Auf dem Aldi-Süd Prüfstand – gebannte Insektizide
Prinzipiell ist es richtig, die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln regelmäßig auf einen kritischen Prüfstand zu stellen. Es muss auch hinterfragt werden, für welchen Bereich sie wirklich notwendig sind und ob es Alternativen gibt.
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Dies gilt vor allem für die Insektizide, die ja durchaus in der Lage sind, unerwünschte Nebeneffekte auf Nützlinge auszulösen. Denn Schadinsekten und Nutzinsekten sind eng verwandt.
Einer dieser Nützlinge, die Honigbiene, bewegt sich in bestimmten Pflanzenbeständen auf der Suche nach Nahrung. Honigbienen sind auch in der Vergangenheit schon die Leidtragenden gewesen, vor allem wenn sich Pflanzenschutzmittelanwender nicht an die Vorschriften der Bienenschutzverordnung gehalten haben. Neue chemische Wirkstoffgruppen und Wirkungspfade und das Zusammenspiel unglücklicher Umstände, zuletzt 2008 im Rheintal bei der Aussaat von nicht sachgerecht gebeiztem Mais-Saatgut, können ebenfalls ernste Bienenschäden auslösen, die bei zukünftigen Entscheidungen berücksichtigt werden müssen.
Gerade die Wirkstoffgruppe der Neonicotinoide hat Fähigkeiten, die ihre Vorgänger nicht hatten, verbunden mit einer bisher noch nie dagewesenen Giftigkeit für Honigbienen, zumindest bei drei Wirkstoffen dieser Familie. Einer davon, das Clothianidin, war Auslöser der Bienenschäden im Rheintal, weil das ursprüngliche Ziel, den Wirkstoff zusammen mit dem Saatgut in den Boden zu bringen, aus qualitativen und technischen Gründen gescheitert war und Feinstäube auf die Blüten von Raps und von blühenden Obstbäumen abdrifteten. Dort erfasste die hoch bienentoxische Wirkung des Clothianidins die Sammlerinnen und führte teils zu hohen Bienenverlusten.
Mittlerweile ist sichergestellt, dass sich so etwas nicht wiederholen kann. Bei Wirkstoffen mit diesem bienentoxischen Potenzial muss generell geprüft werden, in welcher Pflanzenart und mit welcher Technologie man den Einsatz verantworten kann und welche Alternativen denkbar sind. Dies sollte aber nicht dazu führen, dass man beispielsweise die Saatgutbeizung als eine sehr gezielte Pflanzenschutzmaßnahme durch Flächenbehandlungen mit Insektiziden ersetzt. Dies wird derzeit im Raps gemacht. Das hilft weder den Bienen noch dem übrigen Naturhaushalt.
Aldi-Süd hat sich der Thematik der bienengefährlich eingestuften Insektizide gewidmet und eine Liste erstellt, die die Anwendung bestimmter Wirkstoffe im Obst- und Gemüseanbau insofern reglementiert, dass Ernteprodukte, die Rückstände dieser Wirkstoffe aufweisen, abgelehnt werden. Abweichung von der Spezifikation ist das Schlagwort. Mit Ausnahme des Chlothianidin war keiner der in dieser Liste aufgeführten bienengefährlichen Wirkstoffe in der Vergangenheit ein Auslöser von Bienenschäden, und dies vor allem nicht im Obst- und Gemüsebau. Gelistet ist auch der Wirkstoff Sulfoxaflor, der in keinem auf dem Markt befindlichen Pflanzenschutzmittel enthalten ist. Diese Strategie wirkt in der landwirtschaftlichen Praxis wie ein Anwendungsverbot, obwohl die Präparate von den Behörden, mit den notwendigen gesetzlichen Beschränkungen, die für bienengefährliche Präparate gelten, zugelassen sind.
Die Listung der Wirkstoffe bei Aldi-Süd erweckt den Eindruck, dass ein Ernteprodukt, das messbar einen der aufgeführten Wirkstoffe aufweist, mit einer Bestandsführung verbunden war, durch die Bienen gefährdet worden sind. Dies ist jedoch nicht der Fall. Dafür sorgt das Regelwerk der Bienenschutzverordnung, oder, wie im Fall einiger Gemüsearten, die vollkommene Unattraktivität mancher Pflanzenarten aus der Sicht der Bienen. Allerdings kann man durch ein derartiges Anwendungsverbot generell verhindern, dass irgendwo Fehler mit einem bienengefährlichen Präparat gemacht werden.
Der Bann der Wirkstoffe durch Aldi Süd ist sicherlich gut gemeint, führt aber leider nicht zwangsläufig zu mehr Bienenschutz, sondern zu großen Unsicherheiten bei den Produzenten sowie zu Vermarktungsproblemen. Auch der Verbraucher wird verunsichert und bekommt den fachlich falschen Eindruck, nämlich den, dass offensichtlich die Bundes- Zulassungsbehörden nicht in der Lage sind, Bienen umfänglich zu schützen. Eine Frage drängt sich förmlich auf: Welcher Wirkstoff wird der nächste sein, der auf diese Liste gesetzt wird. Eine sachliche Bewertung ist hier nicht nur wünschenswert, sondern aus Sicht der Landwirtschaft existenzsichernd!
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