An den Kostenschrauben drehen
Die Herausforderungen für Gemüseproduzenten sind riesig: Die Erhöhung des Mindestlohns, der Energie und Betriebsmittel bereiten große Sorge. Dazu gesellen sich die Klimakrise und die GAP-Reform. Um die Saison zu meistern, gilt es die Kosten in den Griff zu bekommen. Aber wie?
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Eins ist klar: Die Energiepreise steigen. Strom und Erdgas unterlagen seit 2015 bis Ende 2021 einer Preissteigerung um rund 60?% mit steigender Tendenz, jedenfalls vorerst, prognostizierte Gabriele Hack, Landwirtschaftskammer (LWK) Nordrhein-Westfalen (NRW), am Rheinischen Gemüsebautag 2022.
Photovoltaik nur mit Eigenstromnutzung
Photovoltaik auf Freiflächen, Hallen-, Verbinder- oder sogar Gewächshausdächern zur Eigennutzung kann eine Alternative sein. Die heute leider weniger attraktiven Vergütungssätze für Strom im Rahmen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) liegen seit dem 1. Oktober 2021 bei einer Inbetriebnahme einer Anlage mit einer Maximalleistung von bis zu 10 kWp bei 7,14 Cent/kWh, über 10 bis 40 kWp bei 6,94 Cent, über 40 bis 100 kWp bei 5,43 Cent und bei über 100 kWp bei 4,89 Cent/kWh. Ab einem Eigenverbrauch von 30 kWp besteht aktuell noch eine Umlagepflicht nach EEG, die jedoch ab 2023 wegfallen soll. Die Dauer der festen Vergütung liegt bei 20 Jahren plus dem angefangenen Jahr.
Für das Beispiel einer im Oktober 2021 installierten Photovoltaikanlage mit 20 Jahren Laufzeit, 50 kWp, 940 kWh/kWpeak und einer Jahresstromerzeugung von 47.000?kWh/Jahr errechnete Hack eine Amortisationszeit von rund zehn Jahren. Die jetzige Einspeisevergütung deckt die Kosten der Anschaffung, Wartung, Reparatur und Versicherung nicht. Auf der anderen Seite wirkt sich bei angenommener realistischer 60?%iger Eigenstromnutzung und einem angenommenen Strompreis bei Netzbezug von 22 Cent/kWh für den Betrieb die Stromersparnis von über 6.000 €/Jahr. Wenn der Strompreis bei Netzbezug etwa dreimal so hoch ist wie die Einspeisevergütung, kann sich eine Eigenstromnutzung lohnen, so die Faustzahl.
Eine weitere Möglichkeit, um den Eigenstrom besser zu nutzen, ist die Umstellung betrieblicher Motoren und Fahrzeugen auf Elektroantrieb.
Erneuerbare Heizenergie
Heizenergie wird ebenfalls teurer. Die seit 2021 festgesetzte Brennstoffpreiserhöhung durch die CO2-Bepreisung mit steigenden Sätzen erhöht sich bis 2026 vermutlich von heute 30 auf 60 bis 65 €/t. 2023 setzt auch für Kohle die Bepreisung ein.
Die Umstellung auf erneuerbare Energieträger lohnt sich laut Hack aktuell eigentlich nur mit der Nutzung von Holzhackschnitzeln, die über die Jahre ein relativ gleichmäßiges Preisniveau verzeichnen. Die Versorgung mit Hackschnitzeln soll auch in den kommenden Jahren recht sicher sein. Hack gab keine Garantie auf Vollständigkeit ihrer genannten Fördermöglichkeiten, da es auch auf kommunaler Ebene weitere Unterstützungen geben kann. Sie riet, die Wirtschaftlichkeit aller Investitionen immer im individuellen Einzelfall zu betrachten, am besten mit Unterstützung der Beratung oder Technikanbieter wie Heizungsbauer.
Stabiler Agrarhaushalt bis 2027
Die GAP-Reform 2023 galt lange als undurchsichtige „Blackbox“. „Jetzt sind die Weichen für die europäische Agrarpolitik gestellt und die sind nicht trivial für den Gemüsebau“, gab Dr. Bernd Lüttgens, Rheinischer Landwirtschafts-Verlag (RLV), einen Überblick sowie Tipps zu Gestaltungsmöglichkeiten am Rheinischen Gemüsebautag 2022.
Positiv bewertete Lüttgens die Ausgangslage eines recht gesicherten EU-Agrarhaushalts bis zum Jahr 2027. Die jährlichen GAP-Mittel für Deutschland betragen in der ersten Säule knapp 5 Mrd. € jährliche Direktzahlungen, das sind lediglich 2?% weniger im Vergleich zu 2020. Zusätzlich sind in der zweiten Säule zur Investitionsförderung durchschnittlich jährliche Förderungen für ländliche Entwicklungen einschließlich des Corona-Wiederaufbaufonds von rund 1,2 Mrd. € und damit 5,1?% mehr im Vergleich zum Jahr 2020, was Bernd Lüttgens durchaus als finanzielle Wertschätzung der Landwirtschaft wertet, „wir müssen die Chance nutzen, dass die Mittel der zweiten Säule zu den Betrieben kommt“.
Das System der Zahlungsansprüche fällt ab 2023 weg. Zukünftig wird bezuschusst, was im aktuellen Agrarantrag steht. Notwendig ist der Nachweis des aktiven Landwirts über die Mitgliedschaft in der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft SVLFG. Es entfällt die Genehmigungs- und Ersatzflächenpflicht bei Pflege/Umwandlung von Dauergrünland, das ab 1. Januar 2021 neu entstanden ist.
Aus Cross Compliance und Greening wird Konditionalität (60?% der Mittel). Neu ist der Begriff ECO Schemes als einjährige Umweltmaßnahme in der ersten Säule (25?% der Mittel), eine Beantragung kann von Jahr zu Jahr flexibel erfolgen, scheint jedoch für den Gemüsebau nicht immer lukrativ zu sein. Die zweite Säule mit Agrarumweltmaßnahmen umfasst nochmals 15?% der Mittel, um Umweltmaßnahmen zu fördern. Agrarumweltmaßnahmen gelten in der Regel als relativ teuer, jedenfalls in Nordrhein-Westfalen. Daher sind die Fördermaßnahmen wohl als Schutzschild für die Produzenten zu sehen, auf der einen Seite als Wertschätzung vonseiten der Politik, auf der anderen Seite dienen die damit durchgeführten Umweltschutzmaßnahmen dem Image der Produzenten in der Öffentlichkeit. „Die Förderungen sollten angenommen werden und folgen in der Regel ohnehin dem Fachrecht“, kommentierte Lüttgens.
Die ersten Hektare erhalten die höchste Förderung. Die Basisprämie entspricht in etwa der bisherigen Förderung bis zu einer Fläche von rund 100 ha.Eine Betriebsübergabe will gut geplant sein. Bei einem Nachfolger von unter 40 Jahren sollte der Übergabetermin besser auf den 1. Januar 2023 verschoben werden, um die attraktive Junglandwirteförderung für bis zu 120?ha in Höhe von 115 €/ha über fünf Jahre, also maximal 60.000?€, zusätzlich zu erhalten.
Stilllegungsflächen und Gewässerrandstreifen
Die GLÖZ (gute landwirtschaftliche und ökologische Zustands)-Förderbedingungen, um die 150?€ Grundprämie und die Förderung der ersten Hektar zu erhalten, erfordert eine vierprozentige Stilllegung der Ackerfläche als selbstbegrünte, nicht produktive Fläche ohne Bearbeitung, jährlichen Fruchtwechsel auf einem Schlag, möglicherweise Mindestabdeckung über den Winter wie Mulchauflagen sowie verpflichtend 3 m breite Pufferstreifen entlang von Gewässern. Befreit sind Betriebe mit über 75?% Grünland und von Ackerfutter sowie Betriebe mit maximal 10?ha Ackerland.
Für einige Betriebe wie beispielsweise Spargelbetriebe wird die Stilllegung ökonomisch uninteressant, meinte Lüttgens. Hier kann eine Flächen-Ersatzbeschaffung helfen. Stilllegungsflächen müssen ganzjährig brach liegen und mindestens 0,1?ha inklusive der förderfähigen Landschaftselemente mit Bezug zur Fläche aufweisen. Besonders wichtig auch in der politischen Diskussion sind die Gewässerrandstreifen. Vermehrt würden bereits kleine Gewässer in den Fokus genommen, um mögliche Einträge zu ermitteln. Der Tipp: Stilllegungsflächen sind gut an Gewässern zu platzieren, um der Gefahr eines Eintrags vorzubeugen.
Förderprogramme aller Bundesländer müssen möglichst breit für alle Betriebe nutzbar sein und zu einer positiven Einkommensentwicklung führen, so die Forderung.
Preise hoch, Kosten runter
Einen Überblick der erschreckenden Kostensteigerungen in nahezu allen Bereichen gab Torsten Wolf, LWK NRW. Allein durch die Erhöhung des Mindestlohns steigen die Erntekosten eines Salatkopfes von 5,3 Cent in 2021 auf 6,6 Cent in 2022. Bis zu 5?% Umsatzeinbußen verursacht der Wegfall der Pauschalierung in einigen Betrieben. Die Jungpflanzenkosten sind um etwa 10?%, Materialkosten um etwa 30?% gestiegen.
Reagieren können Unternehmer auf diese erschreckende Situation mit Preiserhöhungen ihrerseits und einer Senkung der Produktionskosten. Angebotspreise sollten neu kalkuliert und die Argumente für Preisanpassungen jetzt genutzt werden. Letztendlich ist nahezu jeder Produktionsbetrieb derzeit von höheren Kosten betroffen und damit in ähnlicher Situation. Den Mehrwert regionaler Ware gilt es positiv herauszustellen. Wichtig ist es, auf Unternehmensebene das finanzielle Defizit zu kalkulieren. Ausgehend von einer Zielstrategie kann in verschiedenen Bereichen Einfluss auf die Kosten genommen werden: Stimmen Leistung und Controlling? Sollte an dem Produkt geändert werden? Welche Fläche sorgt für welche Einnahmen? Welche Prozesse können besser laufen? Wo findet sich der Betrieb in Bezug auf Know-how und Innovationen? Passen Markt und Kundenstamm weiterhin? Eine Stärken-Schwächen-Analyse mit professioneller Hilfe unterstützt.
Änderungen können sinnvoll sein, beispielsweise kann die Zusammenarbeit mit einem Lohnunternehmer durch Wegfall der MwSt.-Pauschalierung attraktiver werden. Unproduktive Stunden gilt es zu erkennen. Arbeitsprozesse können möglicherweise automatisiert, optimiert und modernisiert werden. Es gibt viele Ansätze für vorteilhafte Gestaltungsmöglichkeiten, allerdings keine Patentlösungen. Wolf riet dazu, auch die Mitarbeiter in diesen Veränderungsprozess mit einzubinden.
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