
Die Schweiz rüstet sich für den Ernstfall
Die Baumwollkapseleule (Helicoverpa armigera) ist ein invasiver Schädling. Sie besitzt wegen ihres breiten Wirtspflanzenspektrums ein großes Schadpotenzial. Der Schweizer Gemüsebau bereitet sich auf eine neue Herausforderung vor.
von Cornelia Sauer und Anouk Guyer erschienen am 10.07.2025In der Saison 2023 verursachte die Baumwollkapseleule in Gemüsekulturen der Schweiz beträchtliche Schäden. Es wurden Bohnen, Erbsen, Tomaten, Paprika, Zuckermais, Salate und Mangold von ihren Raupen befallen. Ein Teil der Ernte musste sogar vernichtet werden. 2024 startete das Kompetenzzentrum für landwirtschaftliche Forschung des Schweizer Bundes, Agroscope, zusammen mit seinen Partnern deshalb ein nationales Monitoring. Dadurch konnte das Auftreten der Baumwollkapseleule frühzeitig erfasst, der Insektizideinsatz optimiert und mögliche Ertragseinbußen vermieden werden.
Unberechenbarer Wanderfalter
Bei der Baumwollkapseleule handelt es sich um eine wärmeliebende Falterart aus den Tropen, die sich in den vergangenen Jahren zunehmend in Mitteleuropa ausbreitet. Wegen ihrer hohen Mobilität und den klimatischen Veränderungen gelingt es ihr, weite Strecken von über 1000 km zu überwinden – inklusive Höhenlagen wie die Alpenpässe. Im Sommer stößt sie dabei von Nordafrika bis nach Nordeuropa vor, was durch Winde aus südlicher Richtung begünstigt wird. Dabei ist jeweils schwer vorherzusehen, welche Regionen von einer Migrationswelle erfasst werden.

2023 waren zunächst die französischen Lavendelbauern betroffen. Im Juli sollen die Baumwollkapseleulen mit dem heißen Wüstenwind Scirocco von der Sahara in den Südosten Frankreichs verfrachtet worden sein. Dort zerfraßen ihre Raupen die Lavendelstiele und verursachten hohe Ertragsausfälle. Auch im Schweizer Mittelland traten erste Baumwollkapseleulen bereits im Juli 2023 auf. Der eigentliche Flughöhepunkt wurde aber erst Mitte September registriert und dürfte unter anderem auf Zuflug aus Frankreich zurückzuführen sein. Ein derartiges Befallsausmaß war bislang unbekannt, und es kam im Herbst 2023 in den Schweizer Gemüsekulturen verbreitet zu hohen Schäden.
Älteste Raupen besonders gefräßig
Aufgrund ihrer schnellen Ausbreitung, ihrer hohen Reproduktionsrate und der Vielzahl an befallenen Kulturen ist die Baumwollkapseleule ein ernstzunehmender Schädling im Gemüsebau. Bei 20 °C dauert ihr Entwicklungszyklus etwa zwei Monate. Nach dem sommerlichen Einflug legen die sehr fruchtbaren Falterweibchen etwa 1000 bis 3000 Eier pro Individuum ab. Dabei erfolgt die Eiablage an die Blätter der Wirtspflanzen einzeln oder in kleinen Gruppen.
Die Baumwollkapseleule ist ein ernstzunehmender Schädling im Gemüsebau Cornelia Sauer
Nach dem Schlupf durchlaufen die Larven fünf bis sieben Stadien. Schon die jungen Räupchen fressen nicht nur an den Blättern, sondern bohren sich mit Vorliebe in generative Pflanzenteile wie Hülsen und Früchte ein. Von allen Larvenstadien gelten die ältesten als besonders gefräßig und können große Schäden anrichten. Die ausgewachsene Raupe misst etwa 4 cm und verlässt die Pflanze Richtung Boden, wo sie sich schließlich verpuppt.

Es ist davon auszugehen, dass sich nach dem Zuflug in den Gebieten nördlich der Alpen eine neue Generation der Baumwollkapseleule entwickelt. Die schlüpfenden Falter migrieren ab Ende September, Anfang Oktober zurück Richtung Süden. Ein Teil dieser neuen Generation entwickelt sich im Herbst jedoch nicht mehr vollständig zum erwachsenen Schmetterling. Aufgrund ihrer tropischen Herkunft dürften die verbleibenden Larven den winterlichen Kälteeinbruch im Freiland nördlich der Alpen nicht überstehen. Ob einzelne Individuen im Gewächshaus überwintern und ob diese für Befall im Folgejahr relevant sind, ist derzeit noch unklar.
Monitoring dank Früherkennungs-Netzwerk für den Gemüsebau
In Absprache mit der Schweizer Gemüsebranche organisierte die Forschungsgruppe Extension Gemüsebau von Agroscope in der Saison 2024 ein nationales Monitoring der Baumwollkapseleule. Dabei konnte auf das bestehende nationale Früherkennungs-Netzwerk für den Gemüsebau zurückgegriffen werden, das Agroscope seit mehreren Jahrzehnten zusammen mit den kantonalen Fachstellen, dem Beratungsring Gemüse, dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) und weiteren Partnern unterhält. Quer durch das Mittelland und südlich der Alpen wurden an verschiedenen Standorten in verschiedenen Gemüsekulturen Fallen aufgebaut und wöchentlich kontrolliert. Bei Bedarf wurden die Fallen im Laufe der Saison in eine jüngere, geeignete Kultur verschoben.

Witterung für Flugverlauf entscheidend
Nach einer ausgesprochen niederschlagsreichen ersten Saisonhälfte 2024 stellte sich in der Schweiz ab Juli sommerlicheres Wetter ein. Ein erster Flughöhepunkt der Baumwollkapseleule wurde vom Überwachungsnetz Ende Juli erfasst. Parallel dazu gab es aus der West- und aus der Südschweiz erste Meldungen zu Schäden durch Raupen der Baumwollkapseleule an Tomaten- und Auberginenkulturen. Im sich anschließenden extrem warmen und trockenen August kletterte die Durchschnittstemperatur 2,7 °C über den Normwert der Periode 1991 bis 2020. Somit herrschten Bedingungen, die für den Einflug und die Entwicklung der wärmeliebenden Falterart sehr günstig waren. Von Mitte August bis Anfang September 2024 fand verbreitet Flug der Baumwollkapseleule statt. Alle Anbaugebiete der Schweiz waren betroffen. Im Laufe des Septembers ging die Flugaktivität allmählich zurück. Einzelne Exemplare wurden noch bis Ende Oktober gefangen.
Bis zu drei Flugrouten in die Schweiz
In der Grafik sind die aufsummierten (kumulierten) Fallenfänge der Baumwollkapseleule der Standorte des Monitoring-Netzwerks 2024 dargestellt – für vier Zeitspannen, beginnend ab Anfang Mai bis zum genannten Datum. Mit zunehmender Anzahl gefangener Falter wurden die mit Kreisen markierten Fallenstandorte immer dunkler braun eingefärbt.
Im Zeitraum bis zum 21. Mai wurden die ersten Baumwollkapseleulen in der Südschweiz gefangen, wo anschließend im Juli an Auberginen unter Glas Kulturschäden auftraten. Dies deutet auf einen frühen, verstärkten Einflug hin, wobei dieser mit den Fallenfängen nicht ebenso deutlich erfasst wurde. Beim ersten Flughöhepunkt Ende Juli verzeichneten die Standorte ganz im Westen und ganz im Osten des Landes die höchsten Fänge. Im Verlauf des Augusts nahmen die Fänge auch in der Zentralschweiz zu, und es bestand in allen Anbaugebieten Befallsgefahr.
Bei der Bekämpfung des Schädlings ist der richtige Zeitpunkt entscheidend Anouk Guyer
Die höchsten aufsummierten Fallenfänge lagen am Überwachungsende vom 7. Oktober zwischen 27 und 30 Faltern pro Falle und betrafen mehrheitlich Fallenstandorte in grenznäheren Gebieten. Anhand des so dargestellten zeitlichen Verlaufs der Fallenfänge zeigt sich, dass die Falter 2024 aus mindestens zwei, wenn nicht sogar drei Himmelsrichtungen in die Schweiz eingeflogen sind: von Westen aus Frankreich, von Osten aus Österreich/Ungarn und vermutlich auch von Süden aus Italien.
Früherkennung macht sich bezahlt
Ziel des Fallenmonitorings war es, den Einflug der Baumwollkapseleule in Gemüsekulturen frühzeitig zu erfassen. Hatte der Falterflug in einer Region begonnen, wurden zusätzlich regelmäßige Bestandskontrollen durchgeführt. Anfang August wurden dabei an Buschbohnen im Freiland erste Schäden durch Raupen der Baumwollkapseleule festgestellt. Daraufhin wurden in der betroffenen Region die blühenden Buschbohnenbestände, die wegen der Blüte für den Falter als besonders attraktiv gelten, vorsorglich mit einem Insektizid vor Befall geschützt.
Bei der Bekämpfung des Schädlings ist der richtige Zeitpunkt entscheidend. Behandlungen sollten möglichst früh nach dem Larvenschlupf erfolgen, bevor sich die Raupen in Hülsen und Früchte bohren und dadurch unerreichbar sind. Außerdem weisen einige Mittel vor allem gegen junge Stadien eine gute Wirkung auf. Dank des rechtzeitigen und gezielten Insektizideinsatzes konnten befallsbedingte Rückweisungen zum Beispiel im Buschbohnen-Anbau vermieden werden.
Wie geht es weiter?
Das Monitoring hat sich 2024 bewährt und wird weitergeführt, auch wenn der Schädling in der Schweiz schwächer auftrat als in den Jahren zuvor. Ziel ist, im Ernstfall gewappnet zu sein und das Auftreten dieses witterungs- und migrationsabhängigen Schädlings frühzeitig zu erkennen. Auf dieser Grundlage können in gefährdeten Kulturen gezielte Schutzmaßnahmen rechtzeitig umgesetzt werden. Parallel dazu werden Versuche durchgeführt, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln weiter zu optimieren. Im Fokus stehen dabei insbesondere der ideale Behandlungszeitpunkt und die Applikationstechnik. Zudem wird die Wirksamkeit verschiedener Kontakt- und Fraßinsektizide geprüft, um Empfehlungen für eine effiziente Bekämpfung ableiten zu können.
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