Weniger Pflanzenschutzmittel, mehr Umweltschutz
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Die DBU startet eine Serie zur DBU-Förderinitiative zur Vermeidung von Pflanzenschutzmitteln. Zum Auftakt soll es um Nützlingsrollwiesen gehen. Auch auf internationalem Parkett bringt die DBU das Thema zur Sprache: am Montagabend in der Veranstaltungsreihe DBUgoesBrussels unter dem Titel „Spagat Pflanzenschutz: Wie die Sicherung von Nahrung und Natur gelingt“ in der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen bei der Europäischen Union (EU) in Brüssel. „Die DBU-Förderinitiative haben wir 2020 auf den Weg gebracht, weil es noch zu wenige praxistaugliche Alternativen zu chemischen Pflanzenschutzmitteln gibt“, erinnert sich Dr. Maximilian Hempel, der zuständige Leiter der DBU-Abteilung Umweltforschung. „Genau das sollte aber unser Ziel sein. Denn wir tun gut daran, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren, weil sonst ein zu großer ökologischer Schaden zum Beispiel an Oberflächengewässern oder gar am Grundwasser entsteht.“
Lösungen für einen nachhaltigeren Umgang
Zwar ist jüngst auf EU-Ebene ein Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zur nachhaltigen Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (engl. Sustainable Use Regulation, kurz SUR) vorerst gescheitert. Gleichwohl appelliert DBU-Generalsekretär Alexander Bonde daran, „das Thema nicht zu verdrängen. Wir dürfen trotz politischer Hürden nicht untätig bleiben.“ Und er ruft dazu auf, einen Konsens zu finden: „Landwirtschaft und Umweltschutz hängen zusammen. Lösungen für einen nachhaltigeren Umgang mit Böden, Wiesen, Wasser und Luft schaffen wir nur gemeinsam.“ Die DBU-Förderinitiative zeige beispielhaft, „dass es tatsächlich eine Bandbreite an nicht chemischen Pflanzenschutzoptionen gibt“. Abteilungsleiter Hempel ergänzt: „Wir müssen auf diesem Weg weitermachen. Wir brauchen weitaus mehr Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten.“
Überraschende Erkenntnisse im Projekt „Nützlingsrollwiesen“
Tatsächlich dürfte intensivere Forschung die Chancen auf überraschende und innovative Erkenntnisse beträchtlich erhöhen. Unerwartetes hat zum Beispiel der mehrjährige Versuch der Staatsschule für Gartenbau in Stuttgart-Hohenheim mit sogenannten Nützlingsrollwiesen im Freiland-Gemüseanbau zutage gefördert. Dr. Michael Ernst, Leiter der Staatsschule und Projektleitung, sagt: „Es hat mich schon überrascht, mit welch großem Radius von rund 30 Metern Nützlinge in einem Salatfeld Blattläusen, weißen Fliegen und anderen Schadinsekten zu Leibe rücken. Man muss viel weniger Produktionsfläche opfern als gedacht.“ Der promovierte Diplom-Ingenieur der Agrarwissenschaften mit den Schwerpunkten Pflanzenproduktion und Gemüseanbau erklärt die Idee hinter den Nützlingsrollwiesen: In dem von der DBU geförderten Projekt kommt eine Methode zum Einsatz, die viele aus dem Fußballstadion oder dem eigenen Hausgarten kennen – der Rollrasen.
Wie im Fußballstadion: Nützlingswiesen werden ausgerollt
Das Vorhaben, so Ernst, habe in mehrfacher Hinsicht Neuland erkundet. „Der Einsatz von Nützlingen beim Gemüseanbau im Gewächshaus ist ja längst etabliert. Neu ist unser Ansatz im Freiland.“ Noch dazu mit Nützlingsrollwiesen und einer besonderen Herausforderung. Denn die Staatsschule für Gartenbau in Stuttgart-Hohenheim wählte im Feldversuch als Kultur Kopfsalat, der üblicherweise stark von Blattläusen befallen wird. Und: Wegen der kurzen Kulturdauer des Salats bleiben lediglich sechs bis acht Wochen von der Pflanzung bis zur Ernte, um Schadinsekten zu bekämpfen. „Nützlinge als Schädlingsbekämpfer müssen daher von Anfang an etabliert sein“, erklärt Ernst. Deshalb sei die Idee entstanden, Nützlingsrollwiesen nach der Methode des Rollrasens auf einem Geflecht von Hanf und Kokosfasern vorzukultivieren. Denn eine solche Wiese braucht selbst ab Aussaat etwa vier Wochen bis zur vollständigen Entwicklung. Durch die Vorkultivierung wird so pünktlich zur Pflanzung des Kopfsalats die Nützlingswiese ausgerollt – ähnlich wie im Fußballstadion. Marienkäfer, Raubmilben, Schlupfwespen und Florfliegen tummeln sich auf Blühpflanzen wie Kümmel, wilde Möhre, Ringel- und Kornblume sowie Schafgarbe, Klatschmohn und echten Salbei – und können sich umgehend ans Werk machen, um die Schadinsekten zu vertilgen.
Bis zu 60 Prozent Pflanzenschutzmittel eingespart
Das Ergebnis des Projekts kann sich sehen lassen. Es müsse darum gehen, Insektizide einzusparen und von „Nicht-Ziel-Organismen“ wie etwa Wildbienen fernzuhalten. „Genau das kann mit alternativen nicht chemisch-synthetischem Pflanzenschutz gelingen“, so Ernst. Es gehe darum, Pflanzen sowie Verbraucher besser zu schützen. Der Leiter der Staatsschule für Gartenbau sagt: „Das Projekt mit den Nützlingsrollwiesen legt den Schluss nahe, dass beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bis zu 60 Prozent Einsparung möglich sind.“ Und: Das Projekt hat nach Michael Ernsts Einschätzung das Zeug dazu, bundesweit Blaupause für ähnliche Vorhaben zu sein.
Mehr zum Projekt und dessen Ergebnisse finden Sie auch in einer der nächsten Gemüse-Ausgaben.
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