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2018: Herausforderungen an allen Ecken und Enden

Auf ein Jahr mit vielen Extremen schaut die genossenschaftliche Obst- und Gemüsewirtschaft in Baden-Württemberg zurück: Nicht nur die außergewöhnliche Hitze und langanhaltende Trockenheit stellten die Erzeuger im Jahr 2018 vor sehr große Herausforderungen. Auch die Vermarktung erwies sich aufgrund eines reichlichen Angebots und des hohen Wettbewerbsdrucks als schwierig. Dadurch gerieten die Preise unter Druck und die Erlöse deckten mitunter noch nicht einmal die Erntekosten.

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Appel
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„Das Jahr 2018 zeigt sehr deutlich, wie vielfältig die Herausforderungen für die Erzeuger sind“, betonte Dr. Roman Glaser, Präsident des Baden-Württembergischen Genossenschaftsverbands (BWGV), auf der Jahrespressekonferenz der baden-württembergischen Obst-, Gemüse- und Gartenbaugenossenschaften in Karlsruhe.

Insgesamt 143.000 Tonnen Obst haben die genossenschaftlichen Erzeugermärkte im Jahr 2018 vermarktet. Das sind 34.000 Tonnen oder 21 Prozent weniger als im ohnehin schon sehr schwachen Vorjahr.

Auf einem stabilen Niveau präsentiert sich dagegen die genossenschaftliche Gemüsewirtschaft: Insgesamt wurden 86.000 Tonnen zur Vermarktung angeliefert, zwei Prozent mehr als im Vorjahr. Das differenzierte Bild zeigt sich auch beim Umsatz: Der Gesamtumsatz der genossenschaftlichen Erzeugergroßmärkte und ihrer Vertriebsgesellschaften belief sich auf 407 Millionen Euro, ein Rückgang um rund 36 Millionen Euro oder acht Prozent. Die Obstumsätze lagen 2018 bei 142 Millionen Euro (Vorjahr: 179 Millionen Euro) – ein Minus von rund 20 Prozent. Gemüse erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 233 Millionen Euro (Vorjahr: 226 Millionen Euro) – ein Plus von knapp drei Prozent.

Hoher Preisverfall bei Erdbeeren

Für die Erdbeererzeuger war 2018 ein schwieriges und wenig zufriedenstellendes Jahr: Hitze und hohe Temperaturen erschwerten die Produktion und führten teilweise zu Sonnenbrandschäden auf den Früchten. Der zeitliche Ernteabstand zwischen Tunnelanlagen, Anlagen mit Folien- und Vliesabdeckungen sowie Freilandfeldern schmolz zudem zusammen. Dies sorgte für große Tagesanlieferungen. Hinzu kam, dass der Lebensmittelhandel noch mit Importware eingedeckt war. So fanden die Verbraucher die heimischen Erdbeeren bei manchen Handelspartnern erst mit zwei Wochen Verspätung. Diese Faktoren führten zu einem dramatischen Preisverfall gleich zu Beginn der Vermarktungssaison.

Der durchschnittliche Kilopreis lag bei 2,20 Euro. In 2017 lag er einen Euro höher bei 3,19 Euro. „Zu diesem Preis ist allein die Ernte nicht mehr kostendeckend; dennoch müssen die Früchte aus den Feldern gebracht werden, um den Produktionsstandort Natur gesund zu halten“, machte Glaser die schwierige Situation deutlich. 10.800 Tonnen Erdbeeren vermarkteten die genossenschaftlichen Erzeugermärkte. Das sind 3.000 Tonnen oder 33 Prozent mehr als im Vorjahr. Dagegen sank der Umsatz um vier Prozent auf 24,2 Millionen Euro (Vorjahr: 24,7 Millionen Euro).

Noch stärker fällt die Diskrepanz zwischen Erntemenge und Umsatzerlösen bei den Zwetschgen aus: 243 Prozent mehr Erntemenge schlagen mit einer Umsatzsteigerung von 56 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu Buche. Insgesamt wurden mit 17.600 Tonnen (Vorjahr: 5.100 Tonnen) Zwetschgen 10,8 Millionen Euro (Vorjahr 6,9 Millionen Euro) umgesetzt.

Glaser: „Nach den kalten Tagen bis Ende März hat das gute Wetter im April zu einer schnell einsetzenden aber kurz andauernden Obstblüte 2018 geführt. Die Bäume haben wegen des fehlenden Ertrags im Jahr 2017 Energie gespart, was sich erwartungsgemäß 2018 in einer großen Erntemenge niederschlug. Die Hitze und Trockenheit im Land haben dann eine noch größere Erntemenge verhindert.“

Schwierige Spargelsaison

Auch die Spargelsaison war alles andere als zufriedenstellend. Der März war noch ungewöhnlich nass und kalt und verzögerte das Austreiben der Spargelstangen. Nur in den beheizten Anlagen konnte bereits Anfang März der erste Spargel gestochen werden. Mit dem Temperaturanstieg im April sind dann innerhalb kurzer Zeit große Mengen an Spargel auf den Markt gekommen und sorgten für einen erheblichen Preisdruck.

Zu Pfingsten Mitte Mai befand sich die Spargelsaison mit großen Angebotsmengen und niedrigen Preisen auf dem Höhepunkt. Wegen der hochsommerlichen Temperauren wurde die Ernte mitunter Anfang Juni schon eingestellt. Mit 5.400 Tonnen sank im vergangenen Jahr die Absatzmenge um fünf Prozent. Der Gesamtumsatz verringerte sich auch aufgrund gesunkener Kiloerlöse um zehn Prozent auf 21,7 Millionen Euro (Vorjahr: 24,1 Millionen Euro).

Erfreulicher verlief die Saison für Tomaten: Mit 17.300 Tonnen konnte die Erntemenge um sechs Prozent gesteigert werden. Bei einem gleichzeitig auf 1,75 Euro pro Kilogramm gestiegenen Durchschnittserlös (Vorjahr: 1,70 Euro) wurde mit 30,4 Millionen Euro ein Umsatzplus von 15 Prozent erreicht.

Bei Paprika gelangten mit 4.500 Tonnen 20 Prozent weniger in die Vermarktung. Der Umsatz stieg dagegen um sechs Prozent auf 10,4 Millionen Euro. Die Preise für Salate und Frischgemüse waren in der Frühsaison aufgrund eines guten Angebots durchschnittlich. Nach dem kalten und nassen Februar und März setzte die langanhaltende warme und trockene Periode ein, die ab Jahresmitte zu einer knappen Marktversorgung und Preisanstiegen führte.

„Der genossenschaftliche Gemüseanbau stand auch in Baden-Württemberg im Zeichen der Trockenheit und der Hitze. Es hat sich einmal mehr gezeigt, wie wichtig der geschützte Anbau ist. In den Gewächshäusern ist eine durchgängige Bewässerung gesichert, im Freiland kann eine vollständige Wasserversorgung bei Trockenheit nicht immer gewährleistet werden“, stellte Glaser heraus. Darüber hinaus sei die notwendige Zusatzbewässerung in einem Jahr wie 2018 mit erheblichen Mehrkosten und erhöhtem Arbeitsaufwand verbunden, betonte der BWGV-Präsident.

Mangel an Erntehelfern kann zu Betriebsaufgaben führen

Mit großer Sorge sieht Glaser die zunehmenden Schwierigkeiten der Erzeuger, genügend Erntehelfer zu bekommen. „Das Jahr 2018 hat schonungslos vor Augen geführt, dass bei einer großen Ernte mitunter nicht mehr alles geerntet werden kann, beziehungsweise dass bei niedrigen Preisen gar nicht kostendeckend geerntet werden kann“, sagte Glaser und ergänzte: „Unseren Erdbeerbauern blieb gar nichts anderes übrig, als reife, aber nicht absetzbare Früchte dennoch zu ernten und so auch noch Geld in die Anlagen zu tragen.“ Die Problematik von weniger werdenden Erntehelfern ist seit längerem bekannt und verschärft sich zunehmend: Der wirtschaftliche Aufschwung in Osteuropa sorgt dafür, dass viele bisherige Erntehelfer direkt in ihrer Heimat Arbeit finden und nicht mehr als Saisonkräfte ins Ausland gehen. Außerdem herrscht in ganz Europa ein intensiver Wettbewerb um saisonale Arbeitskräfte. Auch Branchen wie die Bauwirtschaft oder Paketdienste haben Hochkonjunktur und verschärfen den Wettbewerb.

Glaser: „Der Mangel an Erntehelfern und der zunehmende Kostendruck durch den Mindestlohn stellen viele Bauern im Südwesten vor existenzielle Herausforderungen. Als Folgen drohen Flächenstilllegungen und vorzeitige Erntestopps bis hin zu Betriebsaufgaben. Die bisherige Vielfalt an regionalen, nachhaltig produzierten und gesunden Lebensmitteln werden unsere Obst- und Gemüse-Genossenschaften sowie die dahinterstehenden Erzeugerbetriebe so nicht garantieren können. Die Leidtragenden wären in diesem Fall die Verbraucher.“

BWGV fordert mehr Wertschätzung gegenüber Landwirten

In diesem Zusammenhang plädierte Glaser für mehr Wertschätzung gegenüber den Landwirten und ihrer Arbeit. „Egal ob es um den notwendigen Einsatz von Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln oder um die Erneuerung und Erweiterung von Anlagen für den geschützten Anbau geht – Landwirte werden immer wieder kategorisch kritisiert. Dabei handeln die Landwirte sehr verantwortungsvoll und auch im Eigeninteresse nach den Grundsätzen der Nachhaltigkeit und der wissenschaftlich anerkannten guten Agrarpraxis.“

Darüber hinaus sei es auch entscheidend, dass die Obstbauern sowie Gemüse-, Gartenbau- und Blumengärtner von ihrer Arbeit leben können: „Jeder Verbraucher muss selbst seine Einkaufsgewohnheiten auf den Prüfstand stellen und sollte sich selbstkritisch fragen, was er bereit ist, für heimische Lebensmittel und Gartenbauprodukte zu bezahlen.“

Mit Nachdruck wirbt Glaser erneut für die Einführung einer steuerfreien Risikoausgleichsrücklage zur besseren Absicherung gegen Ernteausfälle: „Der Ausbau von Schutzmaßnahmen gegen Witterungsextreme wird immer wichtiger. Die Landwirtschaft nach dem genossenschaftlichen Prinzip der ‚Hilfe zur Selbsthilfe‘ hierbei zu unterstützen ist der richtige Weg.“

Die 21 Obst-, Gemüse- und Gartenbaugenossenschaften sowie genossenschaftlichen Vertriebsorganisationen in Baden-Württemberg werden von rund 5.000 Einzelmitgliedern getragen.

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