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57. Herbsttagung des deutschen Gemüsebaus

Die Zukunft des Gemüsebaus im Fokus

Die 57. Herbsttagung der Fachgruppe Gemüsebau in Hofheim/Taunus stand unter dem Motto: Deutscher Gemüsebau im Krisenmodus – Auch zukünftig dem Markt gewachsen? Eine große Rolle bei der Zukunftsfähigkeit der Landwirtschaft spielt der Klimawandel.

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Durch die EU-Taxonomie wird nachhaltiges Wirtschaften belohnt.
Durch die EU-Taxonomie wird nachhaltiges Wirtschaften belohnt.hkama – stock.adobe.com
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Frank Böttcher vom Institut für Wetter- und Klimakommunikation erklärte in einem mitreißenden Vortrag unter anderem, wie der Ausstoß von Treibhausgasen mit dem Klimawandel zusammenhängt.

1,5?°C-Ziel kaummehr erreichbar

Derzeit befindet sich ein historisch hoher Gehalt an CO2 in der Atmosphäre, welcher aufgrund menschlicher Einflüsse immer weiter erhöt wird. CO2 wird in Kälte gebunden und bei Wärme freigesetzt. Gleichzeitig ist CO2 in der Atmosphäre ein Temperaturtreiber, sodass immer mehr des schädlichen Treibhausgases in kühleren Regionen dieser Erde freigesetzt wird.

„Das ist reine Physik“, erläuterte  Böttcher und machte darauf aufmerksam, dass wir auch mindestens in den kommenden 30 Jahren Temperaturanstiege verzeichnen werden – selbst wenn wir sofort den Ausstoß weiterer Treibhausgase stoppen würden. „Das Klimasystem kippt durch unseren Einfluss“, ist sich der Meteorologe sicher. Bis 2050 dürfte kein einziges CO2-Molekül mehr emittiert werden, um das viel beschworene 1,5?°C-Ziel noch einzuhalten.

Wir haben bereits in der Vergangenheit angeschoben, dass der Meerespiegel unweigerlich steigen wird; besonders in wärmeren Regionen dieser Erde, da sich der Wasserkörper unter Einfluss von Wärme stärker ausdehnt. Aber auch Küstenregionen in Europa wie die Niederlande oder Norddeutschland werden betroffen sein. Damit gehen nicht nur Siedlungs- sondern auch Produktionsflächen verloren.

Böttcher prognostizierte, dass voraussichtlich 2050 das erste Jahr ohne schwimmendes Eis in der Arktis sein werde. Und auch unsere Gletscher verlieren wir nach und nach und damit die Trinkwasserversorgung zum Beispiel in Süddeutschland über den Bodensee.

Gemüseanbau verschiebt sich nach Norden

Aufgrund des Klimawandels werden Hitzewellen verstärkt auftreten. Wenn sich die Welt um 4?°C erwärmt, dann werden die Temperaturen während Hitzewellen um 10?°C höher liegen als heute. Ein Vorgeschmack darauf lieferte der Hitzesommer 2022 in Europa. Mit der Hitze und der zunehmenden Trockenheit im Frühjahr werden sich Anbaugebiete auch für Gemüse weiter nach Norden verschieben.

Dürre wird zum Hauptproblem während der Vegetationsphase. Gleichzeitig nehmen Starkregenereignisse zu. Das Thema Wasser muss also völlig neu gedacht werden. Der Meteorologe empfahl, sich schnellstmöglich noch um Nutzungsrechte für die Grundwasserentnahme zu kümmern. Seiner Einschätzung nach, wird es solche Genehmigungen bald nicht mehr geben. Gleichzeitig müssten Möglichkeiten geschaffen werden, um (Stark-)Niederschläge zu speichern.

Mit der Wärme kommen auch neue Schaderreger zu uns, deren natürliche Gegenspieler fehlen. Klassische Sorten kommen mit dem Trockenstress nicht klar. Und auch die Hitzelast in Gewächshäusern steigt weiter an. Mit dem Klimawandel nehmen also auch die Herausforderungen für den Gemüsebau zu. „Zögerliches Handeln verschlimmert die Lage!“, warnte daher Frank Böttcher zum Abschluss seines Vortrags.

Nachhaltigkeit im Gemüsebau

Prof. Dr. Enno Bahrs von der Uni Hohenheim nahm die Teilnehmer mit in die Welt des Green Deals, genauer gesagt in die EU-Taxonomie. Dahinter verbirgt sich eine Nachhaltigkeitsstrategie der EU, die auch Auswirkungen auf den Gemüsebau haben wird. Noch gibt es für den Bereich der Landwirtschaft keine Beschlüsse und entsprechend kein Regelwerk, Bahrs wagte dennoch eine Einschätzung, was den Gemüsebau künftig erwarten könnte.

Im Zuge der EU-Taxonomie sollen  nachhaltig produzierte Produkte den Vorzug erhalten. Dies wird möglich durch ein spezielles Punktessystem, mit dem Nachhaltigkeit bewertet werden soll. Zur Nachhaltigkeit zählen dabei neben der Ökologie auch die Ökonomie und der soziale Bereich. Werden Verbesserungen in einer der drtei Säulen vorgenommen, dürfen die verbliebenen zwei Bereiche nicht negativ dadurch beeinflusst werden.

Bei der EU-Taxonomie hängt alles mit allem zusammen. So werden beispielsweise auch Banken und große Unternehmen anhand ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen bewertet werden, die sie in jährlichen Berichten nachweisen müssen. Ein großer Lebensmitteleinzelhändler oder Discounter erhält beispielsweise nur noch dann die günstigsten Kreditkonditionen, wenn er neben eine exzellenten Bonität auch exzellente Nachhaltigkeitswerte vorweisen kann.

Diese wiederum erzielt er dadurch, dass er nur solche Produkte in sein Sortiment aufnimmt, die wiederum selbst eine sehr hohe Nachhaltigkeitsbewertung mitbringen. Das können beispielsweise Produkte mit einem sehr kurzen Transportweg oder aus ökologischer Produktion sein. Dadurch gerät beispielsweise Gemüse aus Südeuropa in eine schlechtere Position gegenüber heimisch produzierter Ware.

EU-Taxonomie auch als Chance verstehen

Auch Gemüsebaubetriebe in Deutschland und deren Produkte werden auf diese Weise eingestuft werden. Für eine bessere Bewertung könne es laut Bahrs helfen, trotz geringerer finanzieller Vorteile in der GAP 2023-2027, an Eco-Schemes oder Maßnahmen der 2. Säule teilzunehmen. Auch eine Umstellung auf ökologische Produktion bringt in diesem Zusammenhang Vorteile.

Wer zudem regenerative Energie auf seinem Betrieb produziert, wird ebenfalls besser bewertet; ebenso wie der effizientere Einsatz von Betriebsmitteln. Hierbei leisten die Digitalisierung und Automatisierung große Schützenhilfe. Um den Einsatz der Technik effizient zu gestalten, werden arondierte Flächen noch mehr an Bedeutung gewinnen. Da deutsche Gemüseproduzenten sehr technikaffin seien, hätten sie auch hier Vorteile gegenüber anderen Ländern, ist sich Bahrs sicher.

Der Hohenheimer Agrarökonom hat die Hoffnung, dass der Gemüsebau durch diese Entwicklungen weiter an Attraktivität für den Berufsnachwuchs gewinnt. Zudem solle man die EU-Taxonomie nicht nur als Gegner, sondern auch als Förderer verstehen. Immerhin würde dadurch Obst und Gemüse aus dem Ausland schlechter bewertet.