Forscher plädieren für maßvollen Glyphosat-Einsatz
Kein Pflanzenschutzmittel ist derzeit in der EU so umstritten wie Glyphosat.Es ist effizient, kostengünstig, relativ umweltverträglich und verursacht kaum Unkrautresistenzen. Die Kehrseite der Medaille: Rückstände finden sich zunehmend in Gewässern, Futter- und Nahrungsmitteln – und es steht im Verdacht, zu den krebserregenden Stoffen zu gehören. Prof. Dr. Günter Neumann von der Universität Hohenheim sieht mehr Sachverstand bei der Anwendung des Herbizids für dringend geboten. Er setzt sich für einen gezielteren Einsatz des Mittels ein. Doch ein komplettes Verbot hält er für kontraproduktiv – die Vorteile beim Einsatz in bodenschonenden Anbauverfahren seien derzeit nicht mit anderen Methoden zu erreichen.
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Weltweit werden immer mehr glyphosathaltige Herbizide gegen Unkräuter eingesetzt – mit der Folge, dass sich auch zunehmend Rückstände in Gewässern und in der Nahrungskette finden. „In den vergangenen Jahren mehren sich Zweifel an der generellen Unbedenklichkeit von Glyphosat und der Zusatzstoffe im Spritzmittel“, berichtet Prof. Dr. Neumann, Agrarwissenschaftler an der Universität Hohenheim.
Die Fronten sind verhärtet: Bis Ende des Monats muss die EU-Kommission eine Entscheidung fällen, ob sie die Zulassung des Unkrautvernichters Glyphosat verlängert. „Da gibt es Pro und Contra auch jenseits der Diskussion, ob diese Substanz als wahrscheinlich krebserregend einzustufen ist oder nicht“, meint der Agrarwissenschaftler, „auch wenn die öffentliche Diskussion derzeit hauptsächlich darauf fokussiert.“ Er plädiert dafür den Einsatz von Glyphosat auf ein unbedingt nötiges Maß zu reduzieren.
Pro und Contra Glyphosat
„Glyphosat ist ein wichtiges und wertvolles ackerbauliches Werkzeug und sollte auch als solches behandelt werden. Es wirkt hocheffizient gerade bei Problemunkräutern und tötet auch die Wurzeln ab. Die Substanz ist vergleichsweise umweltverträglich und kostengünstig. Und im Gegensatz zu vielen anderen Wirkstoffen sind für Glyphosat zumindest in Europa bisher kaum Unkraut-Resistenzen bekannt.“
Allerdings setze man in anderen Ländern wie den USA, Brasilien und Argentinien besonders stark auf Anbausysteme mit Glyphosat-toleranten Kulturpflanzen, gibt der Experte zu bedenken. „Und dort treten aufgrund des langjährigen, intensiven Einsatzes von Glyphosat inzwischen vermehrt resistente Unkräuter auf. Hier wird also einer der wesentlichsten Vorteile des Wirkstoffs wissentlich verspielt.“
Auch negative Einflüsse von Glyphosat auf den Artenreichtum unserer Kulturlandschaften seien unumstritten, stellt Prof. Dr. Neumann fest: „Als Totalherbizid wirkt es schließlich auf alle Pflanzenarten.“
Beschränkungen und maßvoller Einsatz mit Sachverstand
Gerade vor diesem Hintergrund sei ein kritischer, bewusster Umgang mit der Substanz notwendig, betont Prof. Dr. Neumann. „Dass sie immer wieder in Oberflächengewässern zu finden ist, hängt oft mit unsachgemäßer Anwendung zusammen – vor allem auch außerhalb der Landwirtschaft. Glyphosat sollte daher nur noch von Personen mit Sachkundenachweis angewandt werden.“
Im Heimgartenbereich oder in Parks sollte es ganz verboten werden, und auch den unkontrollierten Verkauf über das Internet sieht der Experte kritisch: „Glyphosat galt viel zu lange als relativ unproblematisches Allheilmittel, und das muss sich ändern.“
Insgesamt sei es daher ein richtiger Schritt, meint Prof. Dr. Neumann, dass in Deutschland die Aufwandmengen in der Praxis begrenzt sind und Glyphosat nur noch im Notfall zur Beschleunigung der Abreife angewandt werden darf. „Im Einzelfall mag es aber sicherlich noch Anpassungsbedarf geben um flexibler auf Problemsituationen reagieren zu können.“
Totalverbot würde Bodenschutz erschweren
Ein komplettes Verbot von Glyphosat sieht Prof. Dr. Neumann dagegen eher kritisch. Glyphosat spielt eine wichtige Rolle beim Resistenzmanagement und für den Anbau in Mulch- oder Direktsaat. Bei diesen Methoden erfolgt die Saat ohne vorheriges Pflügen, Pflanzenreste der Zwischen- oder Vorfrucht bedecken nach der Neuaussaat die Bodenoberfläche. Auf diese Weise bleibt der Boden vor Erosion geschützt und der Landwirt spart Zeit und Energie.
In eigenen Untersuchungen der Arbeitsgruppe konnten bisher in diesen Anbausystemen auch in keinem Fall Glyphosat-Rückstände in den oberirdischen Pflanzenteilen nachgewiesen werden, die eventuell später zur Kontamination von Ernteprodukten führen könnten.
Ein Glyphosatverbot könne daher vom Regen in die Traufe führen: „Das würde wohl zunächst eher die Verwendung anderer herbizider Wirkstoffe begünstigen, die oft deutlich weniger untersucht und gegebenenfalls sogar problematischer sind als Glyphosat.“
Rückstandsprobleme kann Verbot in EU nicht lösen
Prof. Dr. Neumann geht auch davon aus, dass ein Totalverbot von Glyphosat das Problem der Rückstände in der Nahrungskette nicht grundlegend verändern würde. „Für die Futter- und Nahrungsmittelindustrie wird in großem Maßstab Soja importiert, und das stammt überwiegend von Glyphosat-resistenten Sorten. Da in den Ursprungsländern aber auch immer mehr Unkräuter resistent sind, müssen die Felder häufiger und auch später in der Kulturperiode mit dem Herbizid behandelt werden“, warnt der Forscher. „Das erhöht das Risiko von Rückständen in den Ernteprodukten erheblich.“
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