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Neuland.bio in Raggendorf/A

Wie ein Hackroboter die biologische Landwirtschaft revolutioniert

Von den ersten regionalen Experimenten mit Erdnussanbau bis zur KI-gesteuerten Hackmaschine – ein Familienbetrieb aus dem Weinviertel in Österreich zeigt, wie Hightech und Landwirtschaft Hand in Hand gehen.

von Solveig Kelber erschienen am 23.07.2025
Der gelernte Wirtschaftsinformatiker Stefan Romstorfer baut zusammen mit seinem Bruder Roman im Weinviertel Erdnüsse an. Die beiden setzen dabei auch auf die Unterstützung durch einen KI-gestützten Hackroboter. © Stefan Romstorfer
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Erdnüsse aus Österreich? Was einst undenkbar schien, ist heute Realität. Vor neun Jahren haben Stefan und Roman Romstorfer auf einem 10 m2 kleinen Testfeld begonnen, mit Erdnussanbau zu experimentieren – völlig ohne Vorkenntnisse. Stefan Romstorfer schmunzelt: „Da wurden viele Youtube-Videos geschaut.“ Seit drei Jahren baut das Brüderpaar auf mittlerweile 20 ha Ackerfläche in Raggendorf erfolgreich Erdnüssen an.

Seit 30 Jahren wird auf dem Hof biologische Landwirtschaft betrieben. Die Familie bewirtschaftet 160 ha Ackerfläche und 16 ha Weinbau. Es ist ein typischer Weinviertler Betrieb mit den hier häufig angebauten Kulturen: Mais, Zuckerrüben, Ölkürbis und Wein – wenn da nicht die Erdnuss wäre. Stefan und Roman waren auf der Suche nach einer Spezialkultur, die für den Betrieb und für die Region gut geeignet ist, mit der zunehmenden Trockenheit zurechtkommt und nicht alltäglich ist.

Hackroboter wird zum Gamechanger

Die zentrale Herausforderung beim Anbau von Erdnüssen ist die Unkrautbekämpfung. Die Pflanzen benötigen warme Böden und lassen sich viel Zeit mit der Bodenbedeckung – ideale Bedingungen für Unkraut. Bisher bedeutete das: hunderte Stunden händisches Hacken, mühsame Arbeit in den Wochen der Sommerhitze. Als Gamechanger ihres Experiments nennt Stefan „Künstliche Intelligenz“.

Zu Anfang wurden viele Youtube-Videos geschaut Stefan Romstorfer

Der KI-basierte Hackroboter der Firma Ullmanna reduzierte den Arbeitsaufwand der Romstorfers beim Hacken und Jäten um bis zu 90 %. Eine Sensation im ökologschen Anbau. Der innovative Hackroboter wurde bei der Entwicklung von der EU gefördert. Stefan Romstorfer kam während seiner Recherchen über den Erdnussanbau in Kontakt mit dem Unternehmen und den dortigen Entwicklern. Er unterstütze diese beim Perfektionieren des Geräts. Es ging darum, es für die Landwirtschaft fit zu machen und Erfahrungen aus der Praxis einzubringen.

Der Hackroboter kann in den unterschiedlichsten Kulturen eingesetzt werden, hier auf einem Selleriefeld der Familie Romstorfer.
Der Hackroboter kann in den unterschiedlichsten Kulturen eingesetzt werden, hier auf einem Selleriefeld der Familie Romstorfer. © Johannes Pepelnik

Mithilfe von Kameras erkennt die Maschine Nutzpflanzen und Unkraut. Pro Kultur werden rund 1200 Fotos in verschiedenen Wachstumsstadien benötigt. Romstorfer hat bereits 90 Kulturen in seinem Hackroboter angelegt, darunter Salat, Kürbis, Porree, Zuckerrübe, Sellerie und Zwiebeln. Gesteuert wird das System über die sogenannte Arow-Box, die Licht, Kamera, Computer, KI und Steuerung in einem Gerät vereint. „Die KI erkennt nicht nur die Blätter, sondern auch die Wurzeln der Pflanze“, erklärt Stefan Romstorfer. So können Unkräuter auch bei bedecktem Pflanzenwuchs erkannt und entfernt werden, selbst bei wechselnden Sonnenständen und Wind.

Da die Erdnusspflanzen nur langsam Blattmasse entwickeln, ist der Boden lange Zeit unbedeckt, was die Unkrautkontrolle zu einer der größten Herausforderungen macht.
Da die Erdnusspflanzen nur langsam Blattmasse entwickeln, ist der Boden lange Zeit unbedeckt, was die Unkrautkontrolle zu einer der größten Herausforderungen macht. © Stefan Romstorfer

Von der IT zurück auf den Acker

Beim Hackroboter lassen sich die Kulturtiefe sowie der Abstand zur Kulturpflanze einstellen. Nachdem diese Einstellungen gemacht sind, justiert er sich selbst. Nach einer kurzen Kontrolle kann der Traktor samt Hackroboter die Kulturreihen im Schritttempo bearbeiten. Für Familienbetriebe mit saisonaler Personalnot bedeutet das eine immense Entlastung. Die Romstorfers sind zu viert. In der Saison kommen ein paar zusätzliche Hilfskräfte auf den Hof. „Wir konnten auf einem Hektar bis zu 90 % der Arbeit einsparen“, berichtet Romstorfer. Die Investition von rund 100.000 bis 120.000 Euro amortisiert sich laut seinen Berechnungen bereits nach drei Jahren – allein durch eingesparte Hackkosten. Inzwischen sind 30 dieser Maschinen in Österreich, Deutschland und der Schweiz im Einsatz.

Jedes Hack-Element ist mit einer speziellen Kamera ausgestattet.
Jedes Hack-Element ist mit einer speziellen Kamera ausgestattet. © Johannes Pepelnik

Stefan Romstorfer bringt Wirtschaftsinformatik-Know-how mit, sein Bruder stammt aus der Medizintechnik – beide haben sich bewusst für die Rückkehr in den elterlichen Betrieb entschieden. Sie haben ihre landwirtschaftliche Theorie erst an der Abendschule mit Mitte zwanzig erworben. Ihr Vater war schon vor 30 Jahren Bio-Pionier und hat den Weg für innovative Ansätze geebnet. Mit der Kombination aus Technologie, Landwirtschaft und Unternehmertum gelingt es der Familie heute, ressourcenschonend, wirtschaftlich und zukunftsorientiert zu arbeiten.

Erdnussanbau ist kein Selbstläufer

Hintergrundinfos Die Erdnuss
Die Fruchtbildung der Erdnuss findet unterirdisch statt.
Die Fruchtbildung der Erdnuss findet unterirdisch statt. © Stefan Romstorfer

Botanisch betrachtet zählt die Erdnuss, Arachis hypogaea, nicht zu den Nüssen, sondern zu den Hülsenfrüchten. Die Schoten entwickeln sich und reifen in der Erde. Sie werden als Nüsse bezeichnet, weil die Kerne recht hart und wie echte Nüsse in rohem Zustand essbar sind. Die Erdnuss stammt ursprünglich aus Südamerika. Heute wird sie weltweit in tropischen und subtropischen Zonen kultiviert – die bedeutendsten Anbauländer sind China, Indien, Nigeria und die USA. Doch sie kann auch in Mitteleuropa gedeihen – vorausgesetzt, Standort und Pflege stimmen.

Die Erdnusspflanze ist eine einjährige, krautige Pflanze mit ausgeprägter Pfahlwurzel. Sie wächst je nach Sorte aufrecht oder bodennah kriechend und erreicht eine Höhe von etwa 30 bis 50?cm. Die Pflanze bildet nach der Befruchtung einen Fruchtstiel aus, der sich in den Boden hineinbohrt. Dort reift die Frucht vollständig aus. Diese Form der Fruchtbildung, Geokarpie genannt, ist in der Pflanzenwelt äußerst selten. Sie schützt die Samen vor Fressfeinden und nutzt den Standort der Mutterpflanze.

Die Erdnuss ist zwar keine Nuss, ähnelt in ihrem Nährstoffprofil aber anderen Ölsaaten: Ihr hoher Anteil an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren, insbesondere Ölsäure und Linolsäure, macht sie zu einer wertvollen pflanzlichen Fettquelle. Sie enthält zudem relevante Mengen an Eiweiß, Magnesium, Vitamin E und B-Vitaminen.

Die Erdnuss ist wärmeliebend und benötigt mindestens 120 frostfreie Tage. Geeignet sind vollsonnige, windgeschützte Standorte mit lockeren, humusreichen Böden. Optimal sind Temperaturen zwischen 25 und 28?°C. Die größten Schwierigkeiten beim Anbau der Pflanze sind die Feuchtigkeit, die in der Keimzeit die gesamte Ernte zerstören kann, und das Unkraut, weil es eine Konkurrenz für die Erdnuss in Sachen Nährstoffversorgung darstellt. Sind die Erdnüsse nach etwa vier bis fünf Monaten reif, werden sie mithilfe einer Maschine, die die Pflanzen ausgräbt, die Erdnüsse von den Stielen rebelt und das gehäckselte Pflanzenmaterial am Acker hinterlässt, geerntet. Danach werden die Erdnüsse getrocknet und weiterverarbeitet.

Die Erdnüsse werden zwischen Mitte und Ende Mai gesät. Zur Keimung muss die Bodentemperatur zehn bis 15 °C betragen. Das Saatgut kommt aus Südafrika, Usbekistan und anderen Ländern. Da es in der benötigten Menge noch nicht biologisch verfügbar ist, darf die Familie auf konventionelles Saatgut zurückgreifen. Geerntet wird je nach Witterung von Anfang Oktober bis in den November hinein. Zunächst haben die Romstorfers dafür einen Karottenroder umgebaut, dann wurde eine Erntemaschine aus China angeschafft und inzwischen kommt ein eigener Drescher zum Einsatz. Die Pflanzen werden zunächst gerodet und dann mit ihren Hülsen gedroschen.

Sind die Erdnüsse abgereift, werden die Pflanzen gerodet und anschließend gedroschen, um an die wertvollen Samen zu gelangen.
Sind die Erdnüsse abgereift, werden die Pflanzen gerodet und anschließend gedroschen, um an die wertvollen Samen zu gelangen. © Stefan Romstorfer

Der Ernteertrag variiert noch stark. Mal sind es nur 100 kg/ha, in einem anderen Jahr bis zu 1,8 t/ha. Die geernteten Erdnüsse werden vorsortiert, mehrere Tage durch Warmluftzufuhr getrocknet, nochmals sortiert, von der Schale befreit und zu Erdnussbutter weiterverarbeitet oder geröstet. Trocknung und Verarbeitung erfolgen am Hof. Als die Brüder mit der Produktion begannen, war klar, dass dieses Produkt einzigartig in Österreich ist. Deshalb sind sie in die Direktvermarktung und eigene Verarbeitung eingestiegen.

Wir wollen die Fläche, die wir haben, durch Automatisierung und Optimierung der Abläufe besser nutzen Stefan Romstorfer

So ist die Wirtschaftlichkeit des Produkts besser gewährleistet. Das Erdnussmus ist nämlich preislich doppelt so teuer wie nicht regionale, biologische Konkurrenten und dreimal so teuer wie konventionelle Produkte aus dem Supermarkt. „Wir haben aber so ein gutes Feedback auf Geschmack und Regionalität, dass unser Preis für die Kundschaft passt“, sagt Stefan Romstorfer. 70 % verkauft der Betrieb über seinen Onlineshop, den die Mutter der beiden Brüder betreut. 20 % der Ware geht an Bioläden und Spezialitätengeschäfte und etwa zehn 10 % werden direkt ab Hof vermarktet.

Die Bio-Erdnussbutter aus Österreich ist deutlich teurer als importierte Ware. Aber die Konsumenten sind bereit diesen höheren Preis zu zahlen.
Die Bio-Erdnussbutter aus Österreich ist deutlich teurer als importierte Ware. Aber die Konsumenten sind bereit diesen höheren Preis zu zahlen. © Stefan Romstorfer

Die Romstorfers zeigen, dass KI kein Fremdkörper auf dem Feld, sondern ein logischer nächster Schritt ist. Ihr Erfolg basiert auf Mut zur Veränderung, technischem Know-how und einem tiefen Verständnis für die Natur. „Wir wollen gar nicht wachsen – nur die Fläche, die wir haben, durch Automatisierung und Optimierung der Abläufe besser nutzen“, erklärt Romstorfer als Zukunftsvision. Qualität statt Quantität, Fortschritt statt Überproduktion und eine Landwirtschaft, die mit KI neue Wurzeln schlägt. Die Geschichte der Erdnuss im Weinviertel ist ein Lehrstück in Innovationsfreude und Risikobereitschaft.

Die heimischen Erdnüsse werden direkt auf dem Hof zu leckeren Produkten weiterverarbeitet. So bleibt die gesamte Wertschöpfung bei den Romstorfers.
Die heimischen Erdnüsse werden direkt auf dem Hof zu leckeren Produkten weiterverarbeitet. So bleibt die gesamte Wertschöpfung bei den Romstorfers. © Stefan Romstorfer
Betriebsdaten AGROM KG in Raggendorf
  • Betriebsgründung: 2017
  • Mitarbeiterstruktur: Stefan und Roman Romstorfer, ein Festangestellter, Mutter kümmert sich um Onlineshop
  • Vermarktung: Ab Hof, Onlineshop, Einzelhändler/Hofläden in DACH-Region
Autor:in
Solveig Kelber
Florist-Meisterin, Gartentherapeutin und freie Journalistin kelber@asthaus.at
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