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Gemüsebautag Südwest 2015, Leonberg

Arbeitszeit-Limit und Dokumentation treffen die Betriebe hart

Es ist weniger das Mindestlohngesetz als die Regelungen zur Arbeitszeit und die damit verbundene Dokumentation, die Gemüsebaubetriebe hart treffen, war das einhellige Fazit der Anbauer am Gemüsebautag Südwest in Leonberg.
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Osteuropäische Arbeitskräfte wollen wie bisher zehn Stunden am Tag arbeiten, wofür nach der neuen Gesetzeslage eine Ausnahmegenehmigung erforderlich ist . Die Betriebe sind zudem zu Aufzeichnungen verpflichtet. Wie Gemüsebaubetriebe künftig mit dem neuen Status Mindestlohngesetz umgehen sollen, wird in der Rubrik Betriebsreportage dieser »Gemüse«- Ausgabe ausführlich geschildert. Nicole Spieß, Landesbauernverband in Baden-Württemberg e.V., Stuttgart, informierte in Leonberg über Details der neuen Gesetzeslage.

Auch wenn Arbeitskräfte zum Beispiel anbieten, für weniger Geld als dem geltenden Mindestlohn zu arbeiten, darf dies nicht sein und wird mit Bußgeldern bis zu 500.000 € richtig teuer für einen Betrieb. Spieß rät weiter: „Machen Sie mit Arbeitskräften getrennte Verträge, einen Arbeitsvertrag und einen Werkmietvertrag, weil Kost und Logis künftig nicht mit dem Arbeitslohn verrechnet werden können. Einen „Drops“ obendrauf beschert nach Spieß die Regelung, wann der Lohn gezahlt werden muss. Auch wenn zum Beispiel eine Arbeitskraft auf Grund der beginnenden Spargelzeit im Monat April nur drei Tage und in der Folge im Mai gearbeitet hat, muss dieser Lohn bis Ende Mai gezahlt sein. Hierfür sind jedoch zwei Lohnabrechnungen, eine für den April und die zweite für den Monat Mai durchzuführen. Verstöße gegen die Dokumentation der Arbeitszeit werden jetzt mit bis zu 30.000 € Strafe geahndet. Die Dokumentation ist für alle Arbeitskräfte erforderlich, nicht nur für Saison-Arbeitskräfte. Die Nachweise der Arbeitszeit sind notwendig, damit der Zoll Lohnzahlungen prüfen kann.

„Diese Arbeitszeitgeschichte ist sehr schwierig“, gab Spieß zu. Bei der in Baden-Württemberg eingerichteten Mindestlohn-Hotline werden nach der Referentin nur Auskünfte zum Mindestlohngesetz erteilt. Der Berufstand werde jedoch weniger durch das Mindestlohngesetz selbst als vielmehr durch das Arbeitnehmerentsendegesetz gegängelt, wurde im Publikum laut. Viele Stimmen, viele Fragen und viele Unsicherheiten gab es, beispielsweise zu dem Thema wie lange neuerdings eine Saison-AK bei einem Unternehmer arbeiten kann. Hierzu mehr auf Seite 36!

Eine Herkules-Aufgabe für den Gemüsebau

Die großen Betriebe mit 350 Arbeitskräften und mehr trifft der Mindestlohn sehr viel mehr als kleine Betriebe mit nur zehn Arbeitskräften. Die Großen jedoch haben die Betriebswirtschaft im Griff. Joachim Ziegler, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, bezeichnete die Bewältigung der Folgen des Mindestlohns als eine Herkules-Aufgabe für den Gemüsebau. Arbeitsintensive Gemüsearten wie Porree und andere anzubauen, wird mit dem Mindestlohn wesentlich schwieriger werden als bisher. In den Jahren 2008 bis 2013 seien schon 15% Lohnkostensteigerungen zu verkraften gewesen, sagte Ziegler. Das sei moderat gewesen. Hinzu kam ein Anstieg der Betriebsmittelkosten von 4,1%. Jetzt kommen erneut hohe Lohnkostensteigerungen auf die Gemüseproduzenten zu. An die Betriebsleiter richtete Ziegler den Aufruf: „Was die meisten beim Rechnen und bei der Preiskalkulation vergessen, sind die Gemeinkosten, die nicht direkt einer Gemüseart zurechenbar sind und immer anfallen, auch ohne Produktion.“

Beim Preis wird ein gewogener Mittelwert gebraucht. Jeder Unternehmer müsse sich die Frage stellen, welcher betriebsspezifische Preis erzielt werden muss, wenn Faktoren sich verändern, im Fall des Mindestlohns der Faktor Lohnkosten. Der Mindestlohn von 7,40 € wirkt sich zum Beispiel bei Spargel so aus, dass der Erzeuger 0,12 €/ kg Spargel mehr erzielen muss als bisher. Ziegler dazu: „Das ist eigentlich nicht viel. Aber bekommen wir das vom Verbraucher auch gezahlt?“

Folgende Punkte hält Ziegler für notwendig, um mit dem Mindestlohn zurecht zu kommen: Einhaltung von Preisdisziplin, die Erhaltung hochproduktiver Flächen, die Zahlung von Leistungslohn, die Optimierung von Arbeitsabläufen, ein überlegtes Vorgehen bei anstehenden Investitionen und die Erneuerung von schlechter oder unproduktiver Technik. „Wir rechnen nicht sauber in unseren Chaos-Gemüsebaubetrieben!“, appellierte Ziegler, und setzte noch eines oben drauf: „Wer mir sagt, er könne für 11 oder 12 Cent ein Bund Radies fertig gebündelt produzieren, der lügt oder er hat in seiner Kalkulation Entscheidendes vergessen!“