Exklusiv-Interview: Der Gemüsebau von morgen
Wohin entwickelt sich die Technik?
Dimitrios Paraforos ist Professor für Technik im Anbau von Sonderkulturen an der Hochschule Geisenheim und hat bereits an zahlreichen Forschungsprojekten im Bereich der Digitalisierung der Landwirtschaft und des Technologietransfers mitgewirkt. Wir haben ihn gefragt, wie sich die Technik im Gemüsebau seiner Meinung nach zukünftig weiter entwickeln wird.
von Jessica Schröer erschienen am 09.07.2024
„Gemüse“: Herr Paraforos, welches Schlagwort kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an den Gemüsebau und Technik im Jahr 2034 denken?
Dimitrios Paraforos: Die Automatisierung kommt mir sofort in den Sinn, genauer gesagt die Erhöhung des Automatisierungsgrades. Ich denke da an teilflächenspezifische Düngung, wie sie schon im Ackerbau angewendet wird. Aber auch an automatisierte Maschinen, die die Pflanzenschutzmittelausbringung und die Unkrautbekämpfung erleichtern. Momentan gibt es beispielsweise schon Hacksysteme, die sehr gut in der Reihe arbeiten. Im Jahr 2034 wird es mit Sicherheit viele geben, die mit erhöhter Geschwindigkeit und Effizienz in unmittelbarer Nähe von Pflanzen arbeiten. In Sachen Robotik wird sich ebenfalls einiges weiterentwickeln. Möglicherweise gibt es schon die ersten selektiven Erntemaschinen, die zum Beispiel Kopfsalate erkennen und ernten. Ich glaube aber, dass vor allem die Kombination aus kommerziellen Maschinen und Robotik, genauer gesagt die integrierten Systeme, in Zukunft eine sehr wichtige Rolle im Gemüsebau einnehmen werden und nicht nur die Robotik allein.
Auf welchem Stand ist die Technik aktuell?
Zurzeit sind GNSS-gesteuerte Systeme und RTK-Systeme sehr interessant. Sie kommen wie gesagt aus der Landwirtschaft, werden aber schon teilweise im Gemüsebau angewendet. Aktuell werden auf dem Markt außerdem viele kameragesteuerte Verschieberahmen mit Reihenerkennung angeboten. In Kombination mit einem Hackgerät können so Unkräuter zwischen den Reihen entfernt werden, ohne dass die Nutzpflanze beschädigt wird. Und viele Firmen bieten bereits Hackroboter an. Aber da reden wir von Maschinen, die hauptsächlich für größere Betriebe geeignet sind, wo sich die hohen Investitionskosten auch lohnen.
Welche Möglichkeit bietet sich für Gemüsebaubetriebe, die solche Kosten in die neuste Technik nicht investieren können oder wollen?
Eine Möglichkeit wäre eventuell das Ausleihen über Maschinenringe, je nachdem welche Maschinen sie natürlich im Sortiment haben oder dass sich mehrere Betriebe zusammentun und investieren. Darüber hinaus werden diese Technologien in Zukunft bestimmt als Dienstleistung angeboten.
Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde. Inwieweit kann der Gemüsebau hiervon profitieren? Ich sehe die KI als sehr wichtig an. In der Forschung arbeiten wir schon seit 20 Jahren daran und sammeln Daten. Denn die KI braucht Daten, und zwar sehr viele. Aber sie ist nur ein Werkzeug. Am Ende brauchen wir Systeme, die die ausgewerteten Daten auch umsetzen können und wir brauchen die Menschen. Dass KI diese ersetzt, kann und sollte nicht das Ziel sein. KI sollte lediglich die Landwirte und Gemüsebauer bei ihrer Arbeit unterstützen. Zum Beispiel bei der Erkennung von Unkräutern oder dem Messen und der Analyse von Klima- und Pflanzenparametern wie Biomasse, Temperaturen, Bodenfeuchtigkeit, Luftfeuchtigkeit, die uns bessere Informationen über den Zustand und die Bedürfnisse der Pflanzen geben können. Natürlich kann KI im Hinblick auf Personalkräftemangel oder fehlenden Saisonarbeitskräften eine Erleichterung sein, aber Technik allein ist nicht die Lösung, sondern nur ein Teil davon. Wie präzise arbeiten die aktuell verfügbaren Roboter und kameragesteuerten Hacken? Unter optimalen Bedingungen arbeiten die Maschinen relativ genau und sind eine große Arbeitserleichterung im Betrieb. Sind die Bedingungen nicht so optimal, sieht es noch anders aus. Aber alle Produkte brauchen eine gewisse Reife- beziehungsweise Entwicklungszeit. Vor 20 Jahren konnte sich noch niemand vorstellen, dass in manchen Betrieben autonome Maschinen über das Feld fahren und damals gab es bereits die ersten Forschungsprojekte mit Feldrobotern. Mit der Erfahrung steigt die Genauigkeit der Technik und irgendwann wird sie auch unter nicht-optimalen Bedingungen erfolgreich arbeiten. Wie sieht es mit dem Handling solcher modernen Maschinen aus? Wir müssen zugeben, dass sie sich noch nicht so leicht bedienen lassen. Es ist auf jeden Fall Fachpersonal gefragt, beziehungsweise bedarf es einer guten Schulung durch Experten. Man darf nicht vergessen, dass diese autonomen Maschinen kein Spielzeug sind. Zurzeit dürfen sie nur in einem begrenzten Raum fahren und sich nicht frei in der Landschaft bewegen. Die Maschinen müssen von Feld zu Feld transportiert werden und dürfen nicht auf der Straße fahren. Auch in Sachen Versicherung sollte man sich genaustens informieren. Der verbreitete Einsatz autonomer Maschinen in vielen Gebieten zeigt jedoch, dass sie auf jeden Fall bei diversen Anbaupraktiken einen wichtigen Beitrag leisten können. Was wird in Zukunft die größte Herausforderung für den Gemüsebau? Da gibt es eigentlich mehrere Punkte. Zum einen ist es der Klimawandel mit seinen Auswirkungen, die stärker werden: Überflutungen, Hagel, Trockenheit, Hitzewellen, Spätfröste, Krankheiten zum Beispiel. Zum anderen kommen die Konsequenzen der Energiekrise und der Personalkräftemangel hinzu. Die Herausforderung ist sozusagen eine Kombination aus mehreren Dingen. Es ist und wird in Zukunft nicht leichter, alles zu verbessern, zu optimieren und die Nachhaltigkeit zu erhöhen. Ich denke, wir sind an einem Punkt angelangt, wo es schon schwierig ist, den derzeitigen Zustand zu erhalten. Aber Herausforderungen bringen auch neue Chancen. In Teilen Nordeuropas können zum Beispiel Sorten und Kulturen angebaut werden, für die die Bedingungen früher nicht optimal waren. Man sollte immer positiv denken. Es gibt Lösungen, auch wenn wir sie jetzt noch nicht direkt sehen. Was wünschen Sie sich für die Gemüsebaubranche in Zukunft? Ich wünsche mir, dass die bäuerliche Kleinstruktur in Deutschland bewahrt wird. Dass die Forschung, Industrie und Landwirtschaft enger zusammenarbeiten, um auch kleineren Betrieben gute technische Lösungen anbieten zu können. Warum? Weil Gemüse und Nahrungsmittel zu produzieren ein sehr wichtiger Bestandteil einer Nation ist. Außerdem muss die Biodiversität und Vielfalt bewahrt werden. Wir brauchen nachhaltige Praktiken, die die Bewirtschaftung der Felder optimieren. Das wäre ein Erfolg für mich, von dem alle profitieren: Die Konsumierenden, wenn die Produkte nachhaltiger werden, die Bauern, wenn sie wettbewerbsfähig bleiben und gut wirtschaften und die Gesellschaft vom Erhalt der Landschaftsstruktur.
Dass Künstliche Intelligenz, die Menschen ersetzt, kann und sollte nicht das Ziel sein Dimitrios Paraforos
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