Bioboom hält weiter an
Vom 14. bis 17. Februar traf sich die Bio-Branche in Nürnberg. Über 3000 Aussteller präsentierten Bio-Vielfalt aus 93 Ländern. Zwei neue Hallen, das Thema „Next Generation“ und der „Treffpunkt Bio von Anfang an“, die neue Sonderschau zur Bio-Züchtung, begeisterten rund 50.000 Besucher aus 134 Ländern.
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Im Jahr 2017 stellten jeden Tag durchschnittlich fünf Bauern eine Landwirtschaftsfläche von etwa 500 Fußballfeldern auf Bio um“, meinte Peter Röhrig, Geschäftsführer des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) zum Start der Biofach. Nach aktuellen BÖLW-Schätzungen legte die heimische Öko-Fläche in 2017 um 124.647 ha (10 Prozent) zu. Mehr als jeder zehnte landwirtschaftliche Betrieb macht Bio. Mit Bio-Lebensmitteln und -Getränken wurde 2017 ein Umsatzplus von 5,9 Prozent und ein Marktvolumen von insgesamt 10,04 Mrd. Euro (2016: 9,48 Mrd. Euro) erreicht. Der Naturkostfachhandel in Deutschland konnte seinen Umsatz um 2,2 Prozent steigern (Marktanteil 29 Prozent). Die Umsätze mit Bio im LEH stiegen mit 8,8 Prozent überdurchschnittlich stark auf 5,93 Mrd. Euro an (LEH-Marktanteil: 59 Prozent). Bei vielen Produkten holten also die Discounter auf, die zuletzt ihre Bio-Sortimente deutlich verbreiterten.
Bio kommt immer weiter raus aus der Nische
Bio boomt. Das ist das eine. Das andere ist der Versuch, die Kontrolle über das Marktwachstum nicht aus der Hand zu geben. Wenn der LEH immer stärker Bio-Produkte in die Regale stellt, steigt der Wettbewerbs- und der Preisdruck für Hersteller und Erzeuger enorm. Auf dem Markt für Biomilch zum Beispiel steigt das Angebot kräftig an – die Rede war davon, dass 2018 etwa 10 bis 20 Prozent mehr Milch geliefert werden als 2017. So ist es für die Molkereien noch längst nicht ausgemacht, dass die vorhandene Nachfrage dieses Angebot auch tatsächlich aufnehmen wird. Entsprechend sind etablierte Molkereien vorsichtig mit Neuzugängen. Es gibt aber auch Molkereien die händeringend Biomilch suchen.
Online-Handel entwickelt sich dynamisch
Der Online-Handel habe die rationalen Argumente auf seiner Seite: schnell, einfach, effizient, günstig. Konservative Prognosen sehen im Online-Handel für Lebensmittel eine Zunahme von heute 1,2 Prozent auf künftig zehn Prozent Umsatz in Deutschland, andere Prognosen rechnen mit einer Zunahme des Umsatzes auf 30 Prozent. „Viele kratzen in den Startlöchern. Ich glaube, dass wir hier noch sehr viel erleben werden in diesem Bereich,“ meinte Dr. Andrea Grimm von der FH Wiener Neustadt GmbH im Forum zum Online-Handel. Im Jahr 2015 hätten nur neun Prozent der Internetkäufer Lebensmittel online gekauft. Im Jahr 2017 seien es bereits 28 Prozent Internetkäufer gewesen. „Ich glaube wir stehen hier noch lange nicht am Ende“, so Grimm. Wie mache ich ein Produkt attraktiv, wie stelle ich es vor? „Das ist eine Sache, die sich immer mehr ins Internet verlagert“, meinte Bernd Drosihn, Gründer von der Tofutown bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Lebensmittel per Mausklick. Drosihn wirbt mit der Botschaft: „Wer sich mit ökologisch erzeugten Produkten ernährt, ist fitter als andere, die das nicht tun“. So versuche man in der Branche den Begriff Bio mit etwas Neuem aufzuladen, um ihn nach vorne zuschieben. „Dem Internet darf man sich nicht verschließen“, findet auch Nicole Stocker, Geschäftsführerin der Hofpfisterei. Sie stellt sich die Frage: „Wo machen wir mit und wie gestalten wir den Online-Handel? Ziel der Hersteller sei es, die Glaubwürdigkeit für die Produkte zu stärken, sagt Anne Mutter von der Holle baby food GmbH. Für die Erzeuger heißt das: Erzähle Deine Geschichten nicht nur Deinen Freunden, sondern stelle sie auch uns als Hersteller zur Verfügung. Wir interessieren uns dafür.“
Wie sieht gute Biowerbung aus?
Werbung muss wahrgenommen werden, sie muss gefallen. Das Produkt soll klar erkennbar sein, es soll neue Infos bieten und die besondere Qualität herausstellen. Es soll nicht marktschreierisch, sondern schön und ansprechend gestaltet sein, meinte Dr. Beate Gebhardt, Uni Hohenheim im Forum zum Thema „Wirbt Bio anders?“ Gute Werbung ist glaubwürdig, sagt Bernd Eberle von der gleichnamigen Werbeagentur. Für seine Kampagne bei der Molkerei Schrozberg zum Beispiel habe er die Milchbauern in den Mittelpunkt gestellt. Die Menschen auf den Werbeplakaten seien authentisch gewesen, also echte Bauern von der Molkerei. Als man für eines der Plakatmotive allerdings eine junge Bäuerin ablichtete, die einem zugekauften Model zum Verwechseln ähnlich sah, gab es bei den Kunden ein Art Aufschrei, berichtete Eberle. Dieses Plakat war zwar nach wie vor ehrlich, aber in den Augen vieler nicht mehr glaubwürdig. „Weil die Leute gedacht haben: das kann nicht sein", sagt Eberle. Daran sehe man, wie sensibel die Marke wahrgenommen werde. Eberle empfiehlt: „Gehen Sie mit der Marke vorsichtig um“. Der Werber Jürgen Michalzik, JAM Kommunikation, möchte sich bei der Art der Werbung weniger mit Details aufhalten. Nachdem Aldi oder Lidl großflächig Werbung für bewusste Ernährung schalten, heißt für ihn die Devise: „Wir sollten Werbung machen. Da wo die Kunden sind. Da reicht es nicht, wenn man in Schrot & Korn eine Anzeige schaltet. Wir müssen über die Schwelle es Fachhandels hinaus kommen“, rät Michalzik zu einem möglichst raschen Handeln.
Bio-Geflügelmarkt in Deutschland
Biogeflügel scheint im Bewusstsein der Menschen ein Thema zu sein, die Zahlen spiegeln dies allerdings noch nicht so wider. Dazu ist der Markt noch zu klein und die Marktdurchdringung zu schwach. Um dies zu verbessern, wird versucht, die Verarbeitung des ganzen Tieres weiter auszubauen. „Hier steckt noch ein erhebliches Wachstumspotenzial“, meinte Prof. Dr. Ulrich Hamm, Universität Kassel. Dabei ist die private Nachfrage nach Biogeflügel seit 2012 stark gestiegen, so Christine Rampold von der AMI. 2017 lagen die Mengen mit 6400 Tonnen frisches Bio-Geflügelfleisch auf Rekordniveau. Von 100 Haushalten haben immerhin fünf Biogeflügel eingekauft. Tendenz steigend. Gefragt sind vor allem Jung-Masthühner aber auch Puten. Der Deutsche Markt müsse besser erschlossen werden. An der Nachfrage jedenfalls liege es nicht. Die Menschen, die tatsächlich Interesse an Bio-Geflügelfleisch hätten, würden auch gerne den entsprechenden Preis bezahlen, wie Prof. Hamm in seinen Umfragen herausgefunden hat.
Werben mit Facebook
Werbung direkt beim Verbraucher schalten – wie geht das? Vor allem, wenn man einen Bio-Hofladen und keine Handelskette mit Marketingabteilung managt. „Auf Facebook reden und werben Ladenbesitzer auf Augenhöhe mit bioaffinen Kunden“, erklärt Simon Döring von der Kommunikationsberatung Klaus Braun aus Speyer. Der Vorteil des sozialen Netzwerks: Facebook sammelt Kundendaten und kennt die Nutzer – Werbung erreicht nur Verbraucher, die auch Bio-Lebensmittel kaufen.
„Sie wollen beispielsweise nur Frauen erreichen, die im Umkreis von 25 km leben, einen Hund haben und Bio einkaufen? Kein Problem“, sagt Döring. Passgenaue Werbung kann man mit wenigen Klicks und für beliebige Geldbeträge schalten: „Testen Sie mit fünf Euro pro Woche, dann kriegen vielleicht 2000 Leute die Anzeige zu sehen und zehn klicken drauf. So taste man sich langsam heran, wie man die meisten Kunden zum Fan des Bio-Hofladens macht.
Je größer die Zielgruppe wird, desto mehr Geld verlangt Facebook für die Werbung. Als Beispiel nannte Döring eine Weinprobe: "Werbung dafür sollen Nutzer im Umkreis von fünf Kilometern, im Alter von 30-55 und mit Interesse an Bio, Wein und Hofläden gezeigt bekommen." Das Ergebnis bei 20 Euro Budget: Etwa 8000 Leute sehen die Werbung und 40 Leute klicken sie an, um mehr über die Veranstaltung zu erfahren und auf die Facebook-Seite des Bio-Ladens zu kommen. Das macht 50 Cent pro erreichter Person.
Im nächsten Schritt solle man ein wöchentliches Budget festlegen und dann an den Anzeigen feilen. "Die Zahl der Leute, die man erreichen will, mal 50 Cent nehmen", rechnet der Fachmann als Grundlage für die Budgetplanung vor.
Geld in die Hand nehmen lohnt sich für Facebook-Werbung nach Dörings Aussage: Wer nur privat mit seinem Konto Werbung für den Hofladen macht, hat weniger Reichweite. In diesem Fall blendet Facebook die Werbung nämlich nur dem Teil des eigenen Freundeskreises an, der sich in letzter Zeit für Bio-Themen interessiert. "Werbung für Geld bringt auch mehr Reichweite", fasst Döring zusammen.
Zukunft der Bio-Kontrollen
Dr. Kai-Uwe Kachel vom Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt Mecklenburg-Vorpommern leitet eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Zukunft der Biokontrolle. "Das Kontrollsystem funktioniert, aber trotzdem haben wir eine menge Arbeit auf dem Tisch", sagt Kachel. Aktuell sind in Deutschland 544 Kontrolleure im Einsatz, die wiederum von den Behörden der 16 Bundesländer überwacht werden.
Der starke Zustrom neuer Bio-Erzeuger und die wachsende Zahl an Importen bringen neue Probleme mit sich: Zum Teil würden Bio-Kontrollen nur lückenhaft dokumentiert, Termine zur Nachkontrolle nach dem Feststellen von Mängeln nicht pünktlich eingehalten die Schulung der Kontrolleure zu Fachthemen ausbleiben.
Die Arbeitsgruppe setzt sich daher beispielsweise dafür ein, dass:
- Die Integrität von Bio-Importen gesichert wird
- Unternehmen erfasst werden, die mit Bio werben und nicht für Kontrollen angemeldet sind
- Es ein einheitliches Verfahren für Ausnahmegenehmigungen gibt
Bio studieren, wo geht das?
Mehrere Hochschulen und Universitäten bieten Studiengänge im Ökobereich an. Die Universität Hohenheim (Master Organic Agriculture and Food Systems), die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde bei Berlin (Bachelor Ökolandbau und Vermarktung - auch dual mit einer landwirtschaftlichen Ausbildung, Master Öko-Agrarmanagement), die Fachhochschule Wiener Neustadt für Marketing und Nachhaltigkeit in Österreich (Master Eco-Design zu nachhaltigen Wertschöpfungsketten, Master Green Marketing), die Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (Bachelor Landwirtschaft mit Vertierunf in Ökolandbau), die Universität Kassel/Witzenhausen in Nordhessen (Bachelor Ökologische Landwirtschaft - auch dual mit Ausbildung zum Landwirt).
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