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Volksweisheit auf dem Prüfstand

Der Rhabarber und die Oxalsäure

Mit dem Johannitag, also dem 24. Juni eines Jahres (KW 24/25) endet die Spargelzeit, aber auch die Erntezeit für Rhabarber. Nach der Sommersonnwende steigt der Oxalsäuregehalt in den Stängeln an und sie werden ungenießbar, so das überlieferte Wissen. Aber stimmt das?

von Birgit Rascher, Dr. Martin Geßner, Dr. Manfred Klemisch erschienen am 13.10.2025
Der Rhabarber-Versuchsbestand am 6. Mai 2019. © Rascher/LWG
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Viele Kulturen haben sich inzwischen einen größeren Zeitraum des Jahres erobert. Zum Beispiel auch die Erdbeeren. Späte Sorten oder ausgefeilte Kulturmethoden sorgen dafür, dass sie auch Ende Juni und länger noch auf dem Markt sind. Funktioniert das auch bei Rhabarber?

Die Rhabarbersorten im Anbauversuch

Im Gemüsebauversuchsbetrieb Bamberg der Bayerischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau Veitshöchheim wurde 2016 ein Sortenversuch mit gängigen Rhabarbersorten angelegt, in erster Linie, um die Erträge und den Grad der Rotfärbung der Stangen zu beurteilen. Die rote Farbe ist bei Verarbeitern sehr beliebt. Kuchen sieht mit etwas Rot einfach appetitlicher aus. So konnten aus dem Sortenversuch in Bamberg ‘Holsteiner Blut‘, ‘Frambozen Rood’, ‘Canada Red’ und ‘Goliath’ untersucht werden. Da die Fragestellung vor allem für das Voralpenland und alle anderen „späteren“ Gemüsebauregionen interessant ist, wurde ‘Frambozen Rood’ aus einem Praxisbetrieb aus Miesbach mit einbezogen.

‘Holsteiner Blut’ und ‘Goliath’ sind ausreichend winterhart Birgit Rascher

Die Stangengewichte und die Färbung der Stangen sind bei den vier untersuchten Sorten unterschiedlich. Die höchsten Stangengewichte mit etwa 300 g pro Stange liefert die weitestgehend grüne Sorte ‘Goliath’. Pro Pflanze sind 4,7 bis 5 kg Ertrag pro Saison zu erwarten. Zusammen mit ‘Holsteiner Blut’ bildet die Sorte seit Jahrzehnten das Rückgrat der heimischen Rhabarberproduktion. ‘Holsteiner Blut’ und ‘Goliath’ sind ausreichend winterhart, vier Jahre nach der Pflanzung waren in Bamberg noch 70 % der Pflanzen auf dem Feld.

‘Holsteiner Blut’ zeigt etwas rote Farbe, 145 bis 179 g Stangengewicht und 3 bis 4 kg Ertrag pro Pflanze. Die Erträge schwanken von Jahr zu Jahr. Spätfröste, Temperaturverlauf und Wasserangebot sind entscheidend für den Erfolg. Deshalb setzen erfahrene Betriebsleiter auf die Kombination beider Sorten im Anbau. Ist es ein gutes Rhabarberjahr, kann man sich auf ‘Holsteiner Blut’ mit der schönen Farbe verlassen. Läuft es schlecht für den Rhabarber, bleiben die Stangen klein und der Markt ist froh über den kräftigeren ‘Goliath’. Das fehlende Rot wird dann hingenommen.

Stangenernte am 6. August 2018. Die Sorten im Vergleich (von links): ‘Golaiath’, ‘Canada Red’, ‘Frambozen Rood’ und ‘Holsteiner Blut’.
Stangenernte am 6. August 2018. Die Sorten im Vergleich (von links): ‘Golaiath’, ‘Canada Red’, ‘Frambozen Rood’ und ‘Holsteiner Blut’. © Rascher/LWG

‘Frambozen Rood’ und ‘Canada Red’ hätten das Zeug dazu, mehr Rot in die Kisten zu bringen. Allerdings wintert ‘Frambozen Rood’ unter Bamberger Anbaubedingungen zu stark aus. Nach vier Anbaujahren ist der Großteil des Bestandes nicht mehr vorhanden. ‘Canada Red’ liefert mit Stangen unter 100 g und 1,4 kg/Pflanze geringe Erträge. Die sehr kurzen Stangen sind leuchtend rot, die Pflanzen sehr gut winterhart. Die Sorte findet Liebhaber im Freizeitgarten. Für den Erwerbsanbau sind die Stangen zu schwach. Besonders die Hitze und Trockenheit des Sommers 2020 setzte dieser Sorte zu.

Versuchsanlage und Kulturmaßnahmen

Die einfaktorielle Blockanlage mit drei Wiederholungen wurde im Oktober 2016 gepflanzt. Die Parzellengröße betrug 12,3 m2 (7,5 x 1,65 m) mit je zehn Pflanzen. Sorten: ‘Holsteiner Blut’, ‘Frambozen Rood’, ‘Canada Red’, ‘Goliath’. Das Pflanzgut wurde aus einem bestehenden Bestand im Versuchsbetrieb selbst gewonnen. Im Oktober 2017 wurden bestehende Lücken nachgepflanzt. 2017 erfolgte die Beerntung für die Tastversuche in der Analytik, ab 2018 wurde regelmäßig beerntet. Die Düngung erfolgte jährlich in zwei Gaben. Zum Austrieb und zum Ernteende wurden 50 kg N/ha als Orgapur 8-2-6 gegeben. Pflanzenschutzmaßnahmen wurden nicht durchgeführt. Aus einem Praxisbetrieb in Miesbach wurde ‘Frambozen Rood’ untersucht. Beide Betriebe sind zertifizierte Ökobetriebe.

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Um der Frage nachzugehen, ob sich der Oxalsäuregehalt im Laufe der Vegetationsperiode verändert, wurden die Rhabarbersorten über drei Jahre hinweg regelmäßig beerntet und untersucht. Der Feldversuch wurde im Zeitraum Oktober 2016 bis September 2020 in Bamberg (Oberfranken) im Gemüsebauversuchsbetrieb der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) durchgeführt. Die Versuchsfläche liegt 243 m über NN im südlichen Stadtgebiet am Main-Donau-Kanal und wird seit 2001 ökologisch bewirtschaftet.

Der Boden alluvialen Ursprungs nahe der Regnitz wird als lehmiger Sand charakterisiert und weist 48 Bodenpunkte auf. Eine Bodenuntersuchung nach VDLUFA mit Probenahme im November 2017 zeigte einen Humusgehalt von 2,6 %, pH-Wert 7, 30 mg P2O5, 33 mg K2O, 14 mg Mg und Corg 1,51 %. Im langjährigen Mittel fallen 637 mm Niederschlag pro Jahr, was mit 441 mm im Jahr 2018, 602 mm 2019 und 562 mm im Jahr 2020 im Versuchszeitraum nicht erreicht wurde. Der Rhabarberbestand wurde bei Bedarf ungesteuert mit 20 mm Wasser pro Gabe mit Perrot-Viereckregnern bewässert.

Bei allen Sorten ergab sich ein Anstieg der Oxalsäurekonzentration mit späteren Ernteterminen Birgit Rascher

Der Praxisstandort Miesbach (Oberbayern) befindet sich auf 696 m über NN auf einer seit 1983 ökologisch bewirtschafteten Fläche. Der Boden wird als toniger Lehm charakterisiert und weist einen Humusgehalt von 7,4 %, pH-Wert 6,7, sowie 9 mg P2O5, 31 mg K2O, 46 mg Mg und Corg 4,28 % auf. Dieser Rhabarberbestand wird nicht beregnet, da hier der Jahresniederschlag bei 1.200 bis 1.300 mm/m2 und Jahr liegt.

Gehalte an Calcium und Oxalsäure im Rhabarber

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Für die Darstellung der Ergebnisse wurde der Median der drei Untersuchungsjahre verwendet. Die Verwendung des Medians wurde gewählt, um Ausreißer zu eliminieren. Das Element Calcium lag zwischen 4,5 und 29 g/kg TM, im Schnitt bei 13,9 g/kg TM. Die Bestimmtheitsmaße waren sehr gering, was durch die Streuung der Calciumkonzentrationen bedingt war. In allen Sorten stieg die Calciumkonzentration über den Untersuchungszeitraum. Bei der Sorte ‘Goliath’, die den niedrigsten Oxalsäuregehalt hatte, war der Trend des Anstiegs der Calciumkonzentration am stärksten.

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Beim Oxalsäuregehalt zeigten sich deutliche Sortenunterschiede. ‘Goliath’ hatte den niedrigsten und somit gesundheitlich unbedenklichsten Gehalt an Oxalsäure. Bei allen Sorten ergab sich ein Anstieg der Oxalsäurekonzentration mit späteren Ernteterminen.

Hintergrundinfos Gesundheitliche Bedeutung von Oxalsäure

Die Untersuchungen von Oxalsäure und Calcium sind besonders wichtig. Beide reagieren zu Salzen, die als Calciumoxalat-Hydrat-Kristalle oder - Kristalldrusen im Grundgewebe der Pflanze abgelagert werden. Beim Verzehr lösen sich diese Kristalle zunächst auf. Bei hohen Verzehrmengen können sie in den Nieren als Nierenstein wieder auskristallisieren. Bei der Aufnahme von geringen Mengen wird die Oxalsäure direkt über den Urin wieder ausgeschieden.

Die Calciumuntersuchung erfolgte nach Aufschluss der getrockneten Proben mittels Mikrowelle (Microwave Digestion System, Microwave ECO, Fa. Anton Paar) mit Salpeter- und Salzsäure. Die Vermessung der Proben erfolgte mittels optischer Emissionsspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma an einem ICP-OES (iCAP 6000 Series 6300). Für die Bestimmung der Oxalsäure wurden die homogenisierten Rhabarberbreiproben zum vollständigen Lösen der Calciumoxalat-Hydrat-Kristalle mit Salzsäure erhitzt. Die enzymatische Bestimmung der Oxalsäure erfolgte dann mittels der Testkombination E2100 und E2250 der Fa. r-Biopharm AG E2250 und photometrischen Vermessung mit dem Gerät Gallery Plus der Fa. Thermo Scientific.

Die Ergebnisse

Die einzelnen Untersuchungsjahre hatten einen starken Einfluss auf die ermittelten Gehalte an Calcium und Oxalsäure. Sowohl die absoluten Gehalte als auch die Verläufe der Zunahme an Oxalsäure unterschieden sich von Jahr zu Jahr. Welche Jahrgangsfaktoren dies bewirkten, ist nicht bekannt.

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Die Sorte ‘Goliath’ wies über alle Jahre hinweg die niedrigsten Gehalte an Oxalsäure auf und zeigte den schwächsten Anstieg der Oxalsäurekonzentration im Verlauf der Saison. Auch ‘Canada Red’ kann noch als Sorte mit niedrigem Gehalt eingestuft werden. Die Sorten ‘Holsteiner Blut’ und ‘Frambozen Rood’ zeigten über alle Jahre hinweg höhere Gehalte an Oxalsäure und einen deutlicheren Anstieg der Oxalsäurekonzentration bei späteren Ernteterminen. Wer also aus gesundheitlichen Gründen zu viel Oxalsäure vermeiden möchte, kann über die Wahl der Rhabarbersorte Einfluss nehmen.

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Die beiden Standorte in Oberfranken und in Oberbayern ergaben für die Sorte ‘Frambozen Rood’ keine signifikanten Unterschiede. Zunehmende Hitze und Einstrahlung im Juli macht dem Rhabarber ohnehin jedes Jahr zu schaffen. Die Stangen werden faserig und zäh in der Sommerhitze und sind auch aus diesen Gründen nicht mehr zur Ernte und Verwertung geeignet. Ganz falsch ist das überlieferte Wissen also nicht.

Autor:in
Birgit Rascher
AELF Fürth - Uffenheim birgit.rascher@aelf-fu.bayern.de
Autor:in
Dr. Martin Geßner
Fachzentrum Analytik, Bayerische Landesanstalt für Wein- und Gartenbau Veitshöchheim
Autor:in
Dr. Manfred Klemisch
Fachzentrum Analytik, Bayerische Landesanstalt für Wein- und Gartenbau Veitshöchheim
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