»Gemüse«-Umfrage zu den Auswirkungen des Mindestlohns
Mehrarbeit und liegengebliebene Arbeiten
Die erste Spargelsaison nach Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ist vorüber. Wie kamen die Spargelproduzenten mit der Situation zurecht? Gab es Schwierigkeiten, Kontrollen oder fehlten gar gute Erntehelfer? Hielt sich der bürokratischen Aufwand in Grenzen?
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Eine Sekretärin mehr im Büro und 14% mehr Erntekräfte waren erforderlich, lautete das Fazit einer Unternehmerin, die nicht namentlich genannt werden möchte. Es war nicht einfach, Produzenten offen nach ihrem Resümee zu befragen.
Mehraufwand für Bürokratie
Zu schaffen machten den Produzenten zunächst die sehr aufwändigen Rechnungstellungen für die teilweise von den Arbeitgebern vorab gezahlte Anreise sowie Verpflegung und Unterkunft der Saison-Arbeitskraft (SAK). Diese Kosten dürfen den Mitarbeitern nicht später vom Lohn abgezogen werden. Darüberhinaus muss der Geldfluss in der Regel aus einem landwirtschaftlichen Betrieb ausgelagert werden, da die umsatzsteuerrelevanten Rechnungen das Maß für einen pauschalierenden Betrieb meist sprengen. „Der Papierkrieg war wirklich unerträglich. Früher gab es einen Zettel für jeden, heute ist es eine ganze Mappe für jeden“, fasste ein Anbauer die Situation zusammen.
Arbeitszeitgesetz erschwert
Das Hauptproblem aber ist die Einhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes zur Erntezeit. „Bei uns gab es einen Tag in der Woche frei, ansonsten wurde pro Tag neun Stunden gearbeitet, um auf der sicheren Seite zu stehen, falls doch irgendetwas ungeplant länger dauert“, erklärte ein Produzent, der seine Spargelfläche im kommenden Jahr um wenigstens 5% reduzieren wird. Eine Schwierigkeit in der Erntezeit besteht im Ausgleich der Überstunden.
Ein weiterer Aufwand ist die zeitnahe Dokumentation. Einige Betriebe haben nur für die geforderten Dokumentationen ein bis zwei neue Mitarbeiter eingestellt. „Unsere Strategie für das kommende Jahr: Weniger produzieren und versuchen, höhere Preise zu erzielen. Über die Arbeitswirtschaft ist nicht mehr viel rauszuholen, damit beschäftigen wir uns seit 20 Jahren und alles ist bereits gut durchorganisiert“, heißt eine Strategie. Einige Betriebe hätten wohl weiterhin längere Arbeitszeiten genutzt, war unter der Hand zu hören. Der Zoll ist, streng genommen, ja auch nur für die Kontrolle der Mindestlöhne zuständig. Geht es letztendlich um eine Reduzierung der Anbaufläche? Ab dem Verfall der Spargelpreise Anfang Mai war der Verkauf über Genossenschaften für die meisten unrentabel. Im Vorteil sind Direktvermarkter mit einem kaufkräftigen Umfeld. Der Stundenlohn war kaum ein Problem, da dieser auch vorher bereits nahezu gezahlt wurde. Die Lohnhöhe wird eher in Zukunft ein Problem werden, wenn die Stundenlöhne in den kommenden Jahren wie vorgesehen steigen.
Das Problem ist der Handel
Dietrich Paul, Vorsitzender der Spargelvereinigung Niedersachsen, Hoyerhagen, sagte uns: „Kontrollen gab es, aber soweit ich weiß ohne Schwierigkeiten. Genügend Erntehelfer waren vorhanden, Rumänien ist ja groß. Die Überlegungen zu einer Flächeneinschränkung sind sehr unterschiedlich. Einige Produzenten stehen in Habacht-Stellung und warten erst einmal ab. Gerade kleinere Betriebe sind überfordert. Das ganze Drumherum mit den Aufzeichnungspflichten wird einfach zu viel. Ich gehe davon aus, dass es weniger Spargelproduzenten werden. Wie sich die Spargelanbaufläche entwickeln wird, weiß ich nicht.“
Die Aufzeichnungspflichten sind nach Paul eine ganz große Herausforderung. Eine kleine Erleichterung gibt es ja bereits, sodass man zum Beispiel die Überstunden anrechnen will im Heimatland. Aber es bringt wenig. Die Hauptkrux besteht darin, die Arbeitszeiten so aufzuzeichnen, dass es mit dem Mindestlohn passt, auch wenn im Akkord bezahlt wird. Eigentlich kommt man nicht drum herum, die Erntehelfer in der Saison mit Überstunden arbeiten zu lassen. Es gab Betriebe, die haben strikt keine Überstunden zugelassen und einen freien Tag pro Woche gegeben. Angeblich waren beide Seiten sehr zufrieden damit. Paul weiß nur, das gerade bei Rumänen zu Ende der Saison, wenn sie genug Geld verdient haben, der Hang besteht, weniger zu arbeiten. Andere Erntehelfer wollen natürlich möglichst viele Stunden arbeiten. Acht Arbeitsstunden am Tag sind für ausländische Erntehelfer zu wenig, denn sie sind hier, um viel Geld zu verdienen. Er glaubt sicher, dass Hersteller von Erntehilfen goldenen Zeiten entgegen sehen. Diese Erntehilfen bedeuten aber wiederum Investitionen für die Produzenten. Es wird in Richtung mehr Erntetechnik gehen, um dem in den nächsten Jahren steigenden Mindestlohn etwas entgegen zu setzen.
Die Mehrkosten konnten besonders in der Direktvermarktung teils durch höhere Spargelpreise an den Verbraucher weitergegeben werden. Ein Produzent benötigt jetzt rund 50 bis 70 Cent mehr pro Kilogramm Spargel. Der Verbraucher hat Verständnis dafür. Das Problem, sagt Paul, ist der Handel. Den interessiert der Mindestlohn überhaupt nicht, er lässt sich aber teilweise von den Produzenten plus einem Mitarbeiter unterschreiben, dass der Mindestlohn gezahlt wird. Der Handel fordert zwar, dass man den Mindestlohn einhält, alles andere ihm jedoch egal. Entweder man liefert zu den geforderten Preisen oder man lässt es bleiben, sagte Paul.
Erdbeeren noch kritischer
Anke Knaup, Geschäftsführerin der Vereinigung der Spargelanbauer Westfalen-Lippe e.V., Dortmund: „Noch kritischer als bei Spargel ist die Situation bei den Erdbeeren. In Nordrhein-Westfalen (NRW) gab es keine oder kaum Kontrollen zum Mindestlohn. Der große Arbeitsaufwand für die Aufzeichnungspflichten ist die Schwierigkeit, nicht der Mindestlohn an sich. Die Problematik ist bei Erdbeeren noch kritischer als bei Spargel. Die Abhängigkeit vom Wetter ist bei Erdbeeren viel größer, sodass die täglich erlaubte Arbeitszeit inklusive der vorgeschriebenen Ruhezeiten für die Ernte häufig nicht ausreichte. Nach Beobachtungen sind Kunden eher bereit, für Spargel mehr zu zahlen, als für Erdbeeren. Kunden akzeptieren den höheren Preis für das einzigartige, hochwertige Produkt Spargel, bei Erdbeeren sieht der Verbraucher viel genauer auf den Preis.“
Hitze wirkt verschärfend
Carsten Wenke, Spargelberater der Landwirtschaftskammer NRW, sagt: „Jede Hitzewelle verschärft das Thema Arbeitszeiten. Das Problem waren die auf 10 h pro Tag begrenzten Arbeitszeiten und der freie Tag pro Woche. In vielen Betrieben ist daher einiges an Arbeit liegengeblieben, beispielsweise Kulturarbeiten wie das Unkrautmanagement mit der Handhacke.“ Den Mindestlohn an sich hält Wenke in diesem Jahr weniger für eine Schwierigkeit. Die größeren Steigerungen kommen erst in den nächsten Jahren. Die Aufzeichnungspflichten erforderten mehr Aufwand, der in kleinen Betrieben auf den Schultern der Betriebsleiter landete, in großen Betrieben wurde zum Teil zusätzliches Personal dafür eingestellt. Wie es mit dem Spargel weitergeht, ist momentan schwierig zu sagen. Diese Saison verlief ohne Hitzewellen recht gleichmäßig, sodass keine größeren Erntespitzen anfielen und der Spargel gleichmäßig geerntet werden konnte. Aber eine Hitzewelle würde das Problem der Arbeitszeiten nochmals deutlich verschärfen.
Mehraufwand für Bürokratie
Zu schaffen machten den Produzenten zunächst die sehr aufwändigen Rechnungstellungen für die teilweise von den Arbeitgebern vorab gezahlte Anreise sowie Verpflegung und Unterkunft der Saison-Arbeitskraft (SAK). Diese Kosten dürfen den Mitarbeitern nicht später vom Lohn abgezogen werden. Darüberhinaus muss der Geldfluss in der Regel aus einem landwirtschaftlichen Betrieb ausgelagert werden, da die umsatzsteuerrelevanten Rechnungen das Maß für einen pauschalierenden Betrieb meist sprengen. „Der Papierkrieg war wirklich unerträglich. Früher gab es einen Zettel für jeden, heute ist es eine ganze Mappe für jeden“, fasste ein Anbauer die Situation zusammen.
Arbeitszeitgesetz erschwert
Das Hauptproblem aber ist die Einhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes zur Erntezeit. „Bei uns gab es einen Tag in der Woche frei, ansonsten wurde pro Tag neun Stunden gearbeitet, um auf der sicheren Seite zu stehen, falls doch irgendetwas ungeplant länger dauert“, erklärte ein Produzent, der seine Spargelfläche im kommenden Jahr um wenigstens 5% reduzieren wird. Eine Schwierigkeit in der Erntezeit besteht im Ausgleich der Überstunden.
Ein weiterer Aufwand ist die zeitnahe Dokumentation. Einige Betriebe haben nur für die geforderten Dokumentationen ein bis zwei neue Mitarbeiter eingestellt. „Unsere Strategie für das kommende Jahr: Weniger produzieren und versuchen, höhere Preise zu erzielen. Über die Arbeitswirtschaft ist nicht mehr viel rauszuholen, damit beschäftigen wir uns seit 20 Jahren und alles ist bereits gut durchorganisiert“, heißt eine Strategie. Einige Betriebe hätten wohl weiterhin längere Arbeitszeiten genutzt, war unter der Hand zu hören. Der Zoll ist, streng genommen, ja auch nur für die Kontrolle der Mindestlöhne zuständig. Geht es letztendlich um eine Reduzierung der Anbaufläche? Ab dem Verfall der Spargelpreise Anfang Mai war der Verkauf über Genossenschaften für die meisten unrentabel. Im Vorteil sind Direktvermarkter mit einem kaufkräftigen Umfeld. Der Stundenlohn war kaum ein Problem, da dieser auch vorher bereits nahezu gezahlt wurde. Die Lohnhöhe wird eher in Zukunft ein Problem werden, wenn die Stundenlöhne in den kommenden Jahren wie vorgesehen steigen.
Das Problem ist der Handel
Dietrich Paul, Vorsitzender der Spargelvereinigung Niedersachsen, Hoyerhagen, sagte uns: „Kontrollen gab es, aber soweit ich weiß ohne Schwierigkeiten. Genügend Erntehelfer waren vorhanden, Rumänien ist ja groß. Die Überlegungen zu einer Flächeneinschränkung sind sehr unterschiedlich. Einige Produzenten stehen in Habacht-Stellung und warten erst einmal ab. Gerade kleinere Betriebe sind überfordert. Das ganze Drumherum mit den Aufzeichnungspflichten wird einfach zu viel. Ich gehe davon aus, dass es weniger Spargelproduzenten werden. Wie sich die Spargelanbaufläche entwickeln wird, weiß ich nicht.“
Die Aufzeichnungspflichten sind nach Paul eine ganz große Herausforderung. Eine kleine Erleichterung gibt es ja bereits, sodass man zum Beispiel die Überstunden anrechnen will im Heimatland. Aber es bringt wenig. Die Hauptkrux besteht darin, die Arbeitszeiten so aufzuzeichnen, dass es mit dem Mindestlohn passt, auch wenn im Akkord bezahlt wird. Eigentlich kommt man nicht drum herum, die Erntehelfer in der Saison mit Überstunden arbeiten zu lassen. Es gab Betriebe, die haben strikt keine Überstunden zugelassen und einen freien Tag pro Woche gegeben. Angeblich waren beide Seiten sehr zufrieden damit. Paul weiß nur, das gerade bei Rumänen zu Ende der Saison, wenn sie genug Geld verdient haben, der Hang besteht, weniger zu arbeiten. Andere Erntehelfer wollen natürlich möglichst viele Stunden arbeiten. Acht Arbeitsstunden am Tag sind für ausländische Erntehelfer zu wenig, denn sie sind hier, um viel Geld zu verdienen. Er glaubt sicher, dass Hersteller von Erntehilfen goldenen Zeiten entgegen sehen. Diese Erntehilfen bedeuten aber wiederum Investitionen für die Produzenten. Es wird in Richtung mehr Erntetechnik gehen, um dem in den nächsten Jahren steigenden Mindestlohn etwas entgegen zu setzen.
Die Mehrkosten konnten besonders in der Direktvermarktung teils durch höhere Spargelpreise an den Verbraucher weitergegeben werden. Ein Produzent benötigt jetzt rund 50 bis 70 Cent mehr pro Kilogramm Spargel. Der Verbraucher hat Verständnis dafür. Das Problem, sagt Paul, ist der Handel. Den interessiert der Mindestlohn überhaupt nicht, er lässt sich aber teilweise von den Produzenten plus einem Mitarbeiter unterschreiben, dass der Mindestlohn gezahlt wird. Der Handel fordert zwar, dass man den Mindestlohn einhält, alles andere ihm jedoch egal. Entweder man liefert zu den geforderten Preisen oder man lässt es bleiben, sagte Paul.
Erdbeeren noch kritischer
Anke Knaup, Geschäftsführerin der Vereinigung der Spargelanbauer Westfalen-Lippe e.V., Dortmund: „Noch kritischer als bei Spargel ist die Situation bei den Erdbeeren. In Nordrhein-Westfalen (NRW) gab es keine oder kaum Kontrollen zum Mindestlohn. Der große Arbeitsaufwand für die Aufzeichnungspflichten ist die Schwierigkeit, nicht der Mindestlohn an sich. Die Problematik ist bei Erdbeeren noch kritischer als bei Spargel. Die Abhängigkeit vom Wetter ist bei Erdbeeren viel größer, sodass die täglich erlaubte Arbeitszeit inklusive der vorgeschriebenen Ruhezeiten für die Ernte häufig nicht ausreichte. Nach Beobachtungen sind Kunden eher bereit, für Spargel mehr zu zahlen, als für Erdbeeren. Kunden akzeptieren den höheren Preis für das einzigartige, hochwertige Produkt Spargel, bei Erdbeeren sieht der Verbraucher viel genauer auf den Preis.“
Hitze wirkt verschärfend
Carsten Wenke, Spargelberater der Landwirtschaftskammer NRW, sagt: „Jede Hitzewelle verschärft das Thema Arbeitszeiten. Das Problem waren die auf 10 h pro Tag begrenzten Arbeitszeiten und der freie Tag pro Woche. In vielen Betrieben ist daher einiges an Arbeit liegengeblieben, beispielsweise Kulturarbeiten wie das Unkrautmanagement mit der Handhacke.“ Den Mindestlohn an sich hält Wenke in diesem Jahr weniger für eine Schwierigkeit. Die größeren Steigerungen kommen erst in den nächsten Jahren. Die Aufzeichnungspflichten erforderten mehr Aufwand, der in kleinen Betrieben auf den Schultern der Betriebsleiter landete, in großen Betrieben wurde zum Teil zusätzliches Personal dafür eingestellt. Wie es mit dem Spargel weitergeht, ist momentan schwierig zu sagen. Diese Saison verlief ohne Hitzewellen recht gleichmäßig, sodass keine größeren Erntespitzen anfielen und der Spargel gleichmäßig geerntet werden konnte. Aber eine Hitzewelle würde das Problem der Arbeitszeiten nochmals deutlich verschärfen.
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