Ein außergewöhnlich gutes Jahr
Über die Saison 2019, die Zukunft der Produktion und Gründe für den Betriebserfolg berichtete der Spargel- und Beerenobstproduzent Hans-Jürgen Werner.
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»Gemüse«: Herr Werner, wie verlief die diesjährige Spargelsaison bis Ende Mai?
Hans-Jürgen Werner: Sie begann fast drei Wochen früher als 2018. Der extrem frühe Erntebeginn ab dem 22. März war bedingt durch viel Sonne von Februar bis April. Wir sind sehr zufrieden, hatten bis Ende Mai 80% unserer Ernte wunderbar gleichmäßig eingefahren und die Saison verlief entspannt. Die 23 Frostnächte bis Ende Mai taten dem Spargel wenig, allerdings litten die Beerenfrüchten etwas. Insgesamt blicken wir auf ein „normales“ Jahr mit teils etwas wechselnden Witterungsbedingungen zurück, so wie wir es über Jahrzehnte gewohnt waren. Dazu hatten wir, durch den trocknen Herbst im Vorjahr, sehr gute Spargelqualitäten mit nicht zu dicken Stangen. Gehen die Spargelpflanzen relativ trocken in den Herbst und die Winterruhe, ist die Qualität im Folgejahr besser. Wir ernteten erstmalig bis zu 70% erste Qualität. Die etwas dünneren Stangen bedeuten allgemein eine etwas geringere Erntemenge, so dass kaum ein Produzent Druck hatte in der Vermarktung. 2019 war ein außergewöhnlich gutes Jahr, in dem auch die Verkaufspreise mit rund 1 €/kg über den Vorjahrespreisen stimmten. Diesen Mehrpreis benötigen wir auch, da der Mindestlohn wiederum angestiegen ist.
»Gemüse«: Wo liegen Ihre größten Herausforderungen?
Hans-Jürgen Werner: In der Verteidigung der Märkte, denn der Wettbewerb schläft nicht. Das größte Problem sind heute die Einkäufer, die immer auf Regionalität pochen, aber sofort auf günstige Auslands-Ware umschwenken, wenn diese angeboten wird. Das macht uns insbesondere bei den Beerenfrüchten Sorgen.
»Gemüse«: Wie sorgen Sie für Kundentreue?
Hans-Jürgen Werner: Mit „Networking“. Die Handelskunden werden regelmäßig eingeladen und es werden Jahresgespräche geführt. Die das Gemüse im Einzelhandel Betreuenden erhalten bei uns Firmenpräsentationen inklusive Bewirtung. Kurz: Wir sorgen uns um die Menschen, die sich ebenfalls mit unseren Ernteprodukten beschäftigen. Wir haben den Vorteil, dass wir mit Spargel und Obst vom 1. April bis Oktober, also über ein halbes Jahr, mit unterschiedlichen Produkten am Markt und damit interessant für die Einkäufer sind.
»Gemüse«: Worauf beruht Ihr Betriebserfolg?
Hans-Jürgen Werner: Dass wir als Unternehmer die richtigen Entscheidungen treffen. Wir sind breit aufgestellt, in regenerative Energien vor vielen Jahren mit Photovoltaik und Windkraft eingestiegen, so dass wir nicht nur von landwirtschaftlicher Produktion abhängig sind. Wir verdienten Jahrzehnte mit Spargel Geld, 2018 erstmals nicht mehr. Das war vorher unvorstellbar. Daher lautet unsere Devise heute bei steigenden Mindestlöhnen und kritischen Märkten – der Handel fordert immer mehr ohne dies ausreichend zu bezahlen – „Niveau halten“, aber kein Wachstum mehr in der Spargel- und Obstproduktion. Bei 12 € Mindestlohn und 50% Lohnanteil wird die Produktion vermutlich in andere Länder wie Spanien, Portugal oder Nordafrika abwandern. Dem Verbraucher ist es oft egal, wo die Nahrung herkommt und er greift zu dem Billigsten. Letztendlich entscheidet der Einkäufer, welche Gemüse- und Obstherkünfte im Geschäft angeboten werden. Wir jedenfalls sind auch durch außerlandwirtschaftliche Investments gewappnet, sogar dafür, die Produktion ganz einzustellen. Wir sehen die Produktion kritisch, weil das Personal immer weniger, teurer und schlechter wird. Es wird noch einige Zeit funktionieren, aber möglicherweise nicht auf Dauer. Ich bin Unternehmer. Wenn sich in der Umgebung Neues bietet, greife ich zu.
»Gemüse«: Planen Sie Veränderungen in der kommenden Saison?
Hans-Jürgen Werner: Wir werden alle Produktionszweige optimieren, das ist ein ständiger Prozess. Nach 23 Frostnächten in diesem Frühjahr werden wir den Frostschutz durch Frostschutzberegnung im Freiland-Obst optimieren müssen. Insgesamt müssen wir uns den Witterungsbedingungen besser anpassen, Schattierung von Tunneln gehört dazu. Bekommen wir plötzlich 30 °C bei reifen Erdbeeren, müssen die Tunnel schattiert sein. Mit den Un-Witterungsbedingungen fertig zu werden, halte ich momentan für unsere große Herausforderung. Wetterfachleute prognostizieren ein immer früher beginnendes Frühjahr. Damit steigt natürlich die Frostgefahr durch immer wieder vereinzelt auftretende Frostnächte.Im Spargel werden wir das Folienmanagement optimieren und die Fläche mit Dreifachabdeckung etwas erhöhen, um früher mit der Ernte zu beginnen.
»Gemüse«: Wie sehen Sie die Zukunft für den Spargelanbau in Deutschland?
Hans-Jürgen Werner: Die hängt von den Mindestlöhnen ab. Die Produktionstechnik ist relativ ausgereift. Da sehe ich kaum noch Einsparmöglichkeiten. Züchtung und Automatisierung könnten weitere Vorteile bringen. Der große Hype auf Spargel lässt etwas nach. Gefühlt gibt es mittlerweile zu viele Alternativprodukte. Für die jüngere Generation ist Spargel zu einem „normalen“ Gemüse mit vielen Alternativen geworden. Das Besondere des Frühlingsgemüses hat mittlerweile Normalität. Wir werden die Produktion wohl insgesamt deutschlandweit herunterfahren müssen, weil die Nachfrage sinkt.
Das Interview führte Dr. Gisela Fischer-Klüver, Hannover
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