Der Wind hat sich gedreht
Was haben Tornados, Kulturschutznetze und Bewässerung gemeinsam? Sie alle sind Themen, die den Gartenbau bewegen und das nicht zuletzt, weil die Klimaveränderung in irgendeiner Weise ihre Finger mit im Spiel hat. Grund genug, um auf dem Deutschen Gartenbautag 2019 das Klima zum großen Programmpunkt zu machen. Unter dem Motto "Klima2go" lud der Zentralverband Gartenbau e. V. (ZVG) Referenten aus Praxis und Wissenschaft ein, die Einblick in ihre Arbeit gaben. "Die klimatischen Veränderungen haben große Auswirkungen auf unsere Betriebe. Unser Anliegen ist es mit dem diesjährigen Thema den Gartenbaubetrieben Perspektiven aufzuzeigen", betonte der Präsident des ZVG, Jürgen Mertz in seiner einführenden Rede.
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Wie die Zukunft klimatisch aussehen könnte, zeigte der Hamburger Metereologe, Buchautor und Moderator Frank Böttcher in seinem lebhaften Vortrag zum Thema „Extremwetter und Klimawandel – was kommt auf uns zu?“. Während das Wetter für die meisten von uns eine nachvollziehbare Größe ist, wird es beim Klima schon etwas komplizierter. „Wetter können Menschen sehen, spüren oder auch fühlen. Klima ist pure Statistik, die sich über viele Orte und lange Zeiträume erstreckt. Das ist nicht immer so leicht greifbar“, erklärt der TV-Wetterfrosch. Wie auch sonst überall auf der Erde, spielt das Wasser beim Klima eine zentrale Rolle, denn steigende Temperaturen sind verantwortlich für steigende Verdunstungsraten und die widerum verursachen, dass immer mehr Wasser zurückkommt.
Vor allem in den Sommermonaten wird es künftig vermehrt zu Starkregen- und Hagelereignissen kommen. „Problematisch sind dabei kummulative Wirkungseffekte. Umso wichtiger ist deshalb ein richtiges Management und das vom eigenen Grundstück bis hin zu Städten und Flüssen“, betont der Metereologe.
Auch wenn Starkregenereignisse zunehmen werden, Hitze und Trockenheit bleiben im Sommer nicht aus. Ganz im Gegenteil, Trockenheiten werden sogar zunehmen. Wer jetzt allerdings hofft, dass sich damit die Fröste im Winter erledigen, der wird entäuscht sein. Denn auch wenn die Frosttage abnehmen und die Winter eher nass werden, frostige Phasen wird es dennoch weiterhin geben. „Da die Natur nicht genug Zeit hat, sich an diese rasanten Veränderungen anzupassen, gilt es, möglichst bald Lösungen zu finden“, so Böttcher. Das große Ziel müsse es sein, Emmissionen zu reduzieren. „Ein guter Ansatz kann es sein, das Grün in Städten beispielsweise durch vertikale Gärten zu erhöhen. Alternative Antriebe, elektronisch oder mit Wasserstoff, sollten ebenfalls weiter vorangebracht werden“, betont der Metereologe abschließend.
Perspektiven im Pflanzenschutz
Der Einfluss des Klimawandels ist vielfältig. Nicht nur unterschiedliche Wetterereignisse machen den Betrieben zu schaffen, sondern auch die sich dadurch ändernde Schädlings- und Krankheitslage für die Gemüsepflanzen. Denn der Klimawandel sorgt dafür, dass neue Schädlinge und Krankheiten dort Fuß fassen, wo sie in der Vergangenheit keine Überlebenschancen hatten. Dr. Ute Katharina Vogler vom Julius Kühn-Institut (JKI) stellte in ihrem Vortrag neue Pflanzenschutzstrategien vor, an denen im Zuge der Klimaveränderung geforscht wird. „Die Produktion steht nicht nur unter dem Druck des Klimas und all seinen Folgen, sondern wird auch beeinflusst durch die Gesellschaft, gesetzliche Rahmenbedinungen und ökologische Bedürfnisse. Deshalb ist es im Pflanzschutz wichtig, ganzheitliche Konzepte zu finden“, erklärt die Wissenschaftlerin.
Das Projekt EMRA beispielsweise hat zum Ziel, Systeme und Tools zu entwickeln, die Landwirte rechtzeitig vor Extremwetterereignissen warnen sollen. Damit aber die Betriebe auch langfristig gewappnet sind, forscht das Julius Kühn-Institut im Projekt „OptAKlim“ zusätzlich an optimierten Anbaustrategien und -verfahren zur Klimaanpassung. Auch der Pflanzenschutz ist ein Gesichtspunkt, der dabei näher beleuchtet wird. „Hitze und extreme Niederschläge haben Einschränkungen von Pflanzenschutzanwendungen zur Folge. Der Einsatz selbst kann sich dadurch sowohl zeitlich als auch technisch ändern, weil viele Mittel temperaturabhängig in ihrer Wirkung sind“, erklärt Dr. Ute Katharina Vogler.
Sind die Schadorganismen einmal in den Kulturpflanzen angekommen, gilt es Lösungen zu finden, die Betriebe auch bei der aktuell schwierigen Zulassungsituation unterstützen. Eine alternative Möglichkeit zu Pflanzenschutzmitteln sind Kulturschutznetze, die den Weg der Schädlinge auf die Pflanzen verhindern sollen. Da die Netze aber für andere Arbeiten abgenommen werden müssen und dabei die Gefahr besteht, beispielsweise die Möhrenfliege doch unter das Netz an die Kultur zu bringen, testet das JKI deren optimierte Verwendung im Projekt OptiNet.
Hilfe können Gemüseanbauer auch von Nützlingen bekommen. Diese benötigen allerdings auch die richtigen Pflanzen, um sich wohlzufühlen. OptiUnder testet den optimierten Einsatz von Untersaaten zu Schädlingsregulierung im Kohl- und Zwiebelanbau. Die Untersaaten sollen nicht nur die natürlichen Gegenspieler des Erdflohs fördern, sondern auch Erosion verhindern. „Wichtig ist hierbei aber grundsätzlich, dass mit den vielen Alternativen weiterhin qualitativ hochwertige Gemüsepflanzen produziert werden können“, betont Vogler.
Ein interessanter Ansatz ist das Projekt FlyIPM, das die integrierte Bekämpfung von Gemüsefliegen zum Ziel hat. Das Forschungsprojekt kombiniert dabei ganz unterschiedliche Ansätze. Im Versuch werden drei verschiedene Strategien parallel eingesetzt: Die Hauptkultur Blumenkohl wird von Fangpflanzen, hier dem Chinakohl, geflankt, der die Fliegen vom Hauptakteur weglocken soll. Zusätzlich sollen Duftstoffe, die Schädlinge vertreiben. Zum Einsatz kommen auch Plize und Nematoden, die als alternative Pflanzenschützer fungieren. „Wir wollen herausfinden, welche Strategie die Praktiker letztlich anwenden können“, so die Wissenschaftlerin.
Nicht nur Freilandpflanzen haben mit (neuen) Schädlingen und Krankheiten zu kämpfen, auch im Gewächshaus kann es zu Problemen mit ihnen kommen. Da die Folgen der Tomatenrostmilbe immer erst dann sichtbar werden, wenn es zu spät ist, arbeitet das JKI an einer Monitoring Methode für diesen Schädling. Das Ziel: die Tomatenrostmilbe rechtzeitig finden, damit erst gar nicht zu Schäden kommen kann. Entscheidungshilfen, die parallel entwickelt werden und eine Dokumentation des gesamten Prozesses ermöglichen, stehen zudem auf der Agenda des Projektes SmartIPM.
Weitere unangenehme Gegenspieler der Tomaten sind die Tomatenminiermotte (Tuta absoluta) sowie die Samtfleckenkrankheit, die durch einen äußerst anpassungsfähigen Pilz verursacht wird. Gegen Tuta absoluta steht die Entwicklung eines neues Viruspräparates in den Startlöchern. Damit die Samtfleckenkrankheit keine Chance hat, wird an der Züchtung robuster und ertragsstabiler Sorten geforscht, die nicht nur widerstandsfähig sind, sondern auch ansprechend in Geschmack und Aussehen.
Die Frage nach dem Wasser
Der Ausnahmesommer 2018 ist wahrscheinlich noch vielen Gemüseproduzenten in Erinnerung, vermutlich auch deshalb, weil im ein oder anderen Teil Deutschlands die Böden und Pflanzen sich bis heute nicht von diesem Stress erholt haben. Der Knackpunkt dabei ist das Wasser beziehungsweise die Bewässerung, ohne die eine Produktion nicht möglich ist. Prof. Dr. Jana Zinkernagel von der Hochschule Geisenheim ging in ihrem Vortrag auf den Bewässerungsbedarf einzelner Kulturen im Zuge des Klimawandels ein. „Für die Bewässerung im Freiland ist in erster Linie wichtig zu wissen, wie lange denn Trockenperioden andauern. Im Sommer 2018 hatten wir beispielsweise in Geisenheim eine andaurende Trockenheit von 28 Tagen. Auch in Zukunft können solche Längen eintreten“, erklärt Zinkernagel.
Für die Versuche zur Ermittlung des künftigen Wasserbedarfs von Zwiebel, Buschbohne und Spargel wurden verschiedene Regionalisierungsmodelle zur Simulation eingesetzt. Die Ergebnisse zeigen, dass der Wasserbedarf der Gemüsepflanzen im Zeitraum von 2031 bis 2060 sich nur unwesentlich erhöht. Ein erhöhter Bedarf war in den Simulationen erst ab 2070 sichtbar. Für die Zwiebel wird dieser merklich ansteigen, bei Buschbohne und Spargel zeigt sich ein signifikanter Trend hin zu einer deutlichen Zunahme. Durch die potentielle Verfrühung im Zwiebelanbau hätten Zwiebelanbaubetriebe dadurch eventuell sogar einen Vorteil. Die Zwiebel könnte von den Winterniederschlägen profitieren, was sich positiv auf den Wasserbedarf auswirken würde.
„Generell muss man sich vergegenwärtigen, dass es verschiedene Modelle gibt, die auch zu unterschiedlichen Aussagen kommen. Es gibt niemals ein Schwarz-Weiss-Szenario.“, betont Prof. Dr. Jana Zinkernagel. So wird sich in Zukunft sicherlich auch die Frage stellen, welche Kultur in welcher Region überhaupt noch angebaut werden kann. Auch gesellschaftliche Aspekte schwingen beim Thema Bewässerung mit. Denn wie wird künftig entschieden, wer in langanhaltenden Trockenphasen als erster Wasser bekommt? Die Industrie oder die Landwirtschaft? „Das sind Aspekte, die ganz klar disktutiert werden müssen“, so die Wissenschaftlerin.
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