Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Pfalz

Keine Branche bleibt von der Nachhaltigkeitsdebatte verschont – Produzenten in totaler Kontrolle

„Die Dokumentation der Produk tion und Pflanzenschutzmittelrückstände werden längst als Standard abgehakt. Derzeit an erster Stelle des Interesses des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) steht die so genannte „Nachhaltigkeit“, die gleichwertig ökonomische, ökologische und soziale Aspekte der Gemüseproduktion berücksichtigt“, sagte Joachim Ziegler, Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz, Neustadt, am Pfälzer Gemüsebautag in Mutterstadt.
Veröffentlicht am
Dieser Artikel ist in der erschienen.
PDF herunterladen
Dr. Günther Hoos: „Wir müssen raus aus dem ungesunden
Verhältnis zur Nachhaltigkeit! Durch mehrere Initiativen
des Einzelhandels kommt Bewegung in die Debatte.“
Dr. Günther Hoos: „Wir müssen raus aus dem ungesunden Verhältnis zur Nachhaltigkeit! Durch mehrere Initiativen des Einzelhandels kommt Bewegung in die Debatte.“
Artikel teilen:
In den Begriff Nachhaltigkeit spielen hinein Klimaschutz, Erneuerbare Energien, Flächeninanspruchnahme, Artenvielfalt, Stickstoffüberschuss und Ökologischer Anbau.

Druck auf die Produktion durch Nachhaltigkeitssiegel

Jenseits des rein betriebswirtschaftlichen Erfolgs der Erzeugerbetriebe interessiert sich der Handel heute aber auch dafür, welche Verantwortung ein Gemüseproduzent zum Beispiel für seine Arbeitskräfte übernimmt oder welche sozialen Bedingungen er ihnen bietet. Firmen des LEH verankern das Nachhaltigkeitsprinzip in unterschiedlichen Eigeninitiativen in ihrer Unternehmens-Philosophie. Ein Beispiel gibt Rewe mit „Pro- Planet – Soziale Bedingungen verbessern“. Gesucht werden Produzenten, die sich den Anforderungen hinter dem Siegel ProPlanet stellen.
Den Anteil auf diese Weise nachhaltig erzeugter Produkte gibt Rewe mit derzeit über 6% an. Der Plan: In drei Jahren sollen 100% der für Rewe produzierten Möhren die Anforderungen des Labels erfüllen. 20% der Anbauer seien in der Lage, nach dem ProPlanet- Projekt zu wirtschaften. Begonnen wurde mit dieser Initiative vor rund fünf Jahren. Den nächsten Test will man mit der Gemüseart Eissalat fahren.
Ein anderes Beispiel gibt die britische Supermarktkette Tesco, die viel Aufwand in die Ermittlung des gesamten CO2-Fußabdruckes gesteckt hat. Man geht davon aus, dass 38% der CO2-Emissionen in der landwirtschaftlichen Erzeugung entstehen, beim Verbraucher dagegen nur 35%. Im Fazit wird durch die Forderung „Verringerung der CO2-Emissionen“ in der Landwirtschaft Druck auf die Produzenten ausgeübt. Auch bei Edeka steht Nachhaltigkeit schon ganz oben in den Unternehmenszielen. „Bei den Discountern „ruht der See bezüglich Nachhaltigkeit noch still“, sagte Ziegler. Aber das wolle nichts heißen.
Auf Ebene der Erzeugerorganisaionen machen die belgischen Genossenschaften mit dem Siegel Responsibly Fresh von sich reden. Auch die französische Genossenschaft Prince de Bretagne verfolgt Nachhaltigkeitsstrategien. Ziegler folgerte: „Da kommt etwas auf uns zu. Der Produzent in der totalen Kontrolle. Wir sollten offener darüber reden. Wir müssen uns wesentlich intensiver einbringen, um nicht vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden.“

Beim Verbraucher Vertrauen in Nahrungsmittel aufbauen

Wie Ziegler referierte, „erhofft sich der LEH mit überzeugenden Verbesserungen der Nachhaltigkeit beim Endverbraucher vermutlich einen Vertrauenszuwachs in dieser krisenanfälligen und medial aufmerksam beobachteten Branche.“ Der Hintergrund: NGOs und Medien thematisieren öffentlich „schwarze Schafe“ in der Nahrungsmittel- Erzeugung. Die Kunden reagieren betroffen, sind unsicher und verlieren nicht selten das Vertrauen in die komplette Branche.
Wie Ziegler sagte, liegen in dieser Situation Herausforderungen und Chancen für die moderne Landwirtschaft. Denn sie brauche ohnehin über alle Betriebstypen hinweg den ständigen Dialog mit seinen Kunden, „denen das Verständnis für die Anforderungen wettbewerbsfähiger Betriebe weitgehend abhanden gekommen sei.“

Gesellschaftliche Akzeptanz und offener Dialog wichtig

Hinzu kommt, dass Freiland- Gemüsebaubetriebe eben nicht in geschlossenen Gebäuden produzieren, sondern öffentlich präsent sind. So sei gesellschaftliche Akzeptanz und ein offener Dialog mit der Bevölkerung für die Nahrungsmittelbranche sehr bedeutend. Auch Uli Natterer, Bioland-Jungpflanzenproduzent und Vorsitzender der Landesfachgruppe Gemüsebau in Baden-Württemberg, geht davon aus, dass künftig das Vertrauen in Nahrungsmittel eines der kaufentscheidenden Kriterien sein wird.
Für die Anbauer ist die momentane Situation nicht überschaubar. Über sämtliche bereits erbrachten Zertifizierungen hinaus verlangen ihre Abnehmer teils zusätzliche Erklärungen, die sie unterschreiben sollen, um überhaupt Gemüse anliefern zu dürfen. Bei den zusätzlich gestellten Anforderungen werden den Betriebsleitern teils sogar Fragen nach der Höhe der gezahlten Löhne oder zur Zufriedenhei der Arbeitskräfte mit der Unterbringung im Betrieb gestellt.