
Prüfdienste auf Irrwegen
Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Rheinland-Pfalz beruft sich bei Betriebsprüfungen aktuell auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) aus dem Jahr 2018, in dem entschieden wurde, dass bei einem Jahreseinkommen von insgesamt 91.670 Euro zusätzliche Einkünfte aus einer kurzfristigen Beschäftigung in Höhe von 9.090 Euro von „besonderer wirtschaftlicher Bedeutung“ sind und damit letztere Tätigkeit berufsmäßig ausgeübt wird und nicht sozialversicherungsfrei abgerechnet werden kann.
von Christan Fetzer für den VSSE erschienen am 28.05.2025Bei der DRV heißt es im Bescheid: „Da die Höhe des im Beschäftigungszeitraum erzielten Bruttoarbeitsentgelts von 12.758,00 € die im aufgeführten Urteil festgelegte Grenze i. H. v. 9.090 € überschreitet, ist die Tätigkeit nicht mehr von untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung“ (und damit sozialversicherungspflichtig).
Der VSSE hat den Fachanwalt Christian Fritz gebeten, eine Einordnung vorzunehmen, bevor diese Grenze flächendeckend als Argument für die Sozialversicherungspflicht durch die DRV eingeführt wird. Gute Arbeitskräfte bei Leistungslohn sowie loyale Mitarbeiter, die die Beschäftigungsdauer von drei Monaten erfüllen, wären durch die Abzüge besonders benachteiligt.
Die aktuelle Rechtslage
Das BSG hat keine Entgeltgrenze festgelegt, ab der Sozialversicherungspflicht eintritt. Es hat in dieser Entscheidung lediglich ausgeführt, dass jemand, der sowohl abhängig beschäftigt als auch selbständig tätig ist, nicht nebenbei eine sozialversicherungsfreie Tätigkeit ausüben kann, wenn diese – gemessen am Jahreseinkommen – für ihn von nicht untergeordneter wirtschaftlicher Bedeutung ist. Im konkreten Fall hatte ein Schauspieler an sieben Tagen 9.090 Euro und damit etwa 10 % seines Jahreseinkommens verdient.
Für die Beurteilung von Arbeitsverhältnissen von Erntehelfern aus den osteuropäischen Nachbarländern ergibt sich hieraus keine Rechtsprechung, die von Bedeutung wäre. Die DRV wird diese Rechtsprechung auch nicht 1:1 anwenden. Andernfalls müsste sie ermitteln, über welches Jahreseinkommen der Erntehelfer in seinem Heimatland verfügt, um dann festzustellen, ob das Entgelt aus der Tätigkeit in Deutschland 10 % des Jahreseinkommens übersteigt oder nicht. Vermutungen oder Schätzungen sind nicht zulässig. Noch kein Gericht hat eine Einkommensgrenze von 9.090 Euro festgelegt, um anhand dieses Wertes zu bestimmen, ob eine Tätigkeit berufsmäßig war oder nicht.
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