Viel Gemüse auf kleiner Fläche
Der Gemüsehof Bingel liegt in Witzmannsweiler im Landkreis Schwäbisch Hall. Hier bauen Marek Bingel und seine Frau Linda auf weniger als einem Hektar Gemüse und Kartoffeln an – im Prinzip von Market Gardening.
von Caroline Wörner erschienen am 22.09.2025„Das Konzept war für uns ideal, um mit einer überschaubaren Investitionssumme und wenig technischer Ausstattung in den Gemüsebau einzusteigen“, sagt Marek Bingel. Er hat den Betrieb 2021 noch während des Studiums gegründet und einen niedrigen fünfstelligen Betrag investiert. In seiner Abschlussarbeit schrieb er das Entwicklungskonzept für den kleinstrukturierten Gemüsebaubetrieb. Sein Ziel: Eine Perspektive für den ehemaligen Muttersauenbetrieb seiner Familie zu finden. Tiere waren keine Option mehr, Ackerbau auf den 15 ha Fläche auch nicht. Hobbymäßig baute Marek schon länger Gemüse an. „Ich habe alles durchkalkuliert, Deckungsbeiträge berechnet und das für viele Kulturen gemacht“, erzählt der heute 28-Jährige. Bevor er professionell loslegte, besuchte er einen Market-Gardening-Kurs in der Gemeinschaft Schloss Tempelhof. „Der Kurs hat mir sehr geholfen, das System zu verstehen und die Anbauplanung von vorne bis hinten einmal durchzugehen“, erinnert sich Marek.
Auf kleiner Fläche viel anbauen
2022 war dann die erste Anbausaison für den jungen Gemüsegärtner. Er startete mit 80 cm breiten Beeten, dazwischen 40 cm breite, begrünte Wege und rund 40 verschiedenen Kulturen. Inzwischen hat er das System für sich angepasst: Die Beete sind größer geworden, auf Wege wird verzichtet, die Kulturen werden enger gesetzt. Das Sortiment hat sich auf elf Kulturen verdichtet: Kürbis, Zucchini, Zwiebel, Knoblauch, Rote Bete, Karotten, Kohl und Kartoffeln auf dem Feld. Tomaten, Gurken und Paprika in zwei unbeheizten Folientunneln. Insgesamt ¼ ha Gemüse und ½ ha Kartoffeln, die restliche Fläche ist verpachtet. „Im Endeffekt entscheiden die Leute, die bei dir einkaufen, was du anbaust“, sagt der Betriebsleiter. Die Gemüse-Auswahl hat sich dem eher ländlichen Kundenstamm angepasst – und da war beispielsweise Mangold nicht so beliebt. Für Tomaten, Karotten und Gurken fahren die Leute aber extra gerne her, wissen Marek und seine Frau Linda, die von Anfang an mit dabei war.
„Wir produzieren nur das, was wir vermarkten können“, lautet das Konzept der Familie Bingel. Weniger Kulturen bedeutet auch weniger Aufwand im Anbau, sagt Linda. Die 30-Jährige und ihr Mann arbeiten beide Vollzeit in anderen Berufen. Sie leitet als Pferdewirtin die Reitschule im Ort, er ist Geschäftsführer des Ecoland-Verbands und setzt Projekte für die bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall um. Den Gemüsebau betreiben die beiden nach Feierabend und am Wochenende. Aus diesem Grund haben sie auch die Vermarktung für sich optimiert. Zu Beginn standen sie selbst zwei Abende in der Woche hinter einer Bierbank und verkauften ihr frisch geerntetes Gemüse. Zudem packten sie Gemüsekisten. Heute gibt es einen Hofladen mit Selbstbedienung.
1Hinter einem Scheunentor verbirgt sich der kleine Verkaufsraum mit Vertrauenskasse. Hier wird rund um die Uhr Gemüse angeboten. Mit diesem Schritt hat sich ihr Kundenstamm direkt vervielfacht, weil jederzeit eingekauft werden kann. Zum Glück zahlen die Kunden zuverlässig, es sind vorwiegend Stammkunden. Sicherheitshalber sind dennoch Kameras installiert. Täglich kontrollieren die beiden, ob alles schön sortiert ist und füllen die Auslage auf. Geerntet wird in der Saison zweimal pro Woche. „Feingemüse wie Salate funktioniert so nicht mehr, dafür Kulturen, die sich gut lagern lassen“, erzählt Marek. Das Hauptgeschäft hat sich damit auf den Herbst und Winter verlagert, hin zu Kartoffeln, Wurzelgemüse, Kürbissen, Zwiebeln und Kohl.
„Wir produzieren nur das, was wir vermarkten können“ Marek Bingel
Marek ist aktiv auf Social Media und nutzt das für die Vermarktung. Er postet regelmäßig, was es Neues im Hofladen und auf dem Acker gibt. In seinen Worten: „Die Leute sollen auf dem Schirm haben, dass es mich gibt.“ Und er will aufklären: In einem Video auf Instagram erklärt er, dass Schorf an Kartoffeln zwar „ugly“ ist, aber die inneren Werte zählen und man die Kartoffel trotzdem essen kann. „Viele Dinge machen wir extra und die Leute würden sie sonst nicht mitbekommen. Zum Beispiel grüne Wege, um Erosion zu verhindern und das System resilienter zu machen.“ Diese Mehrarbeit zeigt er auf Instagram (@gemuesehof_bingel) und bekommt dafür positive Resonanz von seinen Kunden.
Die Vermarktung mitdenken
Ökologisches Wirtschaften ist für Marek und Linda aber selbstverständlich: Sie setzen keine chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmittel ein und keine mineralischen Düngemittel. Mit dem benachbarten Milchviehbetrieb kooperieren sie, um genügend Nährstoffe und Organik auf den Acker zurückzuführen. Für den Humusaufbau steht im Winter Wickroggen als Zwischenfrucht und Gründüngung auf dem Feld. Der Gemüsebau ist bei Marek und Linda größtenteils Handarbeit. „Wir haben den klassischen Market-Garden-Einachsschlepper mit einer Fräse und einer Walze dran“, beschreibt Marek den überschaubaren Maschinenpark. Außerdem besitzen sie eine Zwei-Rad-Hacke von Terratex. Den Großteil hacken sie von Hand. „Man darf die Arbeit nicht unterschätzen“, sagt der 28-Jährige, „das Risiko besteht, dass man sich leicht übernimmt.“
Das Risiko besteht, dass man sich leicht übernimmt Marek Bingel
Marek hält mittlerweile selbst Vorträge zum Thema Market Gardening. Er sieht in dem Konzept eine gute Möglichkeit, mit geringem Kapital in die Landwirtschaft einzusteigen. Von der knappen Ressource „Fläche“ wird nur wenig benötigt, auch der Maschinenbedarf ist gering. Sein Tipp: Bevor man anfängt, Gemüse anzubauen, muss die Vermarktung geklärt sein. Sollen es Gemüsekisten sein? Ein Hofladen? Wird an Gastronomie oder Privatkunden verkauft? „Die Vermarktung muss geklärt sein, das ist das A und O“, sagt der 28-Jährige, damit man nicht auf dem Gemüse sitzen bleibt. Er rät, klein anzufangen und dann mit der Kundschaft zu wachsen.
Ohne Idealismus geht es nicht
Die aktuelle Größe ihrer Gemüsegärtnerei passt für die Bingels gut. Limitierender Faktor für den Gemüseanbau ist das Wasser. „Wir haben zwar einen Bewässerungsteich, aber sandige Böden, die sehr schnell austrocknen“, sagt Marek. Die Wertschöpfung im Betrieb würden er und seine Frau gerne erhöhen. Die beiden träumen von einer eigenen Verarbeitung für Marmelade, Tomatensoße & Co. Perspektivisch würden sie auch gerne Kurse zum Fermentieren und Verarbeiten anbieten. Und ihr Fazit zu Market Gardening? „Leben können wir davon nicht“, spricht es Marek klar aus. Linda ergänzt: „Uns ist es wichtig, etwas aus dem Hof zu machen. Für uns lohnt es sich, frisches Gemüse zu haben und Menschen Zugang zu gesunden Lebensmitteln zu ermöglichen.“ Bei Familie Bingel gehört zu Market Gardening der Idealismus mit dazu.
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