Witterungsextreme mit mittel- und langfristigen Folgen
Bei einem großen Autohersteller standen Ende August die Produktionsbänder für ein Modell zeitweise still. Es fehlten zwei Bauteile, die von einem Zulieferer nach einem Streit eben einmal nicht geliefert wurden. Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, wer an dieser Stelle – zumindest kurzfristig – am längeren Hebel sitzt. Manch ein Kunde musste auf sein Auto warten.
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Was hat das alles jetzt mit dem Gemüsemarkt zu tun? Hier muss zur Auflösung das Bild etwas weiter gefasst werden. Für die Produktion von Freilandgemüse ist die Natur der Zulieferer. Die Schwierigkeit dabei: Natur ist nicht an Verträge gebunden und liefert dadurch selten im richtigen Maße Sonnenschein, Wärme und Wasser. Auf der anderen Seite hat aber auch der Kunde, in diesem Fall der Gemüseproduzent, hohe Ansprüche. Der bisherige Verlauf der deutschen Gemüsesaison 2016 hat eindrucksvoll gezeigt, welche Folgen es haben kann, wenn die Natur zu viel oder zu wenig liefert.
Es kommt zu Engpässen oder Überschüssen. Das ist soweit bekannt, und ein stückweit natürlich auch Risiko, wenn unter freiem Himmel produziert wird. Wobei, in diesem Jahr haben teilweise noch nicht einmal Gewächshäuser Schutz geboten. Lokal haben Hagelunwetter nicht nur die Ernte, sondern auch gleich die ganze Infrastruktur mitzerstört. Aber das nur am Rande. Es kommt also kurzfristig zu Ausfällen und damit zu einer knapperen Marktversorgung. Die Preise steigen. Alle Preise? Nein, denn häufig sind die Werbezettel des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) Wochen im Voraus geplant und gedruckt. Die Preise für die Aktionen sind schon längst abgesprochen, eine kurzfristige Reaktion auf die Angebotslage nicht mehr möglich. Um eine Aktion überhaupt bedienen zu können, muss dann mitunter Ware teuer zugekauft werden.
Ganz ausschließen lassen sich solche Situationen natürlich nicht, aber ein bisschen mehr Flexibilität bei der Planung und Preisgestaltung wären hilfreich. Ansätze großer Discounter zeigen, wie es gehen kann, wobei auch hier nicht ganz klar ist, wie die Preisgestaltung funktioniert. Aber Online-Werbung und Aktionen zum aktuellen Tagespreis lassen kurzfristig mehr Spielraum. Es bleibt aber die Frage, ob sich der Verbraucher von Angebotsaktionen ohne konkreten Preis, in den Laden locken lässt.
In diesem Jahr haben die extremen Witterungsbedingungen nicht nur zu Schäden und Ausfällen an einzelnen Anbausätzen geführt. Viele Flächen waren über einen langen Zeitraum viel zu nass, um überhaupt befahren zu werden. Damit war nicht nur die Ernte in den gerade reifen Gemüsearten unmöglich, es blieben auch viele Aussaaten, Pflanzungen und Pflanzenschutzmaßnahmen auf der Strecke. Entsprechend lange wirkten die extremen Bedingungen noch weiter in die Saison. Am schnellsten hat sich die Situation bei Gemüsearten mit kurzer Kulturdauer wieder entspannt. Bei einigen gepflanzten Arten war nach der Angebotsdelle eine Ernteschwemme erwartet worden, nämlich dann, wenn all die eilig nachgepflanzten oder verzögerten Sätze auf einmal erntereif würden. Bis in den August hinein war davon aber nichts zu spüren. Die Bedingungen während der Wachstumsphase waren doch nicht gut genug.
Aber was bedeutet das alles in harten Fakten und Preisen? Das dürfte die Frage sein, die einem Marktanalysten zu Recht gestellt wird. Und sie soll, zumindest exemplarisch, beantwortet werden. Die durchschnittlichen Erzeugermarktpreise für Radies gingen schon früh, Anfang Mai, auf das übliche Preisniveau um 21 €/100 Bund zurück. Und es wäre wohl auch auf diesem Niveau weitergegangen, wären nicht die starken Regenfälle und überfluteten Flächen gewesen. Anfang Juli stiegen die Preise für vier Wochen sprunghaft um 10 €/100 Bund. Damit war zu diesem Zeitpunkt das höchste Preisniveau der letzten fünf Jahre erreicht. In der Folge fielen die Preise schrittweise wieder und lagen Ende August wieder auf dem üblichen Niveau. Diesen Preissprung bekamen auch die Verbraucher zu spüren, die im Juli/August durchschnittlich 52 Cent je Bund Radies bezahlen mussten, 18% mehr als im Vergleichszeitraum 2015.
Noch ist es zu früh für ein endgültiges Fazit zur Gemüsesaison 2016. Aber es zeichnet sich schon jetzt ab, dass die Preislinie bei kaum einem Produkt unter der des Vorjahrs liegen wird. Das ist erfreulich, aber auch sehr notwendig, und es ist fraglich, ob die höheren Preise einen vollen Ausgleich für die Mindererträge schaffen können.
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