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Interview zu Geschmacksmarketing

Sensorische Beschreibungen als Marketinginstrument nutzen

Interview mit Prof. Dr. Achim Spiller, Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der Georg-August-Universität Göttingen, der eine Untersuchung zum Geschmacksmarketing bei Obst und Gemüse leitete.

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GEMÜSE: Herr Prof. Spiller, warum haben Sie sich mit dem Thema Geschmacksmarketing bei Obst und Gemüse befasst?

Prof. Spiller: Mehrere Studien weisen darauf hin, dass Geschmack ein zentrales Kaufkriterium bei Lebensmitteln ist. Natürlich haben Prozessqualitäten und Nachhaltigkeit in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, aber die Basisqualität Geschmack ist für die meisten Menschen immer noch am wichtigsten bei Nahrungsmitteln.

GEMÜSE: Können Sie die Ergebnisse Ihrer Untersuchungen in wenigen Sätzen zusammenfassen?

Prof. Spiller: Wir haben versucht zu ermitteln, mit welchen Instrumenten das Merkmal guter Geschmack über das Marketing an die Verbraucher transportieren werden kann, was gar nicht so einfach ist. Das Wein-Marketing ist bisher am stärksten entwickelt, weil das Genussprodukt Wein erhebliche Geschmacksunterschiede aufweist. Im Wein-Marketing sehen wir das Niedrigpreissegment mit 2-Euro-Weinflasche im Discounter, auf der anderen Seite stehen die geschmacksorientierten Konsumenten. Der deutsche Weinbauer profitiert davon, dass es gerade in den letzten Jahren insbesondere bei den Riesling-Weinen gelungen ist, deutsche Weine als Premiumprodukte, oft im Direktabsatz, an zahlungskräftige Kunden zu verkaufen und dadurch erhebliche Mehrpreise zu erzielen. Daraus resultierte unsere Frage, mit welchen Instrumenten dieser Schritt bei Wein gelungen ist und wie diese möglicherweise auf Obst und Gemüse übertragbar sind.

Die von uns untersuchten Instrumente sind zum einen die Sorten. Insbesondere mit dem Riesling gelang es den deutschen Weinproduzenten, ein gutes Sortenmarketing aufzubauen, während es im südeuropäischen Raum mehr um Cuvee-Weine geht. Es gibt auch andere Beispiele für das Sortenmarketing, beispielsweise bei Äpfeln oder der Kartoffelsorte ‘Linda’.

Ein weiteres von uns untersuchtes Instrument ist die sensorische oder Geschmacksbeschreibung, auch bekannt vom Weinmarketing: süß, trocken oder halbtrocken. Schließlich unterstützen auch Label beim Marketing. Beim Wein sind das zum Beispiel Bewertungen von Geschmackstestern oder Prämierungen von der DLG. Auch die Herkunft kann die Geschmackserwartung beeinflussen und ein Kaufkriterium sein.

Diese vier Kaufkriterien haben wir für Wein, Äpfel und Tomaten untersucht. Unser Kernergebnis für die Obst- und Gemüsebranche sagt, dass sich sensorische Beschreibungen am besten für ein Geschmacksmarketing eignen.

GEMÜSE: Also zählt beim Einkauf von Gemüse die Beschreibung des Geschmacks mehr als das Aussehen oder der Preis?

Prof. Spiller: Wir haben sehr unterschiedliche Zielgruppen, wie eine Clusteranalyse ergab. Am Beispiel Tomaten haben wir jeweils etwa 24 % preisorientierte und regionsorientierte Konsumenten. Aber 38 % legen besonderen Wert auf den Geschmack. Die Herausforderung liegt jetzt darin, dieses Kriterium im Marketing herüberzubringen. Für Tomaten gibt es bereits erste Versuche, das Kriterium Geschmack mit Marken wie der „Tasty Tom“-Geschmackstomate zu vermitteln. Mit Geschmacksbeschreibungen wie fruchtig, süß oder aromatisch lassen sich Verbraucher durchaus überzeugen.

Das Aussehen ist wichtig. Aber die Menschen haben mit der Zeit gelernt, dass dies kein guter Indikator für guten Geschmack ist, siehe die früher in negative Schlagzeilen geratenen niederländischen „Wassertomaten“.

Wenn Verbraucher keine verlässlichen Qualitäts-Indikatoren haben, schauen sie auf den Preis, so das eindeutige Ergebnis vieler Forschungen. Bisher gibt es selbst für Tomaten kaum für Verbraucher gut erkennbare Kaufindikatoren. Daher unser Plädoyer: Den Verbrauchern mehr Hilfe bei der Entscheidung bieten mit gutem Marketing.

GEMÜSE: Schwachstelle Ihrer Untersuchung ist, dass es sich lediglich um hypothetische und nicht reale Kaufentscheidungen handelte...

Prof. Spiller: Ja, wir haben die Entscheidungen lediglich hypothetisch in Choice-Experimenten treffen lassen. Es kann daher sein, dass wir die Preisbereitschaft etwas überschätzen. Aber man weiß aus der Forschung, dass dieser Ansatzpunkt trotzdem relativ gut funktioniert. Die Preisbereitschaft wird in der Realität etwas geringer ausfallen.

Wie alle Marktpotenzial-Untersuchungen werden lediglich Potenziale aufgezeigt, die mit einem gut durchdachten Marketing erfolgreich umgesetzt werden müssen.

Die Verbraucher müssen auch erst einmal lernen, welches Kriterium wofür steht. Dabei ist es wichtig, dass sich die gesamte Branche über die zu benutzenden Begriffe einigt. Fehlende Einheitlichkeit in der Begrifflichkeit verwirrt die Konsumenten.

GEMÜSE: Welche Vorteile bieten sich dem Gemüseproduzenten durch das Geschmacksmarketing mit einem sortenreinen Angebot und entsprechender Beschreibung beziehungsweise Marketingunterstützung?

Prof. Spiller: Ziel ist es, aus dem reinen Preiswettbewerb wegzukommen. Es geht darum, Besonderheiten zu entwickeln. Die „Pink Lady“-Äpfel zeigen ein gutes Beispiel mit einer bestimmten Standardisierung des Angebots.

GEMÜSE: Ihre Untersuchungen betrafen Trauben/Wein, Äpfel und Tomaten. Können Sie sich eine Erweiterung dieser Untersuchungen auf andere Gemüsearten außer Fruchtgemüse vorstellen?

Prof. Spiller: Sortenmarketing gibt es ansatzweise beispielsweise bei Avocados. Bei den gesamten Freilandgemüsearten wird ein Sortenmarketing meines Wissens gar nicht genutzt. Da gilt es tatsächlich, Pionierarbeit zu leisten. Bei diesen Gemüsearten schauen die Verbraucher im Wesentlichen auf die Anbieter, die Region, auch Größe und Optik. Hier gibt es kaum Anhaltspunkte, um Geschmacksunterschiede zu erkennen, das ist das Problem.

GEMÜSE: Welche Auswirkungen könnten Ihre Ergebnisse auf die Züchtung haben? Sollten Züchter Ihre Zuchtziele anpassen?

Prof. Spiller: Tatsächlich betrifft dieses Thema langfristig auch die Züchtung. Bei Kartoffeln wird ja schön länger auch in diese Richtung gedacht und gearbeitet. Es gibt bereits Kartoffelzüchter, die mit bestimmten Handelshäusern für bestimmte Sorten zusammenarbeiten und über besondere Geschmacksprofile vermarkten.

Geschmack in die Sortenzüchtung zu integrieren ist meines Wissens bisher eher ansatzweise bei den Züchtern angekommen. Wir haben bereits Gespräche mit Gemüsezüchtern geführt, die sich das Thema interessiert als Zukunftsthema angehört haben. Aber ich habe nicht den Eindruck, dass sich die Branche jetzt insgesamt damit befasst.

GEMÜSE: Teilweise wechseln die Sorten von Jahr zu Jahr. Also Sortennamen besser weglassen und lieber eine Beschreibung verbal oder in Form von Piktogrammen für das Marketing aufdrucken?

Prof. Spiller: Sorten- oder Markenname wären grundsätzlich möglich, aber die Frage ist tatsächlich, wie oft sich die Sorte ändert. Ein schneller Züchtungsfortschritt spricht eher für die Verwendung einer Marke, um bei den Konsumenten langfristig damit zu werben.

Beschreibungen oder beschreibende Piktogramme wären auch nach den Ergebnissen unserer Untersuchungen sicher der nächste Schritt. Die Kosten dafür sind überschaubar. Wichtig wäre, dass sich die Branche auf gleichlautende Beschreibungen oder Piktogramme einigt, um den Verbrauchern mehr Transparenz zu bieten und um diese nicht zu verwirren.

In einem weiteren Schritt sollte es dann um Markenentwicklungen gehen.

GEMÜSE: Der Geschmack ist nicht allein von der Sorte anhängig, sondern wird beeinflusst durch die Kulturbedingungen wie Düngung, Licht, Boden oder Bewässerung. Wie verträgt sich dies mit einem sortenabhängigen Geschmacksmarketing, selbst ohne Nennung der Sortennamen?

Prof. Spiller: Das ist sicher eine Herausforderung, insbesondere bei Freilandkulturen. Genau das hält ja bisher einen großen Teil der Anbieter von einem Geschmacksmarketing ab. Je genauer ich die Kulturbedingungen steuern kann, desto eher lässt sich ein Geschmacksmarketing realisieren.

Kommen wir noch einmal auf den Wein zurück. Auch hier haben wir eine Variabilität, sogar der Jahrgang zählt. Aber die wenigsten Verbraucher sind in der Lage, die letzten kleinen Geschmacksnuancen herauszuschmecken. Obwohl besondere Jahrgänge durchaus bezüglich dieser Geschmacksnuancen beworben werden.

Also auch eine nicht hundertprozentige Standardisierung mit ein wenig Spielraum wird von Verbraucherseite akzeptiert. Allerdings darf ich den Verbraucher nicht enttäuschen mit dem Angebot einer süßen Tomate, die viel zu wenig Sonne abbekommen hat.

Auf der anderen Seite wiederum lässt sich durch ein gutes Marketing das Geschmacksempfinden beeinflussen. Beispielsweise schmecken eingefärbte Obstsäfte anders. Ein gefärbter Apfelsaft kann sogar als Erdbeersaft geschmeckt werden. Geschmacksmarketing hat auch etwas damit zu tun, die Verbraucher mit auf eine Reise zu nehmen, um das Geschmackserlebnis zu erlernen. Bei bestimmten Warengruppen haben wir es gänzlich verlernt, auf den Geschmack zu achten.

Die Fragen stellte Dr. Gisela Fischer-Klüver, Hannover.

 

Prof. Dr. Achim Spiller ist seit 2000 Professor für „Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte“ am Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung der Georg-August-Universität Göttingen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Konsumentenverhalten, Nachhaltigkeitsmanagement, Animal Welfare und Supply Chain Management im Agribusiness. Achim Spiller hat mehr als 150 Beiträge für begutachtete wissenschaftliche Fachzeitschriften und zahlreiche Bücher und Praxispublikationen verfasst. Prof. Spiller ist ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. Er ist weiterhin Vorsitzender im wissenschaftlichen Beirat des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft für „Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbrauchschutz“ und Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats des „Tierwohllabels des Deutschen Tierschutzbundes“. Im FAZ-Ökonomenranking wurde Achim Spiller 2015, 2016, 2018 und 2020 jeweils als einer der 100 führenden deutschen Ökonomen ausgezeichnet.

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