
Ein Plädoyer für die Kleinstruktur
Im Vollerwerb auf einer vergleichsweise kleinen Fläche Landwirtschaft betreiben und die Erzeugnisse direkt vermarkten: Das Prinzip der Marktgärtnerei macht es möglich. Wie dieses kleinstrukturierte, landwirtschaftliche Produktionssystem auch in Niederbayern gelingen kann, zeigte ein Ganztagesworkshop für Profigemüseanbauer am 20. August 2025.
von Monika Bormeth/AELF erschienen am 28.08.2025Organisiert wurde die Veranstaltung von der Genussregion Niederbayern, der Öko-Akademie der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) und der Ökomodellregionen Passauer Oberland, Kelheim, Rottal-Inn und Rott und Inn. Ein Besuch auf dem Bio-Landwirtsbetrieb Reisner-Hof in Kirchham (Lkr. Passau) gab wertvolle Einblicke.
Mit der Marktgärtnerei in den Vollerwerb
2015 übernahmen Claudia Haspelhuber und Stephan Mendler den bis dahin konventionell betriebenen Hof von Haspelhubers Eltern. Die beiden stellten auf ökologische Bewirtschaftung (Bioland) um und suchten nach fünf Jahren Getreideanbau im Nebenerwerb eine Möglichkeit des Vollerwerbs. 2020 fand das Paar mit einer Kombination aus Marktgärtnerei und Solidarischer Landwirtschaft (SoLaWi) mit dem Titel „Allerlei“ das für sich passende Konzept. Mittlerweile ist die Gemeinschaft auf 90 Mitglieder angewachsen, die in der Saison von Anfang April bis Ende März des Folgejahres mit regional angebautem, hochwertigem Bio-Gemüse versorgt werden.
Wer Mitglied ist, darf sich wöchentlich an festgelegten Ausgabeterminen (zwei Tage pro Woche stehen zur Wahl) auf dem Reisner-Hof seinen Ernteanteil abholen. Die Marktgärtnerei ermöglicht es, auf einer kleinen Fläche intensiv zu arbeiten und Gemüse in hoher Qualität zu produzieren, berichtete Claudia Haspelhuber den 20 Teilnehmern. Stephan Mendler gab darüber hinaus tiefe Einblicke in ihre Anbauweise sowie sein Herzensprojekt, das „Lean Management“ bzw. der stetigen Verbesserung von Arbeitsabläufen. Denn jeder gesparte Handgriff und jeder Meter, den er sich spart zu gehen, bedeuten am Ende weniger Arbeitszeit und somit mehr Gewinn. Das Interesse an den ausgetüftelten Maßnahmen war sehr groß.
Workshop mit Theorie und Praxis
Dem Praxisteil war ein Theorieteil im Gasthof von Robert Bauer in Kirchham (einer der Abnehmer des Reisner-Hofs) vorangegangen. Marktgärtnerei-Experte Johannes Pelleter, der unter anderem die renommierte, niederösterreichische Marktgärtnerei Grand Garten aufgebaut hat, hielt einen Fachvortrag und wies die Teilnehmer in die Grundlagen ein: Zu den wichtigsten Kriterien einer Marktgärtnerei gehört, dass sie kleinstrukturiert, bio-intensiv und in überwiegender Handarbeit wirtschaftet und die eine Vielzahl von erzeugten Lebensmittel direkt vermarktet. Das bedeutet, dass sie mindestens 30 verschiedene Kulturen anbaut.
Pelleter sieht großes Potenzial in der Marktgärtnerei, denn diese ist ausschließlich im Frischgemüseanbau tätig und somit eine wichtige Ergänzung zu großen Lagergemüseproduzenten, betont er. „Ohne Agrarsubventionen und mit einer vergleichsweise geringen Fläche von unter einem Hektar, kann man mit guter Planung und Fachkenntnisse im Vollerwerb leben.“ Dies ist auch deshalb möglich, weil Pflanzen enger als üblich gesetzt werden und die angelegten Beete alle dieselbe Größe haben. So lassen sich Arbeitsprozesse vereinheitlichen und verschlanken (Lean Management). Gründung und Aufbau seien im Vergleich mit manch anderen Betriebsmodellen zudem ohne größere Verschuldung möglich und daher auch als Einstieg für junge Landwirte und Betriebsnachfolger interessant: „Und sollte man sich eines Tages dagegen entscheiden, lässt sich eine Marktgärtnerei leichter zurückbauen als ein Schweinestall.“
Das ganze Jahr frisches Gemüse
Bis auf eine kurze Winterpause gibt es ganzjährig eine vielfältige, bunte Auswahl an hochwertigem Gemüse auf dem Reisner-Hof. Mittlerweile hat man sich dafür entschieden, dass Mitglieder der SoLaWi zwölf Monate Beiträge bezahlen – auch wenn es in der kalten Jahreszeit wenige Wochen gibt, in denen man nichts abholen kann: „Wir haben aber dennoch ganzjährig Arbeit“, betont Claudia Haspelhuber. Sie und Stephan Mendler freuen sich, dass der überwiegende Teil der Abnehmer dem mit Verständnis begegnet. Während sie den Großteil der auszugebenden Ernte für die Mitglieder zum Einpacken bereitstellen, dürfen ausgewählte Kulturen wie Zuckerschoten, Erbsen oder Physalis selbst geerntet werden. Das stärke den Bezug zum Gemüseanbau, die Verständnis für die Landwirtschaft und erhöhe letztlich die Wertschätzung für ihre Arbeit.
Denn, da waren sich alle einig: Verbraucher für den Wert regional erzeugter, frischer Lebensmittel zu sensibilisieren, ist und bleibt eine große Aufgabe und gelingt nur mit transparenten und direkten Gesprächen. Rund 20 Teilnehmer, nicht nur aus Niederbayern, sondern sogar bis aus Karlsruhe, waren der Einladung zum Ganztagesworkshop gefolgt. Landwirte, Direktvermarkter, erfahrene Marktgärtner, die den Austausch suchten, als auch Neulinge. Auch Genussmanagerin Miriam Dick, Leiterin des am Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) angesiedelten Projekts Genussregion Niederbayern, war mit dabei und zog ein positives Fazit: „Das Prinzip der Marktgärtnerei im Gemüseanbau zu fördern ist in Bayern ein wichtiger Schritt in Richtung Ernährungssouveränität. Der Selbstversorungsgrad im Gemüseanbau liegt sowohl in Bayern als auch in Deutschland bei lediglich 37 %. Bei Obst ist sogar nur bei 7 %! Wir sind froh, den österreichischen Marketgarden Experten Johannes Pelleter sowie Claudia und Stefan Reisner als Referenten gefunden zu haben, um gemeinsam die Produktion, Vermarktung und den Genuss hochwertiger, regionaler Lebensmittel in unserer Heimat zu auszubauen.“
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