
Das Zentrum für Betriebswirtschaft im Gartenbau erarbeitet derzeit im Rahmen eines von der Bundesregierung geförderten Projekts ein Bewertungssystem für Nachhaltigkeit im Gartenbau.
von Regina Klein erschienen am 25.11.2024Im Rahmen der Vortragstagung Gemüsebau an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt (LVG) für Gartenbau in Heidelberg, die in diesem Jahr unter dem Motto „Nachhaltigkeit – mehr als ein Schlagwort?“ stand, stellte Iris Hattenbach vom ZBG die Hintergründe und den aktuellen Stand des Projektes vor.
Wie das Bewertungssystem entsteht
Die Aufgabe des ZBG besteht darin, ein transparentes und unabhängiges System zu erarbeiten, das folgende Voraussetzungen erfüllt:
- Berichtspflichten gegenüber Stakeholdern sollen erfüllt werden (zum Beispiel Anforderungen des Handels, des Gesetzgebers oder von Banken und Versicherungen).
- Das System soll alle gartenbaulichen Sparten abdecken. Start eines Prototyps wird zur IPM 2025 in Essen mit Topfpflanzen sein, gefolgt von Containerbaumschulen. Der Gemüsebau folgt zu einem späteren Zeitpunkt.
- Der Erfassungsaufwand soll für die Betriebe so gering wie möglich sein. Daher sollen möglichst viele digitale Schnittstellen integriert werden, sodass Daten, die zum Beispiel bereits bei QS eingegeben wurden, auch für das System des ZBG ausgelesen werden können.
- Das System soll den Betrieben ein internes Nachhaltigkeitscontrolling ermöglichen.
- Zudem soll das System laufend geprüft und weiterentwickelt werden, um eine hohe Akzeptanz in der Branche zu schaffen.
Um all dies zu erreichen, sind die verschiedensten Akteure, darunter auch Vertreter aus der Gartenbaubranche, in die Entwicklung eingebunden. Auch die Politik und Interessensverbände sitzen mit am Tisch. Außerdem findet eine wissenschaftliche Begleitforschung statt, um zu definieren, was Nachhaltigkeit eigentlich genau bedeutet und das Bewertungssystem so auf solide Füße zu stellen. Dabei verfolgt das ZBG den Ansatz, dass alle drei Säulen der Nachhaltigkeit in die Bewertung der Betriebe mit einfließen. Neben der Ökologie sind also auch die Ökonomie (wirtschaftlicher Erfolg) und Soziales (Umgang mit Mitarbeitern) von Belang.
Eine sogenannte projektbegleitenden Arbeitsgruppe, bestehend aus Beratung, Praxis und Wissenschaft, berät das ZBG. Es reflektiert und diskutiert die erarbeiteten Punkte. Dabei prüft das Gremium die Praxistauglichkeit des Systems, macht auf Probleme aufmerksam und gibt Hinweise auf mögliche Lösungsansätze.
Warum sich der Gartenbau damit beschäftigen sollte
Die sogenannte EU-Taxonomie-Verordnung ist ein Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten. Sie verpflichtet Banken und Versicherungen sowie Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern dazu, ihre Bemühungen um Nachhaltigkeit nachzuweisen. Seit 2024 müssen daher Nachhaltigkeitsberichte auf Grundlage der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) erstellt werden. Nach welchen Standards berichtet werden muss, regeln die European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Für die genannten Unternehmen bedeutet dies, dass sie Nachhaltigkeit bei ihren Geschäftstätigkeiten nachweisen müssen.
Banken und Versicherungen können Nachhaltigkeitskriterien ihrer Kunden zur Voraussetzung für eine Kreditvergabe machen Regina Klein
Banken und Versicherungen können daher bestimmte Nachhaltigkeitskriterien ihrer Kunden zur Voraussetzung für einen Vertragsabschluss bzw. eine Kreditvergabe machen. Auch der Handel wird seine Lieferanten verstärkt auf Basis von Nachhaltigkeitskriterien auswählen. Noch wird diese Praxis nicht allzu streng verfolgt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich dies zeitnah ändern wird. Auch wenn der Gartenbau in der aktuellen EU-Taxonomie noch nicht mit Vorgaben belegt ist – die Landwirtschaft wurden aus dem Erstentwurf zunächst wieder gestrichen –, so ist er dennoch über seine Beziehungen zu Handel, Banken und Versicherungen bereits heute indirekt betroffen.
Ab 2026 wird zudem erwartet, dass die zuvor genannten ESRS dann auch explizite Vorgaben für die Landwirtschaft vorsehen werden. Umfragen im Rahmen des Projekts am ZBG unter Banken und Versicherungen zeigen, dass bestimmte Kriterien schon heute abgefragt werden und zum Teil in die Bewertung der Kunden/Kreditnehmer mit einfließen. Die Befragten erwarten, dass dies spätestens 2026 verpflichtend sein wird. Die Branche tut also gut daran, sich frühzeitig mit dem Thema zu beschäftigen, um auf eventuelle Berichtspflichten vorbereitet zu sein.
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