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Kommentar

Beim nachhaltigen Wandel alle mitnehmen

Inwieweit wird das Thema der Biodiversität die Gartencenterwelt, aber auch die Handelswelt insgesamt verändern? Dazu konnte ich am „Tag der Insekten“ (www. insect-respect.org) vor wenigen Wochen in der Schweiz referieren. Im Folgenden einige meiner Überlegungen.

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Es ist ein komplexes Themenfeld. Die Logik einer umweltschonenden Wirtschaftsweise entzieht sich unserer bisherigen Denkweise. Die Erhaltung funktionierender Lebensräume oder der Biodiversität hat einen fundamentalen Einfluss auf unsere Sortimente in den Märkten – in den Gartencentern, aber auch in den Märkten, in denen Lebensmittel verkauft werden. Es wird immer schwieriger, sich im umweltsensiblen Ökosystem zu positionieren und gleichzeitig eine nachhaltige Wertschöpfung zu erhalten. Das erfordert mehr und besser ausgebildetes Personal im Handel sowie die Etablierung von Mikro- oder Nebendienstleistungen.

Experten wie David Bosshart vom renommierten Gottlieb Duttweiler Institut (GDI ) in Rüschlikon/CH gehen davon aus, dass es im Handel zu einem Switch des Personalkostenblocks von heute einem Drittel auf zukünftig zwei Drittel kommen wird. Aktuelle Erfolge sind kein Zeichen evolutionärer Tauglichkeit mehr und jeder muss für sich entscheiden, wie sein Geschäftsmodell in der Epoche der Solastalgie erfolgreich in die Zukunft geführt werden kann. Solastalgie kennzeichnet ein Gefühl des Schmerzes existentieller Art, der durch den Klimawandel hervorgerufen wird. Immer mehr vom Gleichen funktioniert in einer Überflussgesellschaft nicht mehr.

In meinem Unternehmen webe ich momentan erst den Teppich als Unterlage für die fundamentale Disruption unseres Geschäftsmodells. Erste Maßnahme war die Neuausrichtung unseres wichtigsten Kommunikationsinstruments, der Monatszeitschrift „Pflanzenfreund“, die seit 1900 Freude, Leidenschaft und Verständnis für die Natur weckt und fördert. Dieses Vermächtnis soll in die Zukunft geführt werden. Nachfolgende Generationen können nur dann in einer funktionierenden Natur leben, wenn sie auch selber für deren Erhaltung sorgen, die natürlichen Zusammenhänge verstehen und dafür die Verantwortung übernehmen. In der aktuellen Ausgabe lassen wir zu, dass externe Menschen kundtun, was sie von uns erwarten.

Ein Kurswechsel erfordert einen sensiblen Umgang am Ruder. Wer allzu abrupt das Steuer herumreißt, riskiert eine seekranke Mannschaft, die über das Deck speit. Um das zu verhindern, webe ich den erwähnten Kommunikationsteppich. Dabei sollen sowohl Mitarbeitende als auch Kundschaft an den Kurswechsel herangeführt werden. Vielen Verbrauchern ist Naturschutz egal, sobald sich Biodiversität in Form von Lästlingen oder Schädlingen in ihrem direkten Umfeld äußert. Unsere Aufgabe ist es, dies zu ändern; die Kunden zu überzeugen, die Krabbeltiere gewähren zu lassen und auf Gegenmaßnahmen zu verzichten.

Bisher ist der Wunsch des Kunden heilig. Der Handel versucht in der Regel, alle Wünsche zu erfüllen, die ein Kunde hat oder haben könnte. Wie können wir in Zukunft damit umgehen? Auf diese Frage müssen wir zusammen mit Umweltschutzverbänden und Behörden Antworten finden. Damit sich Biodiversität für alle lohnt und mit ihr auch Löhne bezahlt werden! Bisheriges Anreizsystem im Handel ist der Verkauf von einem Produkt. Diese Wertschöpfungsfragen werden in der Biodiversitäts-Diskussion bislang ignoriert. Noch selten hatte ich so zahlreiche Kundenanfragen wie jetzt, die sich von Nützlingen gestört fühlen oder fragen, was gegen Eidechsen unternommen werden kann. War ein Teil unserer Mitmenschen unbewusst froh über den dokumentierten Rückgang der Insekten?

Es braucht verlässliche und selbsttragende Anlaufstellen für Fragen und Beratung mit der Natur! Dort, wo wenig sensibilisierte Menschen abgeholt werden, ist der Hebel für eine lenkungswirksame Naturberatung am größten. Wenn im Handel das Anreizsystem angepasst werden kann, werden Gärtnereien und Gartencenter zu Brutstätten für funktionierende Lebensräume – auch zum Wohle der Insekten. Funktionierende Lebensräume sind auf funktionierende Wertschöpfungsmodelle angewiesen, nur so gelingt der nachhaltige Wandel.

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