
Gemüsebau-Messe in der Schweiz
Auf der ÖGA 2024 konnten Schweizer Gemüsegärtner wieder zahlreiche Neuheiten entdecken. Der Innovationspreis wurde für die Entwicklung einer torffreien Presstopferde vergeben.
von David Eppenberger erschienen am 12.07.2024Alle zwei Jahre herrscht in der ländlichen Berner Gemeinde Koppigen während drei Tagen Ausnahmezustand. Die ÖGA ist gemäß Aussagen der Veranstalter die größte Fachmesse der grünen Branche in der Schweiz. Über 20.000 Menschen, vornehmlich aus dem Garten- und Landschaftsbau, aber auch aus der Beeren- und Gemüseproduktion machten sich Ende Juni auf den Weg in die Provinz. Dort präsentierten 400 Aussteller auf einer Fläche von 120.000 Quadratmetern ihre Produkte. Darunter befanden sich in diesem Jahr wiederum auch einige spannende Neuheiten aus dem Bereich der Gemüseproduktion.
Die ÖGA ist gemäß Aussagen der Veranstalter die größte Fachmesse der grünen Branche in der Schweiz. David Eppenberger
Ersatz für Plastiktöpfe
Die Firma Bigler Samen AG bietet in der Schweiz den biologisch abbaubaren Anzucht-Topf „Growcoon“ von Klaasman-Deilenmann aus Deutschland an. Dabei ersetzt eine Netzstruktur den eigentlichen Topf, wobei der „Growcoon“ das Anzuchtsubstrat zusammenhält und so einen Wurzelballen bildet. Das Produkt sei nach drei Monaten abgebaut und auch für den biologischen Anbau zugelassen, erklärt Nelly Duarte, Fachberaterin für den Gemüsebau bei Bigler Samen. Der „Growcoon“ sei ein tauglicher Ersatz für die vom Handel zunehmend zur Diskussion gestellten Plastiktöpfe. Das haben Versuche bereits gezeigt.

Die Schweizer Firma Watair bietet ein Desinfektionssystem auf Basis von hypochloriger Säure an (HOCL). Das Produkt wird bereits seit Jahren beispielsweise in der Lebensmittelindustrie oder für die Desinfektion von Trinkwasser eingesetzt. Für den Pflanzenbau gibt es das Produkt „Xeral“. Es wirkt im Gießwasser keimreduzierend sowie biofilmabbauend. Große Schweizer Gewächshausbetriebe stellen HOCL mit der eigenen Elektrolyse-Anlage her, welche ebenfalls von Watair vertrieben wird. Es gebe auch Anfragen von Gewächshausbetrieben in Deutschland, die man aber aus Ressourcengründen bisher nicht alle erfüllen konnte, erklärt Geschäftsführer Michael Bochsler. Das soll sich aber bald ändern.
Die Saatgutfirma Enza Zaden stellte in Koppigen ihr Sortiment mit ToBRFV-resistenten Tomatensorten vor. Davon befinden sich bereits mehrere in der Schweiz im Anbau und haben sich in der Praxis bewährt, beispielsweise ‘Tobinaro F1’ oder ‘Corsica F1’. Die Fleischtomate ‘Falkland’ wird zurzeit im Anbau getestet.

Agri-Photovoltaik aus der Schweiz
Insolight ist ein Schweizer Start-up, das mit dem eigenen Agri-Photovoltaik-System „Insolagrin“ national und international unterwegs ist. Dabei geht es um die gleichzeitige Produktion von Solarstrom und landwirtschaftlichen Produkten am selben Ort. Das Unternehmen war mit Projektleiter Tobias Beeler erstmals auf der Messe vertreten. Es sei ein guter Ort, um sein Netzwerk zu pflegen, sagt er. Allerdings ist die Situation in der Schweiz für den Bau solcher Anlagen schwierig, weil es wenig Erfahrung gibt und viele rechtliche Hürden bestehen. In Deutschland beispielsweise sei die rechtliche Situation einfacher, sagt Beeler.
Es ist ein guter Ort, um sein Netzwerk zu pflegen Tobias Beeler, Insolight

Das Schweizer Gemüsebauunternehmen Max Schwarz AG gründete im vergangenen Jahr im holländischen Naaldwijk zusammen mit der Marrewijk Maassluis Group die Bio-Jungpflanzen-Firma GrowOrganiX. Auf der 4,3 Hektar großen Gewächshausfläche konzentriert sich vorerst alles auf die Herstellung von veredelten Jungpflanzen unter der Erfüllung von verschiedenen Biolabeln für die Märkte in Benelux, Deutschland, Österreich und der Schweiz.

In-Row-Hackgerät Ullmanna
Im Außenbereich präsentierten zahlreiche Maschinenhersteller und -händler neue Lösungen für den Gemüsebau, vor allem in den Bereichen Pflanzenschutz und Bodenbearbeitung. Erstmals zu sehen war das In-Row-Hackgerät des tschechischen Tech-Start-ups Ullmanna, für das sich Sevra Suisse AG das exklusive Vertriebsrecht gesichert hat. Kameras, gepaart mit Künstlicher Intelligenz, erkennen dabei beispielsweise Salate und hacken um diese herum das Unkraut. Die Reihenbreite kann leicht angepasst werden. Die einzelnen Hackelemente mit je einer Kamera können schnell verschoben oder entfernt werden, abhängig von der Kultur.

Der Pneumatik-Zylinder erhält das Signal der Kamera via Software und öffnet sich nur bei Bedarf, respektive wenn er eine Kultur erkennt. Die Kameras erkennen verschiedene Höhenniveaus – individuell für jedes Aggregat – und gleichen diese automatisch aus. Joel Mosimann von Sevra Suisse AG sieht vor allem in der Software einen großen Vorteil, die im Vergleich zu Produkten von Mitbewerben deutlich weiterentwickelt sei. So wird beispielsweise ein Bild jeder Kultur abgespeichert, welches künftig auch für weitere nützliche Zwecke wie Schädlingserkennung oder Ernteabschätzungen verwendet werden kann.
Schweizer Spot-Sprayer als Exportschlager
Die Firma Bucher Landtechnik präsentierte in Koppigen das „Xpower“-System, welches das Unkraut mit elektrischem Strom bekämpft. Präziser ist allerdings der Spot-Sprayer „ARA“ des Schweizer Herstellers Ecorobotix.
Beim „ARA“ erkennen Kameras das Unkraut als Zielpflanze und bespritzen nur diese. Damit reduziert sich die eingesetzte Menge der Pflanzenschutzmittel bis zu 90 Prozent. Das System lässt sich auch umkehren, und gezielt die Kulturen präzise mit einem Insektizid oder Flüssigdünger behandeln. Gerade aus ökologischen Gründen ein großer Vorteil.

Die Entwicklung des autonomen Laser-Jäters „Firefly“ des Schweizer Start-ups Caterra wird von der einheimischen Gemüsebranche mit großem Interesse verfolgt. Zielgruppe sind vor allem kleinere Gemüsegärtnereien. Das leichte Gefährt wird zurzeit für den Einsatz in Karotten und Zwiebeln getestet. Wobei die Software mit den von den Kameras gelieferten Bildern das Unkraut erkennt und dieses mit einem gezielten Laser-Strahl verbrüht. Bei der Erkennung sei man bei rund 95 Prozent, sagt Gründer Aurel Neff. Ab nächstem Jahr sollen die Geräte kommerziell eingesetzt werden. Zurzeit besteht die Herausforderung in der Zertifizierung der Lasertechnologie, die in der Schweiz strenge Sicherheitsvorschriften erfüllen muss. Der „Firefly“ wurde an der Messe mit dem ÖGA-Aussteller-Award „Technische Neuheiten“ ausgezeichnet.

Torffreie Presstopferde
Die gleiche Auszeichnung erhielt die Terre Suisse AG für die Entwicklung einer Presstopferde ohne Torf. Und das sorgte bei den an der Messe anwesenden Jungpflanzen-Herstellern für einige Diskussionen. Denn seit Jahren wird nach Lösungen für torfreduzierte Erdpresstöpfe gesucht – bisher allerdings mit relativ wenig Erfolg.
Seit Jahren wird nach Lösungen für torfreduzierte Erdpresstöpfe gesucht – bisher mit relativ wenig Erfolg David Eppenberger
Doch bei der Ansicht der ausgestellten Exemplare am Ausstellungsstand war offensichtlich, dass das Ganze von der Praxistauglichkeit im Profibereich noch ein Stück entfernt ist. Martin Mettler von Terre Suisse AG bremst die Euphorie: Die Entwicklungsarbeit sei noch längstens nicht abgeschlossen. Wann das Produkt in einer Setzmaschine eingesetzt werden könne, sei unklar. Man befinde sich hier im Austausch mit den Jungpflanzen-Unternehmen, sagt er.
Treffpunkt für die Schweizer Gemüsebranche
Der Verband Schweizer Gemüseproduzenten (VSGP) ist auf der ÖGA jeweils mit einem eigenen Stand vertreten. Dieser dient so als Anlaufstelle für die Mitglieder und bietet die Möglichkeit, direkt mit der Geschäftsstelle in Kontakt zu treten.

VSGP-Präsident und Ständerat Werner Salzmann richtete ein Grußwort an die Mitglieder und lobte die Innovationskraft der Schweizer Gemüsegärtner. Obwohl die Gemüsebranche auf der Messe im Vergleich zum Gartenbau nur ein Juniorpartner ist, boten sich an der diesjährigen ÖGA erneut zahlreiche Gelegenheiten, neue Produkte und Entwicklungen kennenzulernen. Und diese sind nötig, um die sich stellenden Herausforderungen meistern zu können.
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