Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Neu im Gemüsebau – Teil 1

Vom Getreidefeld auf den Gemüseacker

Unsere neue dreiteilige Serie „Neu im Gemüsebau“ richtet sich an Um- und Einsteiger in den Gemüsebau. Egal ob gestandener Landwirtschaftsbetrieb mit Lust auf Diversifizierung oder Neueinsteiger im Marketgardening, unsere Experten von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen geben Tipps, wie der Start im Gemüsebau erfolgreich wird. Los gehts mit landwirtschaftlichen Umsteigern.

von Dr. Hendrik Führs, Hanna Wildenhues erschienen am 06.10.2025
Der Einstieg in die gärtnerische Produktion, mit satzweisem Anbau, verlangt einiges an Umstellung und Investition in einem Ackerbaubetrieb. © Julia Appel
Artikel teilen:

Die Grenzen zwischen landwirtschaftlicher und gartenbaulicher Produktion verschwimmen. Es gibt zunehmend Betriebe, die sowohl ackerbauliche Kulturen produzieren und/oder Viehhaltung betreiben und gleichzeitig gemüsebauliche Kulturen anbauen. Stichworte wie Diversifizierung, Selbstversorgungsgrad und Wertschöpfung spielen hier eine Rolle. Dieser Artikel gibt interessierten Neueinsteigern eine Übersicht über wichtige Fragen und Herausforderungen und beschreibt, was bei einem Neueinstieg mitgedacht werden sollte. Denn dieser sollte nach Möglichkeit unter Abwägung einer Vielzahl von Faktoren geschehen. Ein blauäugiger Start kann ansonsten kostspielig und frustrierend sein.

Ist „Spielgeld“ zum Probieren da und können Fehlschläge verkraftet werden?

Auch gemüsebauliche Spezialisten benötigen Zeit, um neue Kulturen im Anbau zu optimieren und in die betrieblichen Abläufe zu integrieren. Gerade wer ganz neu in den Gemüsebau einsteigt, sollte eine sorgfältige betriebliche Liquiditätsplanung durchführen und neben den (zusätzlichen) Kosten auch die Gefahr eines Ausfalls mit berücksichtigen. Um das Risiko zusätzlich zu minimieren, kann der Anbau zunächst auf kleiner Fläche ausprobiert werden.

Wie soll das Gemüse vermarktet werden?

Oft weckt eine potenzielle Marktlücke das Interesse für den Gemüsebau. Der Vermarktungsweg und die Möglichkeiten der Unterbringung der erzeugten Produkte im Markt sollten auf jeden Fall klar sein, bevor der Einstieg in die Produktion erfolgt. Prinzipiell gibt es verschiedene Möglichkeiten der direkten und indirekten Vermarktung. Bei der direkten Vermarktung ist der Vorteil, dass die Preisbildung deutlich stärker in der eigenen Hand liegt und nicht durch Handelspartner vorgegeben wird. Möglichkeiten für die direkte Vermarktung sind beispielsweise Hofläden und Wochenmärkte, Großhandel und Großmarkt, inhabergeführte Supermärkte oder die Gastronomie (Schulen, Kantinen).

Direkte Vermarktungswege mit direkter Kundenbindung wie zum Beispiel im Hofladen oder an Verkaufsständen ermöglichen den Aufbau einer regionalen „Betriebsmarke“ und führen zu mehr Kundenbindung. Um dies zu erreichen, sind entsprechende Investitionen in Verkaufsequipment und Werbung notwendig. Zudem ist für eine erfolgreiche Vermarktung mit direktem Kundenkontakt das Verkaufspersonal entscheidend für den Erfolg. Dieses gilt es zu finden und zu binden. Gegebenenfalls höhere erzielte Preise werden durch zusätzliche Kosten erkauft. Falls ausschließlich über Direktvermarktungswege abgesetzt werden soll, muss der Anbauumfang – gerade bei nicht lagerfähiger Ware – gut kalkuliert sein.

Die indirekte Vermarktung hingegen meint in der Regel die Vermarktung über einen Handelspartner, wie den Lebensmitteleinzelhandel (LEH). Hier können oftmals größere Mengen abgesetzt werden. Allerdings gibt es Marktzugangsvoraussetzungen, wie die Teilnahme an Zertifizierungssystemen und eine garantierte Lieferfähigkeit. Die Preisbildung liegt zudem deutlich weniger in der eigenen Hand und ist stärker an volatile Märkte gebunden. Fest steht, dass landwirtschaftliche Betriebe bei einer Umstellung auf Gemüseanbau meist auf einen bestehenden Markt treffen. Die dort agierenden Produzenten sind in der Regel schon länger am Markt und haben ihre Produktion „im Griff“.

Landwirtschaftliche Betriebe treffen bei einer Umstellung auf Gemüseanbau meist auf einen bestehenden Markt Hanna Wildenhues

Ein Einstieg in neue Gemüsearten, wie er beispielsweise in den vergangenen Jahren bei der Süßkartoffel oder Chicorée zu sehen war, sind eine besondere Herausforderung, da hier selten auf einen Erfahrungsschatz in der Branche zurückgegriffen werden kann. Hier braucht es Mut und (finanzielles) Durchhaltevermögen. Wenn es aber klappt und eine abnehmende Hand für die Produkte gefunden wird, ist der Anbau einer eher untypischen Gemüsekultur sicher eine Option. Oftmals ist der Markt jedoch begrenzt und muss gegebenenfalls erst entwickelt werden.

Anders als für viele landwirtschaftliche Produkte sind die Märkte für Gemüsekulturen auch unterjährig – also im Saisonverlauf – sehr volatil. In der Regel werden an den Saisonrändern höhere Preise etabliert. Allerdings können selbst kleinere Änderungen im Anbauumfang für bestimmte Produkte substanzielle Änderungen im Preis zur Folge haben. Zudem sind die Märkte durch den Anbau und das Einkaufsverhalten des Handels im europäischen Ausland geprägt. Europäische Wetterbedingungen mit Auswirkungen auf die Marktverfügbarkeit von Gemüse nehmen so auch Einfluss auf in Deutschland produzierte Ware.

Welches Gemüse soll produziert werden?

Je nachdem welches Gemüse produziert werden soll, ergeben sich die Rahmenbedingungen, die es zum Einstieg in den Anbau zu klären gilt. Daraus lassen sich der Investitionsbedarf, aber auch weitere Bedarfe wie Fachkräfte, Saisonarbeitskräfte, Sozialräume, Lagerhallen und vieles mehr ableiten. Der Einstieg in den sogenannten Feldgemüsebau ist meist investitionsärmer. Wenn ein Betrieb bereits Kulturen anbaut, die mit Rodetechnik geerntet werden können und die lagerfähig sind, kämen beispielsweise im Anbauverfahren ähnliche Kulturen wie Möhren oder Zwiebeln infrage. Hier sind vergleichsweise geringe betriebliche Anpassungen notwendig. Oftmals fungieren solche Kulturen aufgrund ihrer Wachstumsdauer wie im Ackerbau als Hauptkultur und werden von Zwischenfruchtanbau nach Hauptfrucht flankiert.

Lagerfähige Kulturen mit langer Standdauer, wie Möhren oder Zwiebeln, sind meist deutlich einfacher in den bestehenden Betrieb zu integrieren.
Lagerfähige Kulturen mit langer Standdauer, wie Möhren oder Zwiebeln, sind meist deutlich einfacher in den bestehenden Betrieb zu integrieren. © Natalie Krampfl

Anders sieht es bei Kulturen aus, die im satzweisen Anbau (eine Fläche wird sukzessive belegt) und mit einer unterjährigen Fruchtfolge auf der gleichen Fläche (also Gemüse nach Gemüse innerhalb eines Jahres auf einer Fläche) angebaut werden und die häufig keine oder nur geringe Lagerfähigkeit haben. Eine gewisse Lagerdauer kann über Kühlräume und Lager erreicht werden, um unter anderem die saisonale Vermarktungssituation zu entspannen. Allerdings ist eine Lagerung über einige Tage bis maximal zwei Wochen hinaus in der Regel nicht ohne zu große Qualitätsverluste möglich.

Viele Blattgemüse beispielsweise müssen kurz nach der Ernte in den Verkauf gelangen, um Qualitätsanforderungen zu erfüllen. Viele dieser Gemüsearten müssen zudem manuell geerntet werden. Zwar gibt es in vielen Bereichen technische Unterstützung, Ernte und Aufbereitung der Ware sind jedoch im Vergleich zu klassischen Ackerbaukulturen arbeitsaufwendig. Je nach Gemüseart liegen die Lohnkostenanteile gemessen am Gesamtaufwand zwischen 30 % und 60 %.

Dieser satzweise und unterjährige Anbau ist bei der Vermarktung über den Handel auch deswegen notwendig, weil seitens der abnehmenden Hand eine kontinuierliche Marktbelieferung gefordert wird. Kann einmal nicht geliefert werden, muss Ware zugekauft werden, um lieferfähig zu bleiben. Diese Lieferfähigkeit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen, um zum Beispiel im LEH gelistet – also als Lieferant aufgenommen – zu werden.

Wie im Ackerbau gibt es auch für Gemüse Qualitätsanforderungen. So stellen EU- und UNECE-Normen Mindestanforderungen an die äußere Qualität von Gemüse. Darüber hinaus sorgen der Markt und die Verbrauchernachfrage für weitere Anforderungen, zum Beispiel hinsichtlich der Ausfärbung, der Größe oder des Gewichtes der verschiedenen Gemüsearten. Zudem muss das Gemüse nach Gesetzeslage gesund, praktisch frei von Schädlingen, frei von Fremdbesatz und Fremdgeruch etc. sein. Gerade Einschränkungen im Bereich Pflanzenschutz, in der Verfügbarkeit und den Einsatzmöglichkeiten von Pflanzenschutzmitteln, führen zunehmend zu großen Herausforderungen und immer begrenzteren Möglichkeiten beim Resistenzmanagement.

Durch den Wegfall bestimmter Pflanzenschutzmittel ist bereits jetzt spürbar, dass bestimmte Salate kaum noch blattlausfrei produziert werden können. Im Bereich des Düngerechtes kann es zu Einschränkungen bei der Düngung kommen (Stichwort „Rote Gebiete“), sodass der Stickstoffversorgung – ebenfalls ein wichtiger Faktor für die Qualitätsbildung – besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss. Ein weiterer und mit Sicherheit in der Bedeutung zunehmender Faktor ist die Wasserversorgung der Kultur. Die Möglichkeit der Bewässerung muss in der Regel gegeben sein, um überhaupt produzieren zu können.

Der Einstieg in den gärtnerischen Gemüsebau ist mit umfangreichen Überlegungen und Anpassungen verbunden Dr. Hendrik Führs

Vor dem Hintergrund dieser Vielzahl an Aspekten wird deutlich, dass ein Einstieg in den gärtnerischen Gemüsebau (im Unterschied zu den zuvor genannten Feldgemüsearten Zwiebel und Möhre) mit deutlich umfangreicheren Überlegungen und Anpassungen verbunden ist. Arbeitskräfte müssen verfügbar sein und gegebenenfalls untergebracht werden, Anbaupläne und Liefertermine müssen eingehalten und Qualitätsanforderungen jederzeit erfüllt werden. Hinzu kommt, dass bei einer Lieferung an den LEH in der Regel eine Teilnahme an Zertifizierungssystemen (QS, GobalGAP und ähnlichem) erfolgen muss, um überhaupt als Lieferant fungieren zu können.

Welche Produktions-Voraussetzungen liegen im Betrieb vor?

Diese Frage lässt sich in drei Unterpunkte aufteilen: technische und personelle Ausstattung, Flächenausstattung und Beregnungsfähigkeit. Auch wenn der letzte Punkt Beregnungsfähigkeit ist, so muss dieser doch als K.-o.-Kriterium gewertet werden. Ohne die Möglichkeit der Beregnung ist Freilandgemüsebau kaum möglich. Bereits bei Aussaat und Pflanzung ist ein Angießen der Kultur notwendig. Hitzeperioden erfordern zudem eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Bewässerungssystems.

Die technische und personelle Ausstattung muss über eine Bestandsaufnahme mit Blick auf das Gemüse betrachtet werden, das angebaut werden soll. Es kann hilfreich sein, Betriebe zu besuchen, die die gewünschten Kulturen bereits anbauen und sich dort Tipps zu holen. Ziel sollte sein, eine Liste mit notwendigen Investitionen zu erhalten, um darauf aufbauend einen Finanzierungsplan zu erstellen. Auch muss geschaut werden, wie die Arbeitskraftverfügbarkeit ist und ob es notwendig ist, Arbeitskräfte auf dem Betrieb oder in betriebseigenen externen Unterkünften unterzubringen.

Die Flächenausstattung meint hier die Zusammensetzung aus Eigen- und Pachtflächen, die Möglichkeiten zum Flächentausch, die Möglichkeiten der Beregnung, die Befahrbarkeit im Frühjahr und die Eignung der jeweiligen Bodengegebenheiten (Tiefgründigkeit, Bodenart und -struktur) für den Anbau bestimmter Gemüsearten. Eine ausreichende Verfügbarkeit geeigneter Flächen ist aus phytosanitärer Sicht besonders wichtig, um eine Anreicherung von Schaderregern durch zu enge Fruchtfolgen zu minimieren.

Bin ich wirklich bereit, diesen Weg einzuschlagen?

Gerade mit Blick auf Gemüse, das einer intensiven Betreuung bedarf und Arbeitskräfte benötigt, ist es sinnvoll als Betriebsleiterin oder Betriebsleiter zusammen mit der Familie noch einmal in sich zu gehen und sich abschließend zu fragen, ob man diesen neuen Weg einschlagen möchte. Wer gut vorbereitet ist und sich für diesen Weg entscheidet, kann sich durch den Einstieg in den Gemüsebau viele Chancen für den eigenen Betrieb eröffnen, auch wenn zweifellos viele Herausforderungen vorhanden sind.

Neu im Gemüsebau So gehts weiter

Im Dezember und Januar geht es weiter mit unserer Serie. Zum Jahresende steht der Quereinstieg in den Gemüsebau mit Solawi, Marketgardening & Co. im Fokus: Was muss ich bei der Gründung beachten und welche Fallstricke lauern? Den Abschluss bildet dann im Januar eine Übersicht über notwendige Versicherungen, Finanzierungsmöglichkeiten, Beratung und Fortbildungen für Neu- und Quereinsteiger im Gemüsebau.

Autor:in
Hanna Wildenhues
Landwirtschaftskammer Niedersachsen hanna.wildenhues@lwk-niedersachsen.de
Autor:in
Dr. Hendrik Führs
Landwirtschaftskammer Niedersachsen hendrik.fuehrs@lwk-niedersachsen.de
0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren