Die Rolle der Landwirtschaft beim Thema Kunststoffemissionen
Der Hohenheimer Gemüsebautag ist eine der wenigen Veranstaltungen, die gut durch die Corona-Pandemie gekommen ist. Wie bereits im vergangenen Jahr, konnte sie auch 2021 in gewohnter Weise und bei gutem Wetter auf dem Gelände der Staatsschule für Gartenbau (SfG) Hohenheim stattfinden.
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Die Fachgruppe Gemüsebau des Gartenbauverbandes Baden-Württemberg-Hessen e. V. sowie die Staatsschule hatten einen spannenden Mix aus Vorträgen und Live-Vorführungen zusammengestellt, der zahlreiche Gärtner*innen Ende September nach Stuttgart-Plieningen lockte. Dass vor allem das Thema Kunststoffemissionen bewegt, zeigte die voll besetzte Scheune während des Vortrages von Ralf Bertling vom Fraunhofer-Institut UMSICHT, der eindrucksvolle Zahlen zum Thema präsentierte.
Die Landwirtschaft als Vorbild
„Das gesellschaftliche und mediale Interesse an Kunststoffen ist groß, weil sie fast überall und immer häufiger zum Einsatz kommen“, betont Bertling. Vor allem in der Landwirtschaft seien sie immer stärker verbreitet, auch aufgrund des Klimawandels. Dort dienen sie in Form von Folien, Vliesen oder Netzen nicht nur der Wärme- und Feuchteregulation, sondern auch dem Schutz vor Schädlingen und Unkraut sowie vor Unwettern. Allerdings sind Folien, Vliese und Co. nicht die einzigen Stoffe, die mit Böden in Kontakt kommen. Zu den weiteren Kunststoffen, die täglich in der Landwirtschaft im Einsatz sind, zählen außerdem polymer beschichtete(s) Saatgut, Dünger und Bodenverbesserer sowie Pflanzenbehälter, Pflanzhilfen und Bewässerungssysteme. Das klingt nach ziemlich viel, bezieht man jedoch die tatsächlichen Zahlen mit ein, ergibt sich ein differenziertes Bild. Insgesamt wird der Kunststoffverbrauch deutschlandweit auf rund 23,6 Millionen Tonnen pro Jahr beziffert, wovon 1,1 Millionen Tonnen und damit 4,7 Prozent auf die Landwirtschaft zurückzuführen sind. „Die Landwirtschaft ist, was den Rezyklatanteil angeht, äußerst vorbildlich. 37 Prozent der eingesetzten Kunststoffe sind Recyclingprodukte. Damit ist die Landwirtschaft anderen Branchen weit voraus“, erklärt Bertling. Hinzukommt, dass die Kunststoffemissionen in landwirtschaftliche Böden zu 81 Prozent von außen entstehen und nicht durch die Branche selbst verursacht werden. Mit „von außen“ sind die Ausbringung von Klärschlamm, das Littering (Vermüllung) Dritter sowie Kunststoffbestandteile in Komposten gemeint, selbst Reifenabrieb hat einen großen Anteil.
Vorsorglich handeln
„Kunststoff ist ein Werkstoff, der viele sinnvolle Verwendungen hat und bei richtiger Verwendung auch einen wichtigen Beitrag in der Landwirtschaft leistet. Eine Gefährdung für den Menschen ist bis heute nicht belegt. Nichtsdestotrotz gilt es bei diesem Thema nach dem Vorsorgeprinzip zu handeln und nicht dann, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“, mahnt der Wissenschaftler an. Die Verantwortung läge allerdings bei allen. „Es ist keine landwirtschaftliche, sondern eine generelle Kunststoffdebatte.“ Umso wichtiger sei es deshalb, das Recycling zu stärken, Kunststoffe mit ausreichender Abbaubarkeit zu entwickeln, geeignete Messmethoden für ein Umweltmonitoring auf den Weg zu bringen, Grenz- und Schwellenwerte herabzusetzen sowie Abbauzeiten zu regulieren und zu begrenzen. In der Landwirtschaft wie auch in allen anderen Branchen solle aber vor allem die Suche nach alternativen Praktiken vorangetrieben werden. „Der Einsatz von Rezyklaten ist super. Kunststoffe wiederzuverwenden ist noch besser als zu recyceln. Aber man sollte sich immer zuerst fragen: Brauche ich die Folie oder das Vlies wirklich oder gibt es nicht Alternativen, auf die ich zurückgreifen kann?“, rät der Wissenschaftler. Denn auch der CO2-Fußabdruck ist durch den Einsatz von Folien sehr hoch und ein Recycling aufgrund von Erdanhaftungen nicht immer oder nur schwer möglich.