
Stadt – Land – Flughafen
Auf einem Hochplateau vor den Toren Stuttgarts baut Familie Schäfer in Leinfelden-Echterdingen eine große Vielfalt von Demeter-Gemüse an. Von B, wie Blumenkohl bis Z, wie Zuckermais gedeiht auf den fruchtbaren Böden des 60 ha großen Betriebes nahezu alles, was das Herz der Kundschaft in der naheliegenden Großstadt begehrt.
von Regina Klein erschienen am 26.08.2025Stadt – Land – Flughafen, das sind drei Schlagworte, die einem unweigerlich in den Sinn kommen, wenn man auf dem Michaelshof in Leinfelden-Echterdingen ankommt. Mitten im urbanen Raum liegt hier oben auf den Fildern ein landwirtschaftliches Kleinod. Vor etwa 100 Jahren bewirtschafteten noch rund 200 Betriebe die fruchtbaren Böden vor den Toren Stuttgarts, heute sind es gerade noch eine Hand voll. Einer davon gehört Familie Schäfer, die auf ihrem Demeterhof von und mit der Natur lebt. 1990 siedelten Marita und Martin Schäfer an den heutigen Standort aus. Als Demeter-Pioniere stellten sie den Betrieb bereits 1974 auf ökologische Landwirtschaft um. 2023 übernahm Sohn Michael den Hof. Unterstützt wird er von seiner Frau Saskia, die sich hauptsächlich um alle Büroangelegenheiten kümmert und seinen beiden ältesten Kindern Sarah und Bennet, die neben Schule und Studium ebenfalls auf dem Hof mithelfen.
Konkurrenz um Fläche und Wasser
Die Konkurrenz mit dem Siedlungsbau um Flächen ist Fluch und Segen für einen Betrieb wie den Michaelshof. Aber die direkte Nähe zur Großstadt sichert auch die Existenz der Familie. „Wenn wir hier nicht mehr von unserem Demeter-Anbau leben können, dann kann es keiner mehr“, beschreibt Agrartechniker Michael die komfortable Lage seines Betriebs. Neben den kaufkräftigen Kunden sind es vor allem die agronomischen Gegebenheiten in der Region, die ihm das Wirtschaften leicht machen. Die Felder sind außergewöhnlich fruchtbar. Auf der zum Teil bis zu 10 m dicken Lösslehmauflage gedeiht so ziemlich jede Kultur optimal. Etwas tiefer befinden sich verschiedene Lehm- und Gesteinsschichten. „Das Grundgestein bei uns ist Lias Alpha“, erklärt der Landwirt die Geologie unter seinen Füßen.
Allerdings beginnt in etwa 40 m Tiefe der Knollenmergel, eine wasserundurchlässige Schicht, die dazu führt, dass es in der Region quasi keinerlei Grundwasservorräte und damit auch keine Möglichkeiten zur Bewässerung mit einem eigenen Brunnen gibt. Oberhalb des 40 bis 80 m starken Knollenmergels gibt es nur einzelne Klüfte, die sich mit Wasser füllen, die Mengen sind aber vernachlässigbar. Zudem ist Stuttgart nicht umsonst für seine Mineralbäder bekannt. Das Wasser unterhalb der Lösslehmauflage ist stark salzhaltig und daher für eine Bewässerung sowieso ungeeignet.
Wir haben ein etwas kleineres, grünes Spitzkraut, das auch für den Frischmarkt geeignet ist Michael Schäfer
Frühere Generationen waren sehr erfinderisch, um trotzdem an die lebensnotwendige Ressource auf dem Plateau zu kommen. Vor hunderten von Jahren wurden kleinere Quellen und Wasservorkommen mit Tonröhrchen angezapft und teilweise über mehrere Kilometer zur tiefsten Stelle geleitet, um sie dort zu sammeln. Schwere Baumaschinen und der Siedlungsbau haben diese uralte Infrastruktur jedoch zerstört. Wird also Wasser auf dem Gemüsebaubetrieb benötigt, muss die Familie das städtische Netz anzapfen; ein kostspieliges Unterfangen. Zum Einsatz kommt dann ein wassersparender Düsenwagen.

Vielfalt auf dem Acker, Saures im Becher
Angebaut wird auf den rund 60 ha Fläche eine bunte Gemüsevielfalt. Was auf den Fildern dabei auf keinen Fall fehlen darf ist Weißkohl, genau genommen Spitzkohl. Auch innerhalb der Familie Schäfer wird seit Generationen an der familieneigenen samenfesten Sorte gezüchtet und selektioniert. Jeder Betrieb hier oben hat seine ganz eigenen Sorten und Schwerpunkte – Farbe (von weiß bis grünlich), Form (von spitz bis bauchig), Größe (von klein bis groß), Verarbeitungstauglichkeit (Frischmarkt oder Verarbeitung) und Reifezeitpunkt (früh bis spät). „Wir haben ein etwas kleineres, grünes Spitzkraut, das auch für den Frischmarkt geeignet ist“, beschreibt Michael die Typizität der familieneigenen Selektion. Als ein Kollege aus der Nachbarschaft seinen Betrieb aufgab, hat der Demeter-Betrieb auch dessen Sorten übernommen. Diese sind eher groß und bauchig und daher speziell für die Verarbeitung gedacht.

Apropos Verarbeitung, hinter den Toren einer unscheinbaren Halle verbirgt sich das Herzstück des Betriebs. Hier herrscht ab Anfang September ordentlich Trubel. Dann startet die Sauerkrautsaison. Auch die Schäfers verarbeiten und fermentieren ihren Kohl selbst. In die großen Kunststofffässer kommt dann eine Mischung aus Spitzkohl und „normalem“ Weißkohl. Der Spitzkohl ist geschmacklich zwar deutlich besser, allerdings hapert es aufgrund seiner Form an der Maschinengängigkeit, weshalb Familie Schäfer grundsätzlich kein sortenreines Sauerkraut aus Spitzkohl herstellt.

Über ein Förderband gelangen im Herbst die frisch geernteten Kohlköpfe in das obere Stockwerk der Halle, dort wird der Strunk herausgebohrt, anschließend werden die Köpfe gehobelt und mit Salz versetzt. Über Löcher im Boden fällt das frische Kraut auf ein darunterliegendes Förderband, welches wiederum die großen Gärfässer aus GFK im Erdgeschoss befüllt. Unter Luftabschluss erledigt alles Weitere die Natur von selbst. Der Fermentierungsprozess dauert nur wenige Wochen, dann ist das Sauerkraut fertig. Da die Masse hochgradig korrosiv ist, sind Gebäude und Maschinen von einer erhöhten Abnutzung betroffen. Wo möglich, wird daher Kunststoff eingesetzt, alles andere ist aus Edelstahl. Auch der Fußboden ist entsprechend korrosionsbeständig mit Epoxidharz versiegelt. Jedes Jahr werden die Wände der Verarbeitungshalle neu gestrichen und sämtliche Lager an den Maschinen ausgetauscht.

Bislang haben die Schäfers ihr fertiges Sauerkraut immer von Hand in 1 bis 10 kg große Eimer abgefüllt. Seit einiger Zeit werden jedoch kleinere Gebinde von den Kunden nachgefragt. „Die 1 kg-Becher kriegt man noch gut von Hand befüllt, aber kleinere Gebinde gehen auf diese Weise einfach nicht mehr“, erzählt Michael Schäfer. Daher hat die Familie für diesen Herbst in eine Abfüllmaschine investiert, mit der nun auch 500 g-Becher befüllt werden können. In Tüten wird übrigens nicht mehr verpackt. „Dafür muss man die Gärung komplett abstoppen, sonst würden sich die Beutel aufblähen. Zudem wird das Sauerkraut zu stark mechanisch beansprucht, wenn es in die Tüte gepumpt wird“, erläutert der Agrartechniker die zahlreichen Nachteile dieser Verpackungsweise. Aber das wichtigste Argument gegen die Beutel ist seiner Meinung nach der Geschmack. Durch die nahezu abgeschlossene Gärung wird das Sauerkraut einfach zu sauer. Frisch aus dem Eimer ist es milder und prickelt noch ein bisschen.
Vermarktung im Wandel
Bis vor Kurzem fanden sowohl Sauerkraut als auch alle anderen Produkte des Demeter-Hofes ihren Weg direkt zum Endkunden. Ein Ab-Hof-Verkauf sowie Wochenmärkte machten es möglich. Doch damit ist Schluss. Vermarktet wird nun ausschließlich über den Einzelhandel, den Naturkostgroßhandel und Kollegen, die Abo-Kisten anbieten. Die Gründe dafür sind vielschichtig. „Es gibt zwar gute Wochenmärkte, aber man konkurriert immer mit dem Einzelhandel um die Preise. Zudem habe ich das Gefühl, dass gerade die jungen Leute nicht mehr so gerne auf Wochenmärkte gehen, höchstens noch für ein Kochevent oder so“, erläutert Michael seine Entscheidung. Die Hochzeiten zu Corona, in denen der Bio-Absatz durch die Decke ging, sind lange vorbei. „Man merkt zwar schon, dass sich der Markt langsam ein bisschen erholt“, sagt Michael, „aber gerade Bio-Pioniere im Handel, die sich auf Verbands-Bio spezialisiert haben, tun sich derzeit sehr schwer, weil die Mengen einfach nicht mehr gehen“.
Es ist jedoch nicht nur der Kampf um den günstigsten Preis oder die sinkende Käuferschaft, die zu diesem Schritt bewogen hat. Bis vor wenigen Wochen lebten noch 15 bis 20 Mutterkühe mit ihren Kälbchen auf dem Betrieb. Das Fleisch wurde selbst vermarktet und zog viele Leute auf den Hof. Doch eine neue EU-Bio-Verordnung hätte die Familie zur Weidehaltung verpflichtet; in einem so dicht besiedelten Gebiet ohne Grünland nahezu unmöglich. Neben fehlendem Weideland sind es auch Sicherheitsaspekte, die hier zum Tragen kommen. Was, wenn die Herde einmal ausbricht und auf die benachbarte Autobahn rennt? Ein sehr emotionales Thema für die ganze Familie. „Die Aufgabe der Tierhaltung war für uns alle sehr heftig“, erzählt Michael. „Die Tiere hatten ihren Auslauf und die Kühe waren glücklich. Aber eine Weidehaltung ist hier einfach nicht möglich.“ So ganz aufgegeben hat die Familie die Viehhaltung gedanklich allerdings noch nicht.
Ganz aufgegeben haben wir die Viehhaltung gedanklich noch nicht Saskia Schäfer
Immerhin wäre sie als weiterer Betriebszweig wichtig, um den Michaelshof möglichst divers aufzustellen. Aktuell hat Hofhund Buddy den leerstehenden Stall zu seinem Abenteuerspielplatz auserkoren. Wie es mit der Tierhaltung weitergeht, wird die Zukunft zeigen. Doch jetzt wartet erstmal die diesjährige Weißkohlernte auf ihre Veredelung zu leckerem Sauerkraut.
- Demeter-Umstellung: 1974
- Aussiedelung: 1990 durch Marita und Martin Schäfer (zwei alte Hofstellen in Echterdingen dienen heute unter anderem als Wohnungen für Saisonarbeitskräfte)
- Mitarbeiterstruktur: Saskia (Büro) und Michael Schäfer (Außenbetrieb), 1 Landwirtschaftsmeister, 1 Vorarbeiter, 8 polnische und rumänische Hilfskräfte (ganzjährig)
- Kulturen: Kohl, Möhren, Kartoffeln, Zwiebeln, Zuckermais, Rote Bete, Zucchini, Sellerie, Salat
- Vermarktung: Einzelhandel, Naturkostgroßhandel und Abo-Kisten-Betriebe
- Kontakt: www.michaelshof.com
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