Haben Sie noch Lücken in Ihrem Kassensystem?
Gegen Steuerbetrug vorzugehen, ist grundsätzlich positiv. Es sorgt für etwas mehr Gerechtigkeit und soll in diesem Fall auch mehr Geld in die Finanzkassen fließen lassen: Seit Januar 2017 stellt das Bundesfinanzministerium neue Anforderungen an Kassensysteme, wie unser Titelthema in »Gemüse« Nr. 3/2017 zeigte.
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Der Weg dorthin war allerdings lang und steinig. Lange Zeit war nichts Genaueres bekannt und viele, sowohl Anwender wie Kassenhersteller, haben noch auf Ausnahmegenehmigungen gewartet. Dementsprechend zögerlich sind viele Betroffene das Thema auch angegangen oder haben es ganz verdrängt. Denn wer will schon frühzeitig investieren, um später zu erfahren, dass es noch gar nicht notwendig gewesen wäre. Und welcher Hersteller treibt schon teure Entwicklungen voran, obwohl die gesetzlichen Vorgaben noch im Dunkeln sind? Deshalb dieser verdeutlichende Kommentar!
Der Hintergrund: Offenbar ist/war Kassensoftware auf dem Markt, die einen bestimmten Prozentsatz der Umsätze – ohne Spuren zu hinterlassen – einfach „verschwinden“ lässt. Selbst Lagerbestände können mit dieser Software angepasst werden, eine „Besteuerung auf Zuruf“ sozusagen. Diese Art der Steuermanipulation komme in vielen Branchen vor, besonders häufig in Restaurants und bei Taxifahrern. Aber auch der Gartenbau stand als Risikobranche im Visier der Steuerprüfer.
Die Finanzverwaltung sieht den Einzelhandel als bargeldintensive Risikobranche und Kassenhersteller als potenzielle Gehilfen bei der Manipulation. Ist das nicht weit übertrieben? Beim Kauf von Registrierkassen wurde, so scheint es, bisher von Anwendern offen nach Manipulationsmöglichkeiten gefragt, nach dem „Was geht?“. Hängt der Erfolg vieler Unternehmer also von der Möglichkeit der Steuerhinterziehung ab? Es sollte allen zu denken geben, dass viele Unternehmer sich angeblich nur auf diese Weise über Wasser halten könnten.
Häufig bleibt es sogar nicht allein dabei, beispielsweise dann, wenn mit dem abgezweigten Geld schwarz arbeitende Mitarbeiter bezahlt werden. Dem Missbrauch waren bisher angeblich kaum Grenzen gesetzt. Diese Aussage ist ein Schlag ins Gesicht all derer, die ordnungsgemäßg abgerechnet haben! Aber unterbinden die neuen und sehr aufwendigen Anforderungen an Kassensysteme diesen Missbrauch wirklich? Ein Betrug bleibt doch grundsätzlich weiterhin möglich, wenn an der Kasse vorbei verkauft wird. Wer betrügen will, schafft dies auch weiterhin. Zu hohe Anforderungen an Unternehmen bestrafen alle nach dem Gießkannenprinzip und schädigen auch die Gründerkultur. Hat sich der Gesetzgeber darüber Gedanken gemacht? Wenn sich jemand selbstständig machen möchte, darf die finanzielle Hürde nicht zu hoch sein.
Vor dem Hintergrund der Konzentration auf der Einzelhandelsebene, Beispiel die erlaubte Übernahme von Kaiser´s Tengelmann durch Edeka, schleicht sich noch ein ganz anderer Eindruck ein. Soll die Marktkonkurrenz der Kleinen langfristig ganz ausgeschaltet werden? Neue Kassensysteme kosten Geld. Die von dem Gesetzgeber auferlegte Investition für diese verpflichtenden technischen Neuerungen treffen kleinere Betriebe prozentual vom Umsatz gesehen viel stärker als die großen. Und was ist mit der „Entbürokratisierung“, über die wir schon lange reden? Eigentlich ging es dabei um Erleichterungen auch für Unternehmer? Doch hier haben wir es mit dem Gegenteil zu tun!
Das auferlegte Datenzugriffsrecht auch für alle Nebensysteme wie den Kaffeeautomaten birgt weitere Tücken für Unternehmer. Am einfachsten scheint es, den Kaffee-Münzautomaten schnell wieder abzuschaffen und damit gegebenenfalls Kunden und Mitarbeiter zu verprellen.
Was passiert, wenn saisonale Produkte in kleinen Mengen ab Hof verkauft werden, nicht weil es den Umsatz nennenswert in die Höhe treibt, sondern weil die Verbraucher aus der nahen Umgebung weiter eben in ihrer direkten Umgebung einkaufen wollen? Was ist, wenn es diesen kleinen Nebenbei- Verkauf ab Hof aufgrund zu hoher Anforderungen nicht mehr gibt? Dann geht der Kontakt der Landwirte und Gemüseproduzenten zu den Verbrauchern weiter verloren. Im Gegensatz dazu schreien alle nach mehr Transparenz und wollen aufeinander Zugehen. Der normale Verbraucher würde es vermutlich nicht verstehen, wenn er plötzlich seine Salat- oder Kohlköpfe nicht mehr nebenan einkaufen darf. Den ganzen Hintergrund mit den Grundsätzen zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GoBD) und so weiter ihm erklären? Na dann, viel Vergnügen!
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