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Exklusiv-Interview: Der Gemüsebau von morgen

Spagat zwischen notwendiger Düngung und geringer Auswaschung

Wie sieht die Düngung zukünftig aus? Diese Frage versuchen Manfred Kohl, Leiter des Fachbereichs Gartenbau, und Dr. Karsten Lindemann-Zutz, Referent für Pflanzenernährung und Koordination Wasserschutz von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen zu beantworten.

von Jessica Schröer erschienen am 13.08.2024
Manfred Kohl, Leiter des Fachbereichs Gartenbau, und Dr. Karsten Lindemann-Zutz, Referent für Pflanzenernährung und Koordination Wasserschutz von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen (v.l.). © Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
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„Gemüse“: Herr Kohl, welches Schlagwort kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an die Düngung im Gemüsebau im Jahr 2034 denken? Manfred Kohl: Da kommt mir zunächst in den Sinn, dass wir viel mehr in Kreisläufen denken müssen. Im Gemüsebau bleiben bei bestimmten Kulturen nach der Ernte Pflanzenreste auf dem Feld zurück, das ist unvermeidlich. Der Stickstoff, der anfangs für das Pflanzenwachstum ausgebracht wurde, wird mit der Ernte nicht vom Feld heruntergeholt, sondern bleibt zurück. Ein Großteil davon steht der Folgekultur zur Verfügung, ein Rest wird später freigesetzt. Wann genau der Stickstoff mobilisiert wird, ist unklar. Das hängt von vielen Faktoren ab, wie dem Wetter, der Temperatur, dem Wasserzustand und der Durchlüftung des Bodens. Aber genau dieser Punkt muss in Zukunft mehr durchdacht werden und das Potenzial, das noch im Boden steckt, genutzt werden. Wie hat sich der Bereich Düngung in den vergangenen zehn Jahren entwickelt? Karsten Lindemann-Zutz: Die Düngetechnik ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich verbessert worden und die Gemüsebaubetriebe haben viel investiert, wie zum Beispiel in Reihendüngung oder Unterfußdüngung, die in Kombination mit Pflanzmaschinen oder Hacktechnik eingesetzt wird. Aktuell gibt es auf dem Markt keine kleinen pneumatischen Modelle, die für Gemüseanbauer infrage kommen. Weil die Produktion für die Hersteller einfach nicht rentabel und die Maschinen für große Ackerschläge mit großen Arbeitsbreiten ausgelegt sind. Hinsichtlich des rechtlichen Rahmens hat sich auch einiges getan. Wenn ich die Düngeverordnung (DüV) 2017 betrachte, fällt auf, dass die früher unvermeidlichen Stickstoffüberhänge für bestimmte Gemüsearten für die letzte Ernte im damaligen Nährstoffvergleich von über 120 kg N im Zuge der Novelle halbiert wurden. Im Vergleich zu vor zehn Jahren ist die Stickstoffeffizienz im Gemüsebau deutlich gestiegen, das liegt unter anderem am technischen Fortschritt, einer gezielteren Düngung und einer verbesserten Fruchtfolge mit Zwischenfrüchten als festen Bestandteil. Um noch mal auf das Thema DüV zurückzukommen. Haben sich mit der Novellierung im Januar 2021 noch weitere Punkte geändert? Manfred Kohl: Ja, eine weitere Vorschrift ist, dass in roten Gebieten oder mit Nitrat belasteten Gebieten bei der Düngung 20 % vom durchschnittlichen Bedarf abgezogen werden muss. Reicht die Düngegabe und die Stickstoffreserven im Boden für die Gemüsepflanzen aus, ist alles gut. Sind meine Gemüsepflanze aber unterversorgt und ich kann am Ende nicht ernten, weil die Qualität nicht stimmt, dann habe ich ein Problem. Dann ist nämlich ein Großteil von dem, was ich gedüngt habe, potenziell auswaschungsgefährdet. Ich sage immer: Ernten ist nicht nur für den Geldbeutel das Beste, sondern auch für das Grundwasser.
Ernten ist nicht nur für den Geldbeutel das Beste, sondern auch für das Grundwasser Manfred Kohl
Sehen Sie bei der Düngung generell Einsparpotenzial? Manfred Kohl: Ich denke, dass durch eine noch bessere Ausnutzung der Fruchtfolgen und eine präzise Ausbringungstechnik Dünger eingespart werden kann. Mit einer guten Fruchtfolge kann das Stickstoffpotenzial aus dem Boden bestmöglich genutzt werden. Zum Beispiel sollten in einer Fruchtfolge nicht nur flachwurzelnde Kulturen, sondern auch Tiefwurzler integriert werden. So können Stickstoffreserven, die durch einen längeren Regen in tiefere Bodenschichten verlagert wurden, genutzt werden und die Auswaschungsgefahr ist geringer. Karsten Lindemann-Zutz: Wenn wir beim Gemüse eine gute Qualität haben wollen, dann muss entsprechend gedüngt werden. Je weiter wir an das Minimum der Düngung kommen, desto ungleichmäßiger werden die Bestände. Besonders kritisch ist es in den roten Gebieten. In der Beratung versuchen wir mit dem Konzept des gesamtbetrieblichen N-Managements gezielt die kulturphysiologischen Besonderheiten einzelner Gemüsearten (zum Beispiel ein hoher N-Bedarf, geringe Durchwurzelungstiefe oder naturgemäß ein Zurückbleiben hoher Erntereste) über die Fruchtfolge zur Einschätzung möglicher Verlustwege für Stickstoff zu bewerten. Anhand dessen werden standortspezifisch gezielt Maßnahmen zu Steigerung der N-Effizienz gemeinsam mit den Betrieben ausgewählt (wie Teilung hoher Düngegaben, technische Lösungen, Fruchtwechsel oder Integration von Zwischenfrüchten). Diese Maßnahmen bedeuten für die Betriebe immer einen Mehraufwand und müssen gezielt ineinandergreifen, dies kann nur betriebs- und kulturindividuell sein. Ein Pauschalrezept zur Einsparung gibt es nicht. Um die Kultursicherheit nicht zu gefährden, müssen immer die Situation vor Ort sowie die angestrebten Vermarktungsziele mit betrachtet werden.
Wenn wir beim Gemüse eine gute Qualität haben wollen, dann muss entsprechend gedüngt werden Karsten Lindemann-Zutz
Manfred Kohl: Die Düngung ist gesellschaftlich insofern ein Problem, weil der Stickstoffeintrag in das Grundwasser nicht erwünscht ist. Wasser als wichtigstes Lebensmittel und die Biodiversität sind ein hohes Gut. Aber einen Gemüseanbau ohne jeglichen Stickstoffaustrag wird es nicht geben. Für optimale Qualität brauchen wir im Gemüsebau Stickstoff, Minderqualitäten sind nicht zu vermarkten. Ein Ackerbauer kann sein Brotgetreide zu Not noch als Futtergetreide verkaufen, aber im Gemüsebau gibt es keinen Futtersalat oder Futterblumenkohl. Es läuft dann auf eine Nullernte hinaus. Der Spagat zwischen notwendiger Düngung und möglichst geringer Auswaschung bleibt eine stete Herausforderung. Was wird zukünftig die größte Herausforderung im Gemüsebau? Manfred Kohl: Das ist ganz klar der Klimawandel und der damit vorhandene Wassermangel. Der Gemüsebau ohne Bewässerung wird nicht mehr funktionieren. Das Problem ist, dass bei einem Wassermangel auch gleichzeitig die Nährstoffverfügbarkeit der Pflanzen eingeschränkt ist. Ohne Wasser kann die Stickstoffmineralisierung nicht stattfinden. Wenn es aufgrund von Trockenheit zu einem Stillstand bei der Mineralisierung kommt und erst nach der Ernte der Gemüsekultur wieder regnet, dann wird der Stickstoff im Boden erst verfügbar sein, wenn die Pflanze ihn nicht mehr braucht. Deswegen benötigen die Gemüseanbauer ein regelmäßiges Bewässerungssystem, damit das Bodenleben aktiv gehalten wird und es bei der Stickstoffmobilisierung zu keinen großen Schüben kommt. Aber auch bei zu viel Regen gilt es durch intelligente Düngung und Fruchtfolge im Boden verlagerten Stickstoff für die Kultur zu nutzen. Wie kann noch auf die unterschiedlichen Extreme des Klimawandels reagiert werden? Manfred Kohl: In trockenen Jahren brauchen wir eine Bewässerung. In nassen Jahren ist hingegen die Gefahr der Auswaschung sehr groß. Um sicherzugehen, dass die Pflanze optimal mit Stickstoff versorgt wird und um zusätzlich besser auf den Wechsel zwischen nass und trocken reagieren zu können, wäre es angebracht, die Düngung in mehrere kleine Teilgaben aufzuteilen. Leider wissen wir nie genau, wie groß das Stickstoffpotenzial im Boden ist. Das hängt wie bereits gesagt von vielen Faktoren ab. Es wäre schön, wenn wir diese Stickstoffdynamik im Boden besser vorhersagen könnten. Da hoffen wir, dass die Wissenschaft entsprechende Fortschritte macht, eventuell über Sensoren, die messen, wann eine Pflanze in den Mangel kommt. Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Gemüsebaubranche? Manfred Kohl: Ich würde mir wünschen, dass der Verbraucher beim Kauf von Gemüse bereit ist, Abstriche an der Optik zu akzeptieren. Ich weiß, dass es schwierig ist. Im Laden kauft man emotional ein. Und warum sollte man auch zu einem nicht so schön aussehenden Gemüse greifen, wenn in derselben Kiste oder der Kiste darunter bessere Ware liegt? Man müsste dem Käufer erklären, woran es liegt, dass das Gemüse nicht so schön aussieht. Im Lebensmitteleinzelhandel ist das natürlich schwieriger als in der Direktvermarktung. Aber wenn nicht immer so stark auf die Optik geschaut würde, dann könnten die Gemüsebauer in Sachen Düngung und Pflanzenschutz eine Menge einsparen. Ich frage mich oft: Warum muss ein Kohlrabi oder Radieschen mit Blatt verkauft werden, wenn die wenigsten Menschen die Blätter essen? Die Blätter werden mit Dünger und Pflanzenschutzmittel schön gehalten, das ist meiner Meinung nach nicht notwendig.
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