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Für mehr biologische Vielfalt

Blühbotschafter und Landwirte tauschen sich aus

Blühbotschafter engagieren sich ehrenamtlich für den Schutz von Insekten, indem sie sich in ihrem Umfeld für artenreiche Grünflächen einsetzen. Beim Besuch von Höfen lernten sie Möglichkeiten der Landwirtschaft und deren Begrenzungen bei der Insektenförderung kennen.

von Bodensee-Stiftung erschienen am 24.06.2025
Biodiversität zeigt sich auch im Boden: Bei ihrer Exkursion zu landwirtschaftlichen Betrieben lernten die Blühbotschafter das Bodenleben kennen. Nicole (links) und Robert Hugger (rechts) zeigten ihnen Betriebsflächen in Altshausen-Stuben. Saskia Wolf (zweite von links), Projektleiterin bei der Bodensee-Stiftung, hatte zu der Fortbildung eingeladen. © Bodensee-Stiftung/Anja Wischer
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Biologische Vielfalt ist eine Grundlage für das menschliche (Über-)Leben. Doch jährlich sterben aufgrund des Rückgangs an Nahrung und Lebensräumen Tier- und Pflanzenarten aus. Ein Hauptverursacher: die intensive Landwirtschaft. Schnell wird deshalb ein Urteil über Landwirtinnen und Landwirte gefällt. „Warum lässt der nicht wenigstens einen Streifen am Ackerrand blühen“, hat sich zum Beispiel Blühbotschafter Bernhard Korber aus dem Allgäu schon oft beim Spazierengehen gefragt. Eine mehrteilige Online-Fortbildung und ein Praxistag auf landwirtschaftlichen Betrieben, zu denen die Bodensee-Stiftung eingeladen hatte, schufen Verständnis. „Das Leben ist nicht nur schwarz und nicht nur weiß, das wurde heute mal wieder sehr deutlich“, sagte Korber, der als Vorsitzender eines Kleingartenvereins immer wieder erfährt, wie wichtig ein wertschätzender Austausch ist.

„Landwirtschaft ist unfassbar komplex“

Hubert Lorinser aus Dinnenried und Nicole und Robert Hugger aus Altshausen-Stuben hießen die ehrenamtlichen Naturschützer auf ihren Höfen willkommen und zeigten, welche Maßnahmen sie auf Betriebsflächen zum Wohl von Insekten umsetzen oder gerne umsetzen würden, was aber aus politischen oder ökonomischen Gründen (noch) nicht möglich ist. „Landwirtschaft ist unfassbar komplex“, hatte Saskia Wolf schon in der Einladung betont. Die Projektleiterin der Bodensee-Stiftung hat zum einen bereits viele Blühbotschafter aus- und weitergebildet, zum anderen hat sie schon zahlreiche Landwirte in Projekten begleitet. Mit der Fortbildung vermittelte sie einen Einblick in diese Komplexität.

Biodiversitäts-Pädagogin Nicole Hugger zeigt, welche Maßnahmen sie auf einer Pferdeweide umgesetzt hat, um Insekten mehr Nahrung und Lebensraum zur Verfügung zu stellen – zum Beispiel mit Bienenhotel und Benjeshecke.
Biodiversitäts-Pädagogin Nicole Hugger zeigt, welche Maßnahmen sie auf einer Pferdeweide umgesetzt hat, um Insekten mehr Nahrung und Lebensraum zur Verfügung zu stellen – zum Beispiel mit Bienenhotel und Benjeshecke. © Bodensee-Stiftung/Anja Wischer

Biodiversität spielte in der Ausbildung keine Rolle

Nicole Hugger und Hubert Lorinser haben sich an der Bauernschule Bad Waldsee zu Biodiversitäts-Pädagogen ausbilden lassen. Nun versuchen sie, auf ihren Betrieben Erfahrungen zu sammeln und diese weiterzugeben. „Tiere wie Schwebfliegen oder Käfer habe ich früher gar nicht so wahrgenommen“, gesteht Lorinser, der auf 27 ha Ackerbau betreibt. „Biodiversität spielte keine Rolle in der Ausbildung“, erinnert er sich. Heute ist ihm wichtig, biodiversitätsfördernde Strukturen wie Hecken, Blühflächen oder Brachen auf seinem Gelände anzulegen.

Daniela Schröfel aus Bartholomä würdigte das Engagement. „Ich lebe auf dem Dorf mit und wir alle leben von der Landwirtschaft.“ Als Bürgerin und als Biodiversitäts-Pädagogin wolle sie die Gründe für landwirtschaftliche Praktiken verstehen, nicht Fronten verhärten. „Kommunikation ist alles“, betonte sie ihre Motivation für die Teilnahme an der Fortbildung. In den Vorträgen vorweg hatte Saskia Wolf den Ehrenamtlichen die geschichtliche Entwicklung der Landwirtschaft, aktuelle politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen, die Bedeutung von Biodiversität und Auswirkungen des Klimawandels auf die Landwirtschaft nähergebracht.

Robert Hugger (rechts) erprobt auf seinen Feldern viele verschiedene Maßnahmen, um für Insekten Nahrung und Lebensraum zu schaffen. Im Gerstenfeld zeigte er den Blühbotschaftern die Untersaat, die zu keimen begann.
Robert Hugger (rechts) erprobt auf seinen Feldern viele verschiedene Maßnahmen, um für Insekten Nahrung und Lebensraum zu schaffen. Im Gerstenfeld zeigte er den Blühbotschaftern die Untersaat, die zu keimen begann. © Bodensee-Stiftung/Saskia Wolf

Hubert Lohrinser will sein Engagement noch ausbauen: „Wir müssen von punktuellen Maßnahmen wegkommen“, betont er. Die Vernetzung müsse besser gelingen, sodass Tiere leichter versiegelte oder durch Ackerbau für sie unattraktive Flächen überspringen können. Das Prinzip ist ihm auf seinem Hofgelände wie auch auf den bewirtschafteten Flächen wichtig. Nicht ohne Stolz zeigte er den Blühbotschaftern seine Erfolge, zum Beispiel eine vierjährige Blühfläche auf seinem Hof, die vor Farben, Vielfalt und summenden Insekten strotzt. Aber auch ein kleines Biotop mit Blühwiese und einem Wäldchen, das er mit Holunder, wolligen Schneeball, Liguster, Esche, Kirschbäumen, einem Steinhaufen und einer einladenden Holzbank ergänzt hat. „Das ist ein Idealbild dafür, wie Biodiversität gefördert werden und gleichzeitig auch der Öffentlichkeit ihre Wirkung vermittelt werden kann“, sagte Saskia Wolf anerkennend.

Ökonomie versus Ökologie

Der 65-jährige Landwirt erlaubt sich, Maßnahmen zu erproben, auch wenn er damit Ertragseinbußen in Kauf nehmen muss. Dagegen lastet der ökonomische Druck auf dem Betrieb in Stuben. Mit drei Kindern in Ausbildung und hohem Investitionsbedarf auf dem Hof, den sie 2014 übernommen haben, müssen Nicole und Robert Hugger oft zwischen ökonomischen und ökologischen Interessen abwägen. Robert Hugger arbeitet neben 30 ha Grünland- und Ackerbau sowie Milchviehhaltung in Teilzeit außerhalb des Hofs, Nicole Hugger bietet tiergestützte Pädagogik an und lädt mit Kühen, Ponys, Schafen, Ziegen, Meerschweinchen, Hühnern, Katzen und Hund Amy Kinder und Erwachsene zu verschiedenen Förder-, Coaching- und Freizeitformaten ein.

Hubert Lorinser hat sowohl auf landwirtschaftlich genutzten Flächen als auch am Hof selbst Maßnahmen umgesetzt, die bestäubenden Insekten Nahrung und Lebensraum bieten. Im Bild zeigt er auf eine Blühwiese am Rande eines Wäldchens, die er angelegt hat.
Hubert Lorinser hat sowohl auf landwirtschaftlich genutzten Flächen als auch am Hof selbst Maßnahmen umgesetzt, die bestäubenden Insekten Nahrung und Lebensraum bieten. Im Bild zeigt er auf eine Blühwiese am Rande eines Wäldchens, die er angelegt hat. © Bodensee-Stiftung/Anja Wischer

Teils wird landwirtschaftliche Biodiversitätsförderung von der Agrarpolitik finanziell honoriert, teils aber auch nicht. „Mir tut das im Herzen weh, dass wir nicht mehr umsetzen können“, sagte Robert Hugger den Blühbotschaftern bedauernd, und doch zeigten die Huggers ein Bündel von Maßnahmen, mit denen sie Insekten Nahrung und Lebensraum anbieten. Zum Beispiel ein „Wildwuchs“ mit Benjeshecke, altem Baumbestand und Bienenhotel auf einer früheren Pferdeweide. „Ein Anblick, an dem wir uns laben können“, sagte eine Blühbotschafterin lachend, auch wenn Nicole Hugger noch nicht zufrieden mit dem Ergebnis ihres „Biodiversitätsparks“ ist. Dankbar nahm sie Anregungen für die Pflege aus dem Kreis der Blühbotschafter an.

Biodiversität unter der Bodenoberfläche

Groß ist das Interesse auch an der Bodenbiodiversität: „Das ist hoch spannend“, betonte Robert Hugger mit ansteckender Begeisterung. Wie sehr sich der Boden einer intensiv bewirtschafteten Fläche von dem einer Brachfläche unterscheidet, konnten die Blühbotschafter im Vergleich direkt auf dem Feld betrachten: In letzterer ist die Bodenstruktur wesentlich lockerer, viel mehr Regenwürmer kriechen aus der gleichen Menge Boden. Mit veränderten Anbaumethoden will Robert Hugger die Bodenfruchtbarkeit verbessern.

Beide besuchten Betriebe wollen nicht missionieren, hoffen aber, in ihrem Umfeld zum Umdenken, zumindest zum Hinterfragen üblicher Praktiken zu bewegen. Und damit haben die Landwirte viel mit den Blühbotschaftern gemein. „Jeder muss seinen Weg finden“, sagte Nicole Hugger – ein Ansatz, den nicht nur Bernhard Korber im Kleingartenverein verfolgt.

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