Wahl 2013
Positionspapier der Fachgruppe Gemüsebau zur Bundestagswahl 2013
Der deutsche Gemüsebau in all seinen Erscheinungsformen ist ein wichtiger Bestandteil der deutschen Landwirtschaft und des deutschen Gartenbaus.
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Ob im Freiland oder unter Glas, ob in kleineren Betriebsformen mit mehreren Gemüsearten oder in größeren Betriebsformen mit stärkerer Kulturkonzentration, ob über Genossenschaften und Handel oder direkt beziehungsweise über Großmärkte vermarktend oder ob im Vertragsanbau produzierend: Der deutsche Gemüsebau ist für eine Versorgung mit regionalen Produkten wie für eine übergebietliche Versorgung mit gesundheitlich wertvollem Gemüse unverzichtbar.
Der deutsche Gemüsebau zeichnet sich seit über zwei Jahrzehnten durch den von seinen berufsständischen Organisationen auf den Weg gebrachten und nachhaltig betriebenen kontrolliert Integrierten Anbau aus, der auf natürliche biologische Gegebenheiten setzt und chemische Pflanzenbehandlungsmittel nur in dem Maße einsetzt, wie es zum Angebot gesunder hochwertiger Produkte unverzichtbar ist. Der deutsche Gemüsebau hat von Anfang an auf ein alle Handelsstufen erfassendes Qualitätssicherungssystem mit durchgängiger Rückverfolgbarkeit gesetzt und bringt sich daher nachdrücklich in die Arbeit der QS-GmbH ein. Dieses hat sich auch im Hinblick auf die Rückverfolgbarkeit in krisenhaften Situationen bereits bewährt. Die deutschen Gemüseerzeuger arbeiten seit jeher in einem freien und ungeschützten Markt. Umso wichtiger sind gleiche Wettbewerbsbedingungen mit den Mitwettbewerbern in der Europäischen Union (EU) und in Drittländern. Mit der Bundestagswahl im September 2013 werden die Weichen für eine auch für den deutschen Gemüsebau nachhaltig berührende Politik gestellt.
Die Fachgruppe Gemüsebau als die Repräsentanz deutscher Gemüsebauer im Bundesausschuss Obst und Gemüse (BOG) setzt darauf, dass die Bundespolitik nach den Wahlen für die Problemstellungen ihres Sektors offen ist und dessen Anliegen bei der Gestaltung nationaler Gesetze und Verordnungen ebenso wie bei der Mitwirkung in der europäi-schen Politik – und hier zuvorderst bei der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik – Rechnung trägt. Vor diesem Hintergrund erhebt die Bundesfachgruppe Gemüsebau folgende Forderungen:
I. Verfügbarkeit und Einsatzbezahlbarer Saison-Arbeitskräfte (Saison-AK) sicherstellen
> 1. Der Anbau von Gemüse unterliegt dem natürlichen Jahresrhythmus. Dies ruft stark schwankenden Arbeitsbedarf hervor, der nur durch Saison-AK gedeckt werden kann, mit der Folge, dass weltweit im arbeitsintensiven Gemüse- und Obstbau Saison-AK eingesetzt werden. Um die Konkurrenzfähigkeit des einheimischen Anbaus zu erhalten und zu festigen, ist sicherzustellen, dass auch zukünftig Saison-AK für die Arbeitsspitzen in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen.
> 2. Angesichts des ungeheuren Wettbewerbs bei freien Grenzen und unterschiedlichen Kostenstrukturen würde ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 € für Erntehelfer, die unter sechs Monate beschäftigt sind, die Existenz zahlreicher Gemüsebaubetriebe in vielen Regionen gefährden. Ein solcher Mindestlohn wird daher abgelehnt. Es muss zumindest dafür Sorge getragen werden, dass bei bestehenden Tarifabschlüssen diese Vorrang vor Mindestlöhnen haben und die Lohnuntergrenze darstellen. Ganz generell ist die Tarifhoheit für den deutschen Gemüsebau ein wichtiger Bestandteil zur Sicherung seiner Wettbewerbsfähigkeit.
II. Verfügbarkeit einer hinreichenden und Resistenzen vermeidenden Zahl von Wirkstoffen für alle Gemüsearten sicherstellen
> 1. Die mit der EU-Verordnung Nr. 1107/2009 verfolgte Harmonisierung der Zulassung von Wirkstoffen muss in der Behördenpraxis verbessert und intensiviert werden. Die mit der zonalen Zulassung gegebenen Möglichkeiten müssen sehr viel stärker genutzt werden. Alle Hemmnisse auf diesem Weg sind abzubauen. Die Fristen im Rahmen der zonalen Zulassung müssen konsequent eingehalten werden.
> 2. Der Gemüsebau mit seinen vielen kleinen Kulturen ist zwingend auf die rasche Umsetzung der Verordnung 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln angewiesen. Dazu gehört unverzichtbar auch die Gewährung von Notfallgenehmigungen nach Artikel 53. Die deutschen Gemüseproduzenten dürfen seitens der Behörden insoweit nicht alleine gelassen werden, um Wettbewerbsnachteile im europäischen Raum zu verhindern.
> 3. Im Pflanzenschutzgesetz sind die an der Zulassung beteiligten Behörden, Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und Umweltbundesamt (UBA) gegenüber dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) als gleichwertige Benehmensbehörden zu verankern.
> 4. Im Rahmen des 2012 vorgelegten Entwurfs des Nationalen Aktionsplanes (NAK) sind höchst ambitionierte Ziele beschrieben, die zum Teil als nicht erreichbar bezeichnet werden müssen. Insoweit bedarf es der Überarbeitung des NAK. Dies gilt etwa für die Forderung nach generellen Abständen zu Gewässern.
> 5. Das im NAK enthaltene Ziel, für die Gemüsearten mindestens drei Wirkstoffe möglichst aus verschiedenen Wirkstoffgruppen je Anwendungsgebiet vorzuhalten, muss unbedingt realisiert werden. Nur so kann Resistenzbildungen entgegengewirkt und der integrierte Pflanzschutz auch tatsächlich betrieben werden.
> 6. Durch große Anstrengungen aller Beteiligten wurde auf dem Gebiet der Rückstandshöchstmengen ein sehr erfreulicher Stand in Deutschland erreicht. Hier zeigt sich der Erfolg des von den deutschen Gemüseanbauern und -gärtnern seit Jahren an den Tag gelegten kontrolliert Integrierten Anbaus.
Dieser wird zunehmend durch Vorgaben des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) nach Einhaltung von Höchstmengen weit unter den gesetzlich vorgeschriebenen Höchstgehalten, die ja bereits ganz erhebliche Sicherheitsfaktoren enthalten, in Frage gestellt. Auch die Infragestellung des gezielten und auf das absolute Minimum beschränkten Einsatzes mehrerer Pflanzenschutzmittel gefährdet die kontrolliert Integrierte Produktion zunehmend.
Auch die Politik muss dem LEH deutlich machen, dass rein quantitative Vorgaben im Ergebnis kontraproduktiv sind, weil sie den Einsatz breit wirkender und wenig nützlingsschonende Pflanzenschutzmittel zur Folge haben. Dieses ist aber gerade nicht im Sinne des Umweltschutzes.
III. Bewusstsein für gesunde Ernährung stärken und Kinder an diese heranführen
> 1. Die Schaffung öffentlichen Bewusstseins für eine gesunde Ernährung muss fortgesetzt und noch weiter intensiviert werden. Gemüse ist ein wesentlicher Bestandteil gesunder Ernährung. Gesunde Ernährung sollte auch Bestandteil des Schulunterrichts werden und nicht zuletzt auch bei der Ausgestaltung des Essensangebots in Schulen und Kindertagesstätten beachtet werden. Regionalität und Saisonalität müssen wieder ins Bewusstsein gerückt werden. Einige Bundesländer haben mit großem Erfolg das Schulobst und Schulgemüseprogramm der EU umgesetzt. Bund und Länder sollten in Ergänzung der EU-Förderung die entsprechenden Finanzierungsmittel sicherstellen, damit dieses Programm in allen Bundesländern angeboten wird.
IV. Einheitliche und faire Handelsbedingungen schaffen und sicherstellen
> 1. Bei den Vermarktungsnormen für Obst und Gemüse ist dafür Sorge zu tragen, dass die UN/ECENormen für alle Gemüseerzeugnisse einheitlich Anwendung finden. Gemüse muss entsprechend gekennzeichnet werden. Die Einhaltung der Normen muss auf allen Handelsstufen und bei der Einfuhr überwacht werden.
> 2. Zur Information der Verbraucher bedarf es auch bei konservierten und tief gefrorenen Verarbeitungsprodukten dringend der Verpflichtung zur Herkunftsangabe bei Rohware.
V. In der Umweltpolitik den natürlichen Gegebenheiten des Gemüsebaus Rechnung tragen
> 1. Bei allen Maßnahmen zur Vermeidung überflüssiger Düngung ist im Hinblick auf den Gemüsebau zu beachten, dass anders als im Ackerbau die Ernte täglich im vollen Wachstum der Produkte erfolgt. Dadurch kann die Kultur nicht alles an Stickstoff dem Boden entziehen. Die Stickstoffdynamik im Boden ist beim Gemüsebau den natürlichen Gegebenheiten entsprechend von besonderer Art. Dies gilt in ganz besonderem Maße für die zahlreichen kleineren und mittleren Gemüsebaubetriebe, die viele Gemüsearten in zeitlich eng aufeinander folgend kultivieren. Diesen Gegebenheiten muss bei der Umsetzung des europäischen Rechts Sorge getragen werden.
VI. Den Gegebenheiten und der Wettbewerbssituation des Gemüsebaus in der Energieund Steuerpolitik Rechnung tragen
> 1. Soweit es auch künftig branchenbezogene Freistellungen von der EEG-Umlage geben wird, bedarf es aus Gründen der Gleichbehandlung auch für den geschützten Anbau (unter Glas und in geschlossenen Kulturräumen) einer Freistellung von dieser EEG-Umlage. Die Wettbewerbsnachteile zu ausländischen Mitwettbewerbern müssen umgehend abgeschafft werden.
> 2. Investitionen in die Energieeffizienz sind zu fördern.
> 3. Beim Agrardiesel sind die deutschen Gemüsebauern sowie die gesamte deutsche Landwirtschaft mit der Ausnahme von Österreich gegenüber allen anderen EU-Partnern in einer deutlich schlechteren Situation. Hier muss eine Angleichung an die steuerlichen Gegebenheiten etwa in den Niederlanden und Frankreich herbeigeführt werden. In keinem Fall darf das derzeitige Niveau der Agrardieselerstattung unterschritten werden.
> 4. Wegen der naturbedingt außerordentlichen Ertragsschwankungen im Gemüsebau sollte die Bildung einer steuerlich wirksamen Risikoausgleichsrücklage ermöglicht werden.
> 5. Um den heimischen Gemüsebau neue Impulse zu geben, wird die Wiedereinführung der Möglichkeit einer Sonderabschreibung für Gewächshäuser und für bewegliche Wirtschaftsgüter gefordert.
> 6. Während andere Mitgliedsstaaten der EU ihren Gemüsebauern bis zu 80 % Zuschuss für Hagelversicherung und/oder Mehrgefahrenversicherung gewähren, erhalten die deutschen Gemüsebauern keinerlei Unterstützung. Um diese Wettbewerbsverzerrung abzubauen, bedarf es in der Bundesrepublik Deutschland der Angleichung an die Gegebenheiten in den anderen Mitgliedsstaaten.
VII. Europäische Agrarpolitik mit dem Ziel der Stärkung auch des Gemüsebaus mit gestalten und umsetzen
> 1. Der europäische Agrarsektor und damit auch der Gemüsebau produziert unter sehr viel höheren umwelt- und sozialpolitischen Vorgaben als seine Wettbewerber außerhalb der EU. Schon wegen dieses großen Kostennachteils ist es geboten, die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik der EU so auszugestalten, dass die produzierenden Betriebe gestärkt werden. Diesem Ziel widersprechen alle Greening-Vorschläge. Von diesen sollte daher vollständig Abstand genommen werden. In jedem Fall müssen sie auf ein absolutes Minimum beschränkt werden. Der Gemüsebau ist auf die vollständige Nutzung seiner Flächen angewiesen. Er muss daher von allen Regelungen ausgenommen werden, die ihn dazu zwingen würden, Flächen nur anzupachten, um Greening- Vorgaben entsprechen zu können. Dies würde seine Wirtschaftskraft erheblich beeinträchtigen.
> 2. Von der künftigen deutschen Bundesregierung erwartet der Gemüsesektor nach der abschließenden Beschlussfassung der Reform, dass sie von der Möglichkeit einer Mittelumverteilung von der ersten in die zweite Säule keinerlei Gebrauch macht. Jegliche Umverteilung verstößt gegen das Ziel der Stärkung der produzierenden Betriebe.
> 3. Bei der Neugestaltung der Einzelbetrieblichen Förderung ab 2014 muss sichergestellt werden, dass Gemüsebaubetriebe, die keine GMO-Förderung erhalten können, für ihre betriebliche Entwicklung vergleichbare Förderungen erhalten.
VIII. Forschung und Beratung
> 1. Forschung und Lehre sind für unseren zukunftsorientierten Gemüsebau unverzichtbar. Die Kapazitäten in Deutschland sind wieder aufzustocken, damit der Fachkräftemangel behoben und die Wirtschaftskraft gesteigert wird. Es besteht unter anderem Forschungsbedarf bei der Bekämpfung von Thripsen und diversen Gemüsefliegen. Dabei sollte die gezielte Schaderregerüberwachung und -bekämpfung zum Beispiel durch Pheromonfallen und deren Erprobung in der Praxis im Vordergrund stehen.
> 2. Eine gemeinsame Initiative zur Aufklärung der Verbraucher über Produktionsverfahren, Wertschöpfungssteigerung und gesundheitlicher Wirkungen durch den Verzehr von Gemüse und den dadurch entstehenden volkswirtschaftlichen Nutzen ist zu starten.
> 3. Die Fachberatung im deutschen Gemüsebau ist ein Garant für die Umsetzung des kontrollierten Integrierten Anbaus als umweltschonendes Anbauverfahren und sichert den Gemüsebau in den gärtnerischen und landwirtschaftlichen Familienbetrieben. Die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und auch die Ausweitung des Bioanbaus sind nur mit ausreichender Beratung möglich. Die Offizialberatung wird in den Ländern jedoch zunehmend abgebaut. Wir benötigen aber eine Verstärkung der Fachberatung.
Berlin, 23. April 2013
Der deutsche Gemüsebau zeichnet sich seit über zwei Jahrzehnten durch den von seinen berufsständischen Organisationen auf den Weg gebrachten und nachhaltig betriebenen kontrolliert Integrierten Anbau aus, der auf natürliche biologische Gegebenheiten setzt und chemische Pflanzenbehandlungsmittel nur in dem Maße einsetzt, wie es zum Angebot gesunder hochwertiger Produkte unverzichtbar ist. Der deutsche Gemüsebau hat von Anfang an auf ein alle Handelsstufen erfassendes Qualitätssicherungssystem mit durchgängiger Rückverfolgbarkeit gesetzt und bringt sich daher nachdrücklich in die Arbeit der QS-GmbH ein. Dieses hat sich auch im Hinblick auf die Rückverfolgbarkeit in krisenhaften Situationen bereits bewährt. Die deutschen Gemüseerzeuger arbeiten seit jeher in einem freien und ungeschützten Markt. Umso wichtiger sind gleiche Wettbewerbsbedingungen mit den Mitwettbewerbern in der Europäischen Union (EU) und in Drittländern. Mit der Bundestagswahl im September 2013 werden die Weichen für eine auch für den deutschen Gemüsebau nachhaltig berührende Politik gestellt.
Die Fachgruppe Gemüsebau als die Repräsentanz deutscher Gemüsebauer im Bundesausschuss Obst und Gemüse (BOG) setzt darauf, dass die Bundespolitik nach den Wahlen für die Problemstellungen ihres Sektors offen ist und dessen Anliegen bei der Gestaltung nationaler Gesetze und Verordnungen ebenso wie bei der Mitwirkung in der europäi-schen Politik – und hier zuvorderst bei der Reform der gemeinsamen Agrarpolitik – Rechnung trägt. Vor diesem Hintergrund erhebt die Bundesfachgruppe Gemüsebau folgende Forderungen:
I. Verfügbarkeit und Einsatzbezahlbarer Saison-Arbeitskräfte (Saison-AK) sicherstellen
> 1. Der Anbau von Gemüse unterliegt dem natürlichen Jahresrhythmus. Dies ruft stark schwankenden Arbeitsbedarf hervor, der nur durch Saison-AK gedeckt werden kann, mit der Folge, dass weltweit im arbeitsintensiven Gemüse- und Obstbau Saison-AK eingesetzt werden. Um die Konkurrenzfähigkeit des einheimischen Anbaus zu erhalten und zu festigen, ist sicherzustellen, dass auch zukünftig Saison-AK für die Arbeitsspitzen in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen.
> 2. Angesichts des ungeheuren Wettbewerbs bei freien Grenzen und unterschiedlichen Kostenstrukturen würde ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 € für Erntehelfer, die unter sechs Monate beschäftigt sind, die Existenz zahlreicher Gemüsebaubetriebe in vielen Regionen gefährden. Ein solcher Mindestlohn wird daher abgelehnt. Es muss zumindest dafür Sorge getragen werden, dass bei bestehenden Tarifabschlüssen diese Vorrang vor Mindestlöhnen haben und die Lohnuntergrenze darstellen. Ganz generell ist die Tarifhoheit für den deutschen Gemüsebau ein wichtiger Bestandteil zur Sicherung seiner Wettbewerbsfähigkeit.
II. Verfügbarkeit einer hinreichenden und Resistenzen vermeidenden Zahl von Wirkstoffen für alle Gemüsearten sicherstellen
> 1. Die mit der EU-Verordnung Nr. 1107/2009 verfolgte Harmonisierung der Zulassung von Wirkstoffen muss in der Behördenpraxis verbessert und intensiviert werden. Die mit der zonalen Zulassung gegebenen Möglichkeiten müssen sehr viel stärker genutzt werden. Alle Hemmnisse auf diesem Weg sind abzubauen. Die Fristen im Rahmen der zonalen Zulassung müssen konsequent eingehalten werden.
> 2. Der Gemüsebau mit seinen vielen kleinen Kulturen ist zwingend auf die rasche Umsetzung der Verordnung 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln angewiesen. Dazu gehört unverzichtbar auch die Gewährung von Notfallgenehmigungen nach Artikel 53. Die deutschen Gemüseproduzenten dürfen seitens der Behörden insoweit nicht alleine gelassen werden, um Wettbewerbsnachteile im europäischen Raum zu verhindern.
> 3. Im Pflanzenschutzgesetz sind die an der Zulassung beteiligten Behörden, Julius Kühn-Institut (JKI), Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und Umweltbundesamt (UBA) gegenüber dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) als gleichwertige Benehmensbehörden zu verankern.
> 4. Im Rahmen des 2012 vorgelegten Entwurfs des Nationalen Aktionsplanes (NAK) sind höchst ambitionierte Ziele beschrieben, die zum Teil als nicht erreichbar bezeichnet werden müssen. Insoweit bedarf es der Überarbeitung des NAK. Dies gilt etwa für die Forderung nach generellen Abständen zu Gewässern.
> 5. Das im NAK enthaltene Ziel, für die Gemüsearten mindestens drei Wirkstoffe möglichst aus verschiedenen Wirkstoffgruppen je Anwendungsgebiet vorzuhalten, muss unbedingt realisiert werden. Nur so kann Resistenzbildungen entgegengewirkt und der integrierte Pflanzschutz auch tatsächlich betrieben werden.
> 6. Durch große Anstrengungen aller Beteiligten wurde auf dem Gebiet der Rückstandshöchstmengen ein sehr erfreulicher Stand in Deutschland erreicht. Hier zeigt sich der Erfolg des von den deutschen Gemüseanbauern und -gärtnern seit Jahren an den Tag gelegten kontrolliert Integrierten Anbaus.
Dieser wird zunehmend durch Vorgaben des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) nach Einhaltung von Höchstmengen weit unter den gesetzlich vorgeschriebenen Höchstgehalten, die ja bereits ganz erhebliche Sicherheitsfaktoren enthalten, in Frage gestellt. Auch die Infragestellung des gezielten und auf das absolute Minimum beschränkten Einsatzes mehrerer Pflanzenschutzmittel gefährdet die kontrolliert Integrierte Produktion zunehmend.
Auch die Politik muss dem LEH deutlich machen, dass rein quantitative Vorgaben im Ergebnis kontraproduktiv sind, weil sie den Einsatz breit wirkender und wenig nützlingsschonende Pflanzenschutzmittel zur Folge haben. Dieses ist aber gerade nicht im Sinne des Umweltschutzes.
III. Bewusstsein für gesunde Ernährung stärken und Kinder an diese heranführen
> 1. Die Schaffung öffentlichen Bewusstseins für eine gesunde Ernährung muss fortgesetzt und noch weiter intensiviert werden. Gemüse ist ein wesentlicher Bestandteil gesunder Ernährung. Gesunde Ernährung sollte auch Bestandteil des Schulunterrichts werden und nicht zuletzt auch bei der Ausgestaltung des Essensangebots in Schulen und Kindertagesstätten beachtet werden. Regionalität und Saisonalität müssen wieder ins Bewusstsein gerückt werden. Einige Bundesländer haben mit großem Erfolg das Schulobst und Schulgemüseprogramm der EU umgesetzt. Bund und Länder sollten in Ergänzung der EU-Förderung die entsprechenden Finanzierungsmittel sicherstellen, damit dieses Programm in allen Bundesländern angeboten wird.
IV. Einheitliche und faire Handelsbedingungen schaffen und sicherstellen
> 1. Bei den Vermarktungsnormen für Obst und Gemüse ist dafür Sorge zu tragen, dass die UN/ECENormen für alle Gemüseerzeugnisse einheitlich Anwendung finden. Gemüse muss entsprechend gekennzeichnet werden. Die Einhaltung der Normen muss auf allen Handelsstufen und bei der Einfuhr überwacht werden.
> 2. Zur Information der Verbraucher bedarf es auch bei konservierten und tief gefrorenen Verarbeitungsprodukten dringend der Verpflichtung zur Herkunftsangabe bei Rohware.
V. In der Umweltpolitik den natürlichen Gegebenheiten des Gemüsebaus Rechnung tragen
> 1. Bei allen Maßnahmen zur Vermeidung überflüssiger Düngung ist im Hinblick auf den Gemüsebau zu beachten, dass anders als im Ackerbau die Ernte täglich im vollen Wachstum der Produkte erfolgt. Dadurch kann die Kultur nicht alles an Stickstoff dem Boden entziehen. Die Stickstoffdynamik im Boden ist beim Gemüsebau den natürlichen Gegebenheiten entsprechend von besonderer Art. Dies gilt in ganz besonderem Maße für die zahlreichen kleineren und mittleren Gemüsebaubetriebe, die viele Gemüsearten in zeitlich eng aufeinander folgend kultivieren. Diesen Gegebenheiten muss bei der Umsetzung des europäischen Rechts Sorge getragen werden.
VI. Den Gegebenheiten und der Wettbewerbssituation des Gemüsebaus in der Energieund Steuerpolitik Rechnung tragen
> 1. Soweit es auch künftig branchenbezogene Freistellungen von der EEG-Umlage geben wird, bedarf es aus Gründen der Gleichbehandlung auch für den geschützten Anbau (unter Glas und in geschlossenen Kulturräumen) einer Freistellung von dieser EEG-Umlage. Die Wettbewerbsnachteile zu ausländischen Mitwettbewerbern müssen umgehend abgeschafft werden.
> 2. Investitionen in die Energieeffizienz sind zu fördern.
> 3. Beim Agrardiesel sind die deutschen Gemüsebauern sowie die gesamte deutsche Landwirtschaft mit der Ausnahme von Österreich gegenüber allen anderen EU-Partnern in einer deutlich schlechteren Situation. Hier muss eine Angleichung an die steuerlichen Gegebenheiten etwa in den Niederlanden und Frankreich herbeigeführt werden. In keinem Fall darf das derzeitige Niveau der Agrardieselerstattung unterschritten werden.
> 4. Wegen der naturbedingt außerordentlichen Ertragsschwankungen im Gemüsebau sollte die Bildung einer steuerlich wirksamen Risikoausgleichsrücklage ermöglicht werden.
> 5. Um den heimischen Gemüsebau neue Impulse zu geben, wird die Wiedereinführung der Möglichkeit einer Sonderabschreibung für Gewächshäuser und für bewegliche Wirtschaftsgüter gefordert.
> 6. Während andere Mitgliedsstaaten der EU ihren Gemüsebauern bis zu 80 % Zuschuss für Hagelversicherung und/oder Mehrgefahrenversicherung gewähren, erhalten die deutschen Gemüsebauern keinerlei Unterstützung. Um diese Wettbewerbsverzerrung abzubauen, bedarf es in der Bundesrepublik Deutschland der Angleichung an die Gegebenheiten in den anderen Mitgliedsstaaten.
VII. Europäische Agrarpolitik mit dem Ziel der Stärkung auch des Gemüsebaus mit gestalten und umsetzen
> 1. Der europäische Agrarsektor und damit auch der Gemüsebau produziert unter sehr viel höheren umwelt- und sozialpolitischen Vorgaben als seine Wettbewerber außerhalb der EU. Schon wegen dieses großen Kostennachteils ist es geboten, die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik der EU so auszugestalten, dass die produzierenden Betriebe gestärkt werden. Diesem Ziel widersprechen alle Greening-Vorschläge. Von diesen sollte daher vollständig Abstand genommen werden. In jedem Fall müssen sie auf ein absolutes Minimum beschränkt werden. Der Gemüsebau ist auf die vollständige Nutzung seiner Flächen angewiesen. Er muss daher von allen Regelungen ausgenommen werden, die ihn dazu zwingen würden, Flächen nur anzupachten, um Greening- Vorgaben entsprechen zu können. Dies würde seine Wirtschaftskraft erheblich beeinträchtigen.
> 2. Von der künftigen deutschen Bundesregierung erwartet der Gemüsesektor nach der abschließenden Beschlussfassung der Reform, dass sie von der Möglichkeit einer Mittelumverteilung von der ersten in die zweite Säule keinerlei Gebrauch macht. Jegliche Umverteilung verstößt gegen das Ziel der Stärkung der produzierenden Betriebe.
> 3. Bei der Neugestaltung der Einzelbetrieblichen Förderung ab 2014 muss sichergestellt werden, dass Gemüsebaubetriebe, die keine GMO-Förderung erhalten können, für ihre betriebliche Entwicklung vergleichbare Förderungen erhalten.
VIII. Forschung und Beratung
> 1. Forschung und Lehre sind für unseren zukunftsorientierten Gemüsebau unverzichtbar. Die Kapazitäten in Deutschland sind wieder aufzustocken, damit der Fachkräftemangel behoben und die Wirtschaftskraft gesteigert wird. Es besteht unter anderem Forschungsbedarf bei der Bekämpfung von Thripsen und diversen Gemüsefliegen. Dabei sollte die gezielte Schaderregerüberwachung und -bekämpfung zum Beispiel durch Pheromonfallen und deren Erprobung in der Praxis im Vordergrund stehen.
> 2. Eine gemeinsame Initiative zur Aufklärung der Verbraucher über Produktionsverfahren, Wertschöpfungssteigerung und gesundheitlicher Wirkungen durch den Verzehr von Gemüse und den dadurch entstehenden volkswirtschaftlichen Nutzen ist zu starten.
> 3. Die Fachberatung im deutschen Gemüsebau ist ein Garant für die Umsetzung des kontrollierten Integrierten Anbaus als umweltschonendes Anbauverfahren und sichert den Gemüsebau in den gärtnerischen und landwirtschaftlichen Familienbetrieben. Die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und auch die Ausweitung des Bioanbaus sind nur mit ausreichender Beratung möglich. Die Offizialberatung wird in den Ländern jedoch zunehmend abgebaut. Wir benötigen aber eine Verstärkung der Fachberatung.
Berlin, 23. April 2013
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