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Kommentar

TTIP – die Sache mit den Chlorhühnchen – oder zollfrei über den Atlantik?

Wie so häufig bei dem Thema Ernährung malen sich bestimmte Gruppen der Bevölkerung allerhand Schreckliches aus, wenn sie an mögliche Auswirkungen des transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP) denken. Es wird demonstriert. Angst, Chlorhühnchen aus Amerika oder gentechnisch erzeugten Lebensmitteln im Ladenregal ausgesetzt zu sein, treibt diese Leute auf die Straße.

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Was ist dran an der Sache? Bringt TTIP für die Gemüsebranche Vorteile? Oder überwiegen die Nachteile? Ist ein Konkurrenzkampf zu fürchten oder öffnet das Abkommen eine neue Tür für den Export und verschafft somit größere Profitaussichten auf dem Markt der Vereinigten Staaten (USA)? TTIP-Befürworter erwarten Positives für die Wirtschaft in der Europäischen Union (EU) und in den USA, die mit gut 300 Mio. Verbrauchern einen lukrativen Absatzmarkt für EU-Exporte darstellen. Dafür ist es ihnen recht, Zölle, Regelungen weitere Handelsbarrieren, technische Normen, Sicherheitsstandards, Wettbewerbsvorschriften und bürokratische Hürden abzuschaffen, um die Kosten transatlantischer Geschäftsbeziehungen zu senken.

Laut der Studie des Centre for Economic Policy Research (CEPR) in London würde ein Zusatzeinkommen für die Wirtschaft entstehen, der auf jährlich 119 Mrd. € für die EU und 95 Mrd. € für die USA geschätzt wird. Nach Angaben der World Trade Organization (WTO) steht Deutschland mit einem gesamten Agrarhandelsvolumen von 186 Mrd. US-Dollar (2014) im internationalen Handel mit Agrargütern an zweiter Stelle hinter den USA (282 Mrd. US-Dollar). Und nach Zahlen des Statistischen Bundesamts beliefen sich die Auslandsumsätze der deutschen Ernährungsbranche auf circa 69 Mrd. €, eine neue Höchstmarke im Jahr 2015 (+3%).

Jedoch hat jede Medaille auch eine Kehrseite. Es bestehen Interessenkonflikte zwischen Handelsunternehmen, Verbrauchern und Landwirten in Europa und in den USA. Diese TTIP-Kritiker fürchten, dass das Abkommen eher negative wirtschaftlichen Effekte für die EU haben könnte. Laut Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) sind gesamtwirtschaftliche Wachstumsimpulse kurzfristig nicht zu erwarten. Die Intensivierung der Handelsbeziehungen wird erst auf lange Sicht nennenswerte positive Wohlstandseffekte mit sich bringen. Gegner regen sich darüber auf, dass der Wegfall der Zölle den Marktzugang für ausländische Händler erleichtere, was zu Preisverfall führen und somit die Gewinnspanne hiesiger Erzeuger senken würde.

Da in der EU sehr hohe Standards der Lebensmittelsicherheit (zum Beispiel bei Höchstmengen für Rückstände von Pflanzenschutzmitteln) oder auch beim Verbraucherschutz gelten, glauben Anti-TTIP-Demonstranten, dass durch die Aufweichung von Auflagen den EU-Bürgern Nachteile entstehen können. Ein weiterer Hauptkritikpunkt bezieht sich auf die „Investoren-Schutzklausel“, mit der jede (auch gesetzliche) Maßnahme, durch die der Wert einer Investition verringert wird, vor einem internationalen Schiedsgericht einklagbar ist. Ein US-Investor könnte also gegen die Einführung des Mindestlohns klagen, weil er durch höhere Lohnkosten weniger Gewinn verbuchen könnte. In dieser Weise angeklagte Staaten hätten dann nur zwei Möglichkeiten: entweder ihre Maßnahmen abzuschaffen oder aber eine Entschädigung an den Investor zu zahlen. Die Größenordnung dieser Summen beläuft sich nicht selten auf Milliarden von US-Dollar, wie bereits einige spektakuläre Fälle bei anderen Abkommen zeigten.

An den geschützten Ursprungsbezeichnungen hängt sich so manche Diskussion auf, wovon der Gemüsebau zum Beispiel bei den„Spreewälder Gurken“ oder dem „Abensberger Spargel“ tatsächlich betroffen wäre. So sollte nach Meinung der Ablehner die EU auf internationalen Märkten zusätzliche Schutzgarantien für geistiges Eigentum in Verbindung mit den geografischen Herkunftsbezeichnungen fordern. In der Gemüsebranche sind vor allem Spargel, Gurken, Kartoffeln, Meerrettich und Zwiebeln davon betroffen. Die Gewährung von Schutzgarantien könnte das generelle Verbot des Gebrauchs geografischer Bezeichnungen bedeuten, da diese Bezeichnungen in Europa patentiert sind.

Wir stehen an der Schwelle, die größte Freihandelszone der Welt für rund 800 Mio. Menschen einzurichten? Die Liberalisierung des Handels als ein Mittel für die Gestaltung der Globalisierung!? Könnten nicht von dem Freihandelsabkommen europäische Exporteure profitieren, die mit weniger verderblichen Gemüseprodukten wie Trockenzwiebeln, Kartoffeln oder verarbeitetem Gemüse handeln? Um dieses Ziel zu erreichen, sind gegenseitige Zugeständnisse erforderlich. Hier braucht es Fachleute und Versachlichung, weniger ideologisch gefärbte Meinungsmache!

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