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Interview mit Christoph Felgentreu

Die Zwischenfrüchte ernst nehmen

Christoph Felgentreu ist seit 2020 Mitglied im Vorstand der Interessengemeinschaft gesunder Boden e. V.. Als Experte für Zwischenfruchtanbau hat er uns im Interview erzählt, auf was es bei der Wahl der Zwischenfrüchte ankommt und was sie alles für den Boden und die Kulturpflanzen tun können – wenn sie richtig angebaut werden.

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Appel
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»Gemüse«: Herr Felgentreu, wie bestimme ich die richtige Zwischenfrucht für meinen Betrieb? Und setze ich lieber nur auf eine oder doch besser auf ein Gemenge? 

Christoph Felgentreu: Grundsätzlich ist eine biodiverse Mischung von deutlichem Vorteil, das zeigen auch neueste Ergebnisse aus dem CATCHY-Projekt, was vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wurde. Dort hat man herausgefunden, dass nicht nur die Kohlenstoffanreicherung im Boden, sondern auch die Bodenbiologie sowie die Nährstoffverfügbarkeit für die nächste Kultur von biodiversen Mischungen deutlich verbessert werden. Wir kriegen also einen ganz anderen Cocktail an Nährstoffen aufgeschlossen, weil jede Pflanzenart etwas anderes macht. Es ist allerdings nicht nur arten-, sondern auch sortenspezifisch. Man muss zudem schauen, wie die einzelnen Sorten auf dem Standort reagieren. Aber grundsätzlich sind biodiverse Mischungen einzelnen Kulturen oder Mischungen mit wenigen Komponenten immer vorzuziehen. Die Bestimmung der richtigen Mischung ist allerdings nicht ganz einfach, weil jede Pflanzenart andere Ansprüche an den Standort und an den Platz hat. Zusätzlich kommt es darauf an, wie die Jugendentwicklung der einzelnen Pflanzen ist. Manche laufen schneller auf, manche etwas langsamer. Und dann entsteht natürlich Konkurrenz um Platz und um Licht. Die große Kunst ist es, die Mischung so zu kreieren, dass alle eine Chance haben. Ziel ist es, am Schluss nicht nur einen geschlossenen Bestand zu haben, weil ich will ja auch eine Unkraut unterdrückende Wirkung haben, sondern ich will zudem, dass alle Zwischenfrüchte, die ich vorgesehen habe, letztlich einen Platz haben und im Bestand wiederzufinden sind. 

»Gemüse«: Was müssen Gemüsebetriebe im Speziellen beachten?

Christoph Felgentreu: Normalerweise, wenn ein Betrieb keine Probleme mit bodenbürtigen Krankheiten oder Schadnematoden hat, dann kann er ganz biodivers unterwegs sein und muss auf fast nichts Rücksicht nehmen. Wann man sehr sensibel sein muss, ist, wenn bestimmte Krankheiten da sind oder auch ein Schädlingsdruck vorhanden ist. Das entsteht ja meist dadurch, dass man sehr einseitig in der Fruchtfolge ist. Wer also zum Beispiel intensiv Kohl anbaut und mit Kohlhernie zu kämpfen hat, der sollte auf Kreuzblütengewächse in den Mischungen unbedingt verzichten. Wer das nicht hat, kann ruhig Kreuzblütengewächse miteinbauen, denn das hat auch Vorteile. Die Bodenbiologie, die so ein Kohl braucht, wird damit schon von den anderen Kreuzblütengewächsen vorbereitet. Und wenn es zu Krankheiten oder Schädlingen kommt, sind meist  schon die richtigen Gegenspieler vorhanden. Wichtig zu beachten ist beim Zwischenfruchtanbau ebenfalls der richtige Aussaattermin. Man muss also den Termin so wählen, dass die Vegetationszeit ausreicht, um den größtmöglichsten Nutzen aus der Zwischenfrucht zu ziehen. Es nützt uns ja nichts, wenn man einen Haufen Geld ausgegeben hat, die Pflanze dann aber nur handhoch ist und kleine Wurzeln hat. Es gilt also vorab rechtzeitig und richtig zu planen, welche Zwischenfrucht zwischen meine Hauptfrüchte passt und welche Mischungspartner sich dabei gut ergänzen. Und wenn das vollbracht ist, liegt es nur noch an dem, der aussät, dass das professionell gemacht wird. Schlampig bestellte Zwischenfrüchte sind meist nicht von Erfolg gekrönt. Eine Zwischenfrucht sollte man schon ernst nehmen und man sollte für sie Bedingungen schaffen, wie man sie für eine Hauptkultur auch schafft.  

»Gemüse«: Wohin mit den Zwischenfrüchten, die ihre Dienste auf dem Acker geleistet haben?

Christoph Felgentreu: Es gibt verschiedene Ansätze. Es gibt Landwirte, die sie einfach stehen lassen und beim ersten Frost niederwalzen. Damit überlassen sie das oberirdische Material dem Bodenleben. Wenn ein gutes Bodenleben vorhanden ist, kümmert sich das dann um diese Organik. Gerade im Herbst/Winter findet dort das große Fressen statt. Und im Frühjahr ist dann meist davon nichts mehr zu sehen. Ansonsten kann man die Zwischnfrüchte auch möglichst lange stehen lassen. Man muss nur in Stressjahren mit viel Trockenheit darauf achten, dass sie nicht zu schnell in die Blüte gehen und Samen bilden. Da könnte dazu führen, dass sie in der nächsten Saison dann als Unkraut auftreten. In so einer Situation muss ich die Zwischenfrucht beenden, indem ich rechtzeitig abmähe, also am besten kurz vor der Blüte oder ich muss es abmulchen. Das ist aber für mich persönlich die letzte Option, die man wählen sollte, weil die Geräte das Material, wenn es noch zu wässrig ist, vermusen und nicht richtig verteilen. Dabei kann es passieren, dass es zur Häufchenbildung kommt und Fäulnis entsteht. Das ist die eine Sache. Es kann aber auch passieren, dass das Material Pflanzensaft verliert, was bei Trockenheit nicht schlimm ist. Sobald es aber regnet, wird dieser Saft in den Boden gewaschen und schiebt damit eine Biologie an, die man eigentlich nicht gefördert haben will. Mulchen sollte man daher nur bei wirklich trockenen und eher windigen Bedingungen. Eine andere Möglichkeit ist es, das Material sehr flach zu bearbeiten mit Grubbern, Kurzscheibeneggen oder Fräsen, um auch hier wieder zu vermeiden, das grüne Material in den Boden einzuarbeiten und die Bodenbiologie auf den Kopf zu stellen. Man lässt das Material also auch hier liegen, sodass es ebenfalls von den Organismen im Boden abgebaut wird. Das Ganze kann man gut steuern. Wenn man das sehr früh macht, hat das einen sogenannten Priming-Effekt, das heißt, die Folgekultur kann die Nährstoffe daraus gleich nutzen. Man kann es aber auch verlangsamen, indem man das Material länger stehen lässt, auch über den Winter und dann ein weites C/N-Verältnis bekommt. Das wird vor allem im Wasserschutzgebieten gemacht, um den Stickstoff vor Auswaschung zu schützen.     

»Gemüse«: Kann ich denn an Dünger sparen, wenn ich mit Zwischenfrüchten arbeite?

Christoph Felgentreu: Aber gewaltig. Sie können auf der einen Seite Stickstoff produzieren über die Leguminosen beispielsweise. Sie können aber auch Stickstoff akkumulieren, recyceln oder neugewinnen. Und gerade über die Interaktion mit der Biologie werden natürlich auch Nährstoffe freigesetzt, die die Pflanze sonst eher nicht erreicht. Wenn wir einen gut strukturierten Boden und eine gut etablierte Mischung haben, können wir davon ausgehen, dass die Austragung von Nährstoffen gegen null geht. Wenn das alles gelingt, dann geht da richtig die Post ab. Nicht nur weil man als Betrieb den Input verringern kann bei gleichbleibenden oder sogar steigenden Erträgen. Das ist das eine. Das andere ist, dass die Bestände gleichzeitig immer gesünder werden und gesunde Bestände brauchen wiederum auch wieder weniger Pflanzenschutz. Und das bedeutet weniger Stress für Pflanze und Boden. Letztlich stabilisiere ich damit immer weiter die Lebensgemeinschaften in den Böden und diese im Gegenzug immer weiter die Pflanzen.   

»Gemüse«: An wen kann sich denn ein Betrieb wenden, wenn er Unterstützung in der Zusammensetzung seiner Zwischenfruchtmischungen benötigt?

Christoph Felgentreu: Es gibt da verschiedene Möglichkeiten. Zum einen kann man sich an die Offizialberatung wenden. Möglich sind auch private Berater oder Firmen. Man findet allerdings auch im Internet jede Menge Stellen, wo man Informationen und Beratungsangebote beziehen kann. Baden-Württemberg hat zum Beispiel eine super Website, wo man sich über einen Rechner seine Mischung individuell zusammenstellen lassen kann. Da wird aber in der nächsten Zeit noch einiges mehr online passieren, weil einfach der Bedarf der Landwirtschaft da ist.

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