
Mutig und kritisch voran
Geht es Ihnen auch so? Der Begriff „Digitalisierung“ ist für mich genauso zu einem Modewort verkommen wie einst die „Nachhaltigkeit“. Dabei ist das Thema so wichtig, auch für die Landwirtschaft.
von Regina Klein erschienen am 27.07.2025Der Begriff Digitalisierung wird heutzutage für beinahe alles bemüht, was irgendwo im Hintergrund mit Einsen und Nullen hantiert. Das ist ja grundsätzlich nicht falsch, wird dem Thema aber keineswegs gerecht. Der Digitalisierungsfortschritt in der Landwirtschaft und dem Gartenbau ist mindestens genauso divers, wie die Betriebsstrukturen selbst. Von komplett computergesteuerter Produktion, mit Einsatz von KI zur Schädlingskontrolle und Vermarktungsprognose unter Glas, über Präzisionslandwirtschaft auf dem Acker bis hin zum Einsatz der Handhacke und rudimentärer Pflanzmaschine am alten Traktor ist wirklich alles dabei. Und auch wenn die Digitalisierung in dem einen oder anderen Betrieb schon sehr weit vorangeschritten ist, so gibt es dennoch hin und wieder krasse Brüche.
Das erlebe ich auch bei mir selbst. Ich beschäftige mich mit großer Begeisterung mit sogenannten Large Language Models (LLM), also generativer KI wie ChatGPT und Co. Ich probiere aus, verfeinere meine Prompting-Skills (die Art, wie ich Anfragen an die KI stelle, um noch präzisere Informationen zu erhalten) und lerne täglich neue, verblüffende Dinge hinzu, was man mit KI heutzutage alles machen und vor allem leider auch fälschen kann. Gleichzeitig wäre es für mich undenkbar, auf meinen geliebten Tischkalender zu verzichten, obwohl es unzählige digitale Lösungen gäbe.
Aber nichts unterstützt mich in meinem (Berufs)alltag mehr, als diese 104 Seiten im Format 104 x 299?mm, zusammengehalten durch eine Spiralbindung, die sich regelmäßig spätestens zur Jahresmitte langsam in ein gemeingefährliches Drahtgeflecht mit höchstem Verletzungsrisiko verwandelt und zwei labberigen blauen Kartons als Deckel. Mein papierner Begleiter ist so eine Art Erweiterung meines Gehirns; und eine liebgewonnene Tradition, die in einer sich immer schneller drehenden und digitaler werdenden Welt einen wunderbar analogen Ruhepol bildet. Auch wenn diese Ruhe nur so lange anhält, bis ich einen genaueren Blick auf die beschriebenen Zeilen werfe und sofort wieder in den stressigen Alltag zwischen Redaktionsschluss, Meetings, Veranstaltungen und Reportage-Terminen zurückgeholt werde.
Digitalisierung kann Angst machen und überfordern Regina Klein
Digitalisierung kann Angst machen und überfordern. Schnell gibt man sich da dem Selbstbetrug hin, man habe alles im Griff, wenn man sich nur fleißig genug gegen alles Neue stellt und an alten Gewissheiten festhält. Ich will Ihnen Mut machen, sich offen auf das Thema einzulassen, sich nicht gleich von Beginn an durch Kosten oder fehlendes Wissen abschrecken zu lassen. Tauschen Sie sich mit Gleichgesinnten aus, probieren Sie mutig digitale Techniken aus – von der Anbausoftware im Büro bis zur KI-gestützten Hacktechnik auf dem Feld.
Und hinterfragen Sie zeitgleich immer sehr kritisch, was bringt es mir tatsächlich und lohnt sich das am Ende. Denn freie Zeit und Geld sind knappe Ressourcen, die sich durch den Einsatz digitaler Techniken im besten Falle vermehren, aber keinesfalls weniger werden sollten. Der größte Fehler in Sachen Digitalisierung ist es nämlich, sie der Digitalisierung selbst willen einzuführen und umzusetzen.
Gerade Anbieter neuer Technik und Start-ups sind übrigens häufig gerne dazu bereit, Ihnen ihre Maschinen kostenlos für einen Praxistest zu überlassen oder die Geräte live auf Ihrem Betrieb vorzuführen. Für Büro-Software gibt es meist Gratis-Monate oder Test-Zugänge zum Ausprobieren. Gehen Sie also offen auf die diversen Anbieter zu, informieren Sie sich und trauen Sie sich, den nächsten Schritt zu gehen.
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