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Optimierte Stickstoffversorgung und Kohlenstoffspeicherung

Kohl und Spitzwegerich in Mischkultur

Im Projekt „Spitzwegerich zur Lachgasreduktion“ wird die Praxistauglichkeit von Wurzelexsudaten als nachhaltige Alternative zu synthetischen Nitrifikationshemmern getestet.

von Dr. Iris Maria Zimmermann und Maximilian Zimmermann erschienen am 19.08.2025
Versuchsfeld mit Wirsingkohl- und Spitzwegerich-Jungpflanzen in Mischkultur. Auf die weißen Boxen werden im weiteren Versuchsverlauf die Kammern zur Lachgasmessung aufgesetzt. © Iris Zimmermann
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Die dauerhafte Speicherung von Kohlenstoff (C) in Ackerböden, sowie die Verringerung der Ausgasung und Auswaschung von Stickstoff (N) aus landwirtschaftlich genutzten Flächen können einen maßgeblichen Beitrag zum Klimaschutz durch Landwirtschaft leisten. Ein wichtiger Schritt zum Erreichen dieser Ziele, und damit zur langfristigen Sicherung von Nachhaltigkeit und Produktivität der Landwirtschaft, ist eine Erhöhung der biologischen Diversität in den Anbausystemen.

Vielfalt auf dem Acker

Dadurch können Ökosystemdienstleistungen gefördert werden, die die Rolle menschlicher Eingriffe bei Erhalt oder Steigerung von Erträgen ergänzen oder ersetzen können. Hierbei stellen Mischkulturen einen vielversprechenden Ansatz dar, um mehr biologische Diversität in Anbausysteme zu bringen, die Nährstoffnutzungseffizienz zu verbessern und damit unter anderem synthetische Düngemittel einzusparen. Die größere Vielfalt und Menge an Wurzelexsudaten in Mischkulturen können zu einer höheren mikrobiellen Diversität und Aktivität, und somit zu einer Zunahme des mikrobiell gebundenen Kohlenstoffs im Boden beitragen.

Der Ackerbau ist eine wichtige Quelle für klimarelevante Treibhausgase Dr. Iris Maria Zimmermann

Die höhere Pflanzendiversität in Mischkulturen bereichert außerdem die Gemeinschaften arbuskulärer Mykorrhizapilze, und wirkt den negativen Auswirkungen der Intensivierung der Landwirtschaft auf diese Gemeinschaften entgegen. Darüber hinaus fördern Mischkulturen eine besonders intensive und tiefreichende Durchwurzelung des Bodens, und tragen so zu einem erhöhten C-Eintrag in den Unterboden und damit aktiv zur langfristigen C-Speicherung in der Landwirtschaft, sowie zu einer Optimierung der Bodenstruktur bei.

Neben häufig zu geringer Biodiversität in den Anbausystemen und den damit verbundenen negativen Auswirkungen auf ökologische Funktionen ist der Ackerbau auch eine wichtige Quelle für klimarelevante Treibhausgase, vor allem Lachgas (N2O), eines der drei mengenmäßig wichtigsten Treibhausgase. In der Pflanzenproduktion gelten vor allem die Bodenbearbeitung und der Einsatz von N-haltigen Düngemitteln als Ursachen für hohe N2O-Emissionen aus den Böden.

Stickstoff-Verluste reduzieren

Auch die Auswaschung von Nitrat (NO3-) aus landwirtschaftlich genutzten Böden ist ein zunehmendes Problem, das in Schleswig-Holstein nicht nur zu einer Belastung des Grundwassers führt, sondern in Verbindung mit Einträgen in Oberflächengewässer auch zu einer schädlichen Eutrophierung von Nord- und Ostsee beiträgt. Diese verursacht vor allem im Sommer und Herbst schwerwiegenden Sauerstoffmangel in der Ostsee, wodurch die Strukturen der benthischen Lebensgemeinschaften verändert, und Massensterben von Fischen ausgelöst werden.

Um gasförmige und gelöste N-Verluste aus Böden im Acker- und Gemüsebau zu verringern, wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten zunehmend chemische Nitrifikationshemmer eingesetzt, die allerdings im ökologischen Landbau nicht zugelassen sind. Die wichtigsten Nitrifikationshemmer in Europa sind Dicyandiamid (DCD) und 3,4-Dimethylpyrazolphosphat (DMPP), die die bakterielle Oxidation von Ammoniumionen (NH4+) durch Verminderung der Aktivität von Nitrosomonas-Bakterien für einen gewissen Zeitraum (vier bis zehn Wochen) reduzieren und damit die weiteren Reaktionen zu NO3- und N2O hemmen.

Allerdings nehmen die Bedenken hinsichtlich der Sicherheit dieser synthetischen Nitrifikationshemmer für die menschliche Gesundheit zu, da zum Beispiel DCD in Milchprodukten von Tieren nachgewiesen wurde, die mit Futtermitteln von DCD-behandelten Böden gefüttert wurden, und somit in die Nahrungskette gelangen konnten. Eine Alternative zur Anwendung von DCD und DMPP stellt der Anbau von Zwischenfruchtmischungen oder Untersaaten mit Pflanzen, die biologische Nitrifikationsinhibitoren (BNI) exsudieren und/oder nitrifikationshemmende Metabolite enthalten dar.

Die nitrifikationshemmenden Metabolite von BNI-Pflanzen haben das Potenzial, den Ausstoß schädlicher N2O-Emissionen in der Pflanzenproduktion erheblich zu reduzieren. Ähnlich wie synthetische Nitrifikationshemmer, reduzieren die Metabolite von BNI-Pflanzen die bakterielle Oxidation von NH4+ und verändern die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft in der Rhizosphäre.

Projekt soll Praxistauglichkeit testen

Das im August 2024 begonnene EIP-Projekt: „Spitzwegerich zur Lachgasreduktion“ greift diesen Ansatz auf. Das angewandte Forschungsprojekt konzentriert sich auf den Anbau von Kohl in Schleswig-Holstein, der als Starkzehrer viel Stickstoff benötigt, und soll die Praxistauglichkeit von BNI als nachhaltige Alternative zu synthetischen Nitrifikationshemmern untersuchen. In diesem Zusammenhang ist vor allem der Spitzwegerich (Plantago lanceolata L.) von Interesse, da diese Pflanze in der Lage ist hohe Konzentrationen der BNI „Aucubin“, „Verbascosid“ und „Catalpol“ zu produzieren und in die Rhizosphäre abzugeben. Durch sein großes, tief reichendes Wurzelsystem kann der Spitzwegerich zusätzlich einen nennenswerten Beitrag zur C-Speicherung im Unterboden leisten.

In den kommenden drei Jahren werden, in Zusammenarbeit mit drei ökologisch wirtschaftenden Gartenbaubetrieben aus Schleswig-Holstein, in einem kontrollierten Gewächshausexperiment sowie in zwei aufeinanderfolgenden Feldsaisons Spitzwegerich und Kohl gemeinsam als Mischkultur angebaut. Neben der Quantifizierung von flüssigen (NO3-) und gasförmigen (N2O) N-Verlusten soll auch das Boden- und Rhizosphären-Mikrobiom der verschiedenen Pflanzenpartner in den Mischkulturen eingehend untersucht werden, um herauszufinden, inwieweit die BNI Wirkung auf eine verringerte nitrifizierende Aktivität der Bodenmikroorganismen, oder auf einen Rückgang bestimmter nitrifizierender Spezies zurückzuführen ist.

Aus den Ergebnissen sollen praxisnahe Handlungsempfehlungen erarbeitet werden Maximilian Zimmermann

Die Ergebnisse sollen die Forschungslücke zum Einsatz von Spitzwegerich als BNI-Komponente in Gemüse-Mischkultursystemen schließen, und es sollen daraus praxisnahe Handlungsempfehlungen für einen betriebs- und standortangepassten sowie ökonomisch und ökologisch sinnvollen Einsatz von Spitzwegerich zur Reduktion von N2O-Emissionen und NO3- Auswaschung im Gemüseanbau erarbeitet werden.

Der gemeinsame Anbau von Kohl und Spitzwegerich soll eine bedarfsgerechte N-Versorgung der Kohlpflanzen ermöglichen, bei der idealerweise durch die BNI-Wirkung des Spitzwegerichs nur immer genau so viel Stickstoff aus dem organischen N-Vorrat des Bodens mobilisiert wird, wie von den Kohlpflanzen benötigt wird. Dadurch soll die weitergehende Unterbindung von N-Verlusten durch NO3--Auswaschung und N2O-Emissionen über die Wintermonate und im zeitigen Frühjahr erreicht werden.

Stattdessen soll N möglichst remobilisierbar im Boden gespeichert bleiben, um der nachfolgenden Kultur als Nährstoff zur Verfügung zu stehen. Da die Spitzwegerichbiomasse nicht abgeerntet wird, sondern vollständig auf der Fläche verbleibt und vor allem das tiefe Wurzelsystem des Spitzwegerichs zur langfristigen Humusspeicherung im Unterboden beiträgt, soll das Anbaukonzept auch für eine verbesserte Humusbilanz sorgen. Außerdem wird, da durch das Wurzelsystem des Spitzwegerichs Bioporen bis in tiefe Bodenhorizonte angelegt werden, eine noch bessere Durchwurzelbarkeit des Bodens für die Folgekultur erwartet.

In den Jahren 2026 und 2027 werden im Rahmen des Projektes Informationsveranstaltungen mit Vorstellung der Versuchsparzellen auf den Betrieben der Projektpartner im Raum Kiel und im Raum Husum stattfinden.

Literaturhinweise sind bei den Autoren erhältlich.

Das EIP-Projekt wird finanziert aus Mitteln der Europäischen Union des Landes Schleswig-Holstein.
Das EIP-Projekt wird finanziert aus Mitteln der Europäischen Union des Landes Schleswig-Holstein. ©
Autor:in
Dr. Iris Maria Zimmermann
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel i.zimmermann@soils.uni-kiel.de
Autor:in
Maximilian Zimmermann
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel m.zimmermann@soils.uni-kiel.de
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