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1. Tagung des Gemüse-Selbstvermarkter e.V., Nürnberg

„Riesenaufreger“ Mindestlohn – Politik hat Folgen nicht bedacht

Über prominenten Besuch freuten sich die Mitglieder des Gemüse- Selbstvermarkter e.V. in Nürnberg auf seiner ersten Tagung nach der Neuformierung der Gruppe von Gemüseproduzenten unter diesem Namen.
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Der Gemüse-Selbstvermarkter
e.V. tagten in Nürnberg (v. l.
n. r.): die Vorstandsmitglieder
Heiner Wischendorf, Stefan
Scherzer als neu gewähltes
Vorstandsmitglied, Willi Böck,
Gerhard Kiemle, Ralf
Mergenthaler und Geschäftsführer
Dieter Weiler; die
Gemüse-Selbstvermarkter
wollen beim Mindestlohn eine
Lösung, dass der Ausgleich
der Arbeitszeit nicht auf sechs,
sondern auf zwölf Monate
stattfinden kann. Ebenso
sollten Aufzeichnungen für
Arbeitskräfte mit monatlichem
Arbeitsentgelt über 2.000 Euro
entfallen.
Der Gemüse-Selbstvermarkter e.V. tagten in Nürnberg (v. l. n. r.): die Vorstandsmitglieder Heiner Wischendorf, Stefan Scherzer als neu gewähltes Vorstandsmitglied, Willi Böck, Gerhard Kiemle, Ralf Mergenthaler und Geschäftsführer Dieter Weiler; die Gemüse-Selbstvermarkter wollen beim Mindestlohn eine Lösung, dass der Ausgleich der Arbeitszeit nicht auf sechs, sondern auf zwölf Monate stattfinden kann. Ebenso sollten Aufzeichnungen für Arbeitskräfte mit monatlichem Arbeitsentgelt über 2.000 Euro entfallen.
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Der bayerische Finanzminister Dr. Markus Söder war gekommen, um vor den rund 60 Tagungsteilnehmern ein Grußwort zu sprechen. „Regional erzeugte Gemüseprodukte sind das, was die Verbraucher gerne essen und kaufen wollen“, sagte Söder. In Deutschland gehe es politisch oft um sehr große Betriebe. Aber auch zum Beispiel in den Familienbetrieben des Knoblauchslands werde viel geschafft. Es sei nicht einzusehen, dass sie jetzt dazu verpflichtet würden, Arbeit derart zu dokumentieren, wie es seit Gültigkeit des Mindestlohngesetzes vorgesehen ist. „Legt man diese Arbeitsnachweise auf Papier nebeneinander, ergibt das eine Strecke zwischen München und Korea und wieder zurück“, meinte der Minister. Er hofft, dass bald Lockerungen beschlossen werden. Bis dahin gab er den Gemüseproduzenten den Tipp zu versuchen alle Vorschriften einzuhalten, auch wenn es schwer falle. „Danke schön, dass Sie als Gemüseproduzenten einen ordentlichen Beruf ausüben!“, schloss Söder.

Wie können wir die Arbeitskräfte bei Laune halten?

Michael Brückner, Gemüseproduzent und CDU-Landtagsabgeordneter, bezeichnete den Mindestlohn als „Riesenaufreger“. Die Folgen des Gesetzes für die Betriebe hätten die Politiker nicht bedacht. Die Beamten hätten selbst erst Konsequenzen bemerkt, als ihnen keine Mini-Jobber mehr zur Verfügung standen.
„Wir von der Union müssen aufpassen, dass wir nicht unsere eigene Klientel damit zu Grunde richten“, sagte Brückner. Er wendete sich zwischenzeitlich an Ilse Aigner mit der Bitte, Kontrollen auszusetzen, bis sich die Politik auf Nachbesserungen geeinigt hat. „Und wir wissen nicht, wie wir unsere Arbeitskräfte bei Laune halten sollen, wenn sie nur 48 Stunden in der Woche arbeiten dürfen; sie werden leicht säuerlich“, meinte Gemüseproduzent Brückner. Nach Bertram Fleischer, neuer Generalsekretär des Zentralverbands Gartenbau (ZVG) und zum zweiten Mal als Referent in der Öffentlichkeit, offenbaren die Auflagen rund um Mindestlohngesetz, Arbeitnehmerentsendegesetz und Arbeitszeitgesetz ein Misstrauen der Politik gegenüber den Betrieben nach dem Motto „Da kann ja nicht alles okay sein!“ „Warum muss man Arbeitszeit aber zum Beispiel über sieben Tage dokumentieren, warum nicht etwas längerfristiger?“, fragte Fleischer. In einem Obstbaubetrieb habe man Arbeitsministerin Nahles in diesem Jahr bereits versucht darzulegen, wo die Probleme im Gartenbau liegen.

Gemüsebaubetriebe gleichberechtigt fördern

Gerhard Kiemle, Vorsitzender des Gemüse-Selbstvermarkter e.V., stellte auf der Mitgliederversammlung des Vereins in Nürnberg das Anliegen an die Politik dar, in Sachen Förderung eine Wettbewerbsgleichheit auf Bundesebene herzustellen. Erzeugerorganisationen (EO) bekommen 4,1% Zuschuss von der Europäischen Union (EU). Über die Gemeinsame Markt-ordnung (GMO) würden Mitgliedsbetriebe von Erzeugerorganisationen mit bis zu 50% gefördert. Den selbst vermarktenden Betrieben bleibt nur die einzelbetriebliche Förderung. Erzeugerorganisationen behalten häufig 4,1% Gebühren von ihren Mitgliedern ein, um nicht nur Lagereinrichtungen und Technik zu finanzieren, sondern damit Großbetriebe aufzubauen. Dies wiederum hindert nach Kiemle die übrigen Betriebe an einer eigenen Entwicklung. Michael Brückner erklärte dazu, „dass der Gesetzgeber anders tickt“. Dieser nämlich will eine Bündelung der in Deutschland erzeugten Ware erreichen. Dieses Ziel und damit die GMOFörderung stehen eindeutig im Vordergrund, obwohl im Zuge von Gleichberechtigung auch die regionale Erzeugung gefördert werden müsste. Wie Kiemle erklärte, haben die selbst vermarktenden Gemüsebaubetriebe einen Anteil von 60% am gesamten Gemüse- Umsatz in Deutschland.

Jedes Gemüseprodukt braucht ein Gesicht

Der Verein, seit 2014 durch Gesch.ftsführer Dieter Weiler, WGV, Stuttgart, unterstützt, will erreichen, dass die regionale Selbstvermarktung gestärkt wird. Dies tut man mit dem Versand eines Pressedienstes, Rundbriefen, durch Fachpresseberichte und eine Jahrestagung. Aktuell stehen 78 Betriebe und fünf Fördermitglieder hinter Gemüse-Selbstvermarkter e.V. Das Potenzial liegt bei insgesamt rund 1.500 Mitgliedsbetrieben. Für das Jahr 2015 hat sich die Gruppe das Ziel gesetzt, mindestens 22 neue Mitglieder zu gewinnen. Jedes Gemüseprodukt „brauche ein Gesicht“. Der Erzeuger stehe hinter seinem Produkt. Kiemle fordert einen fairen Wettbewerb „Wir sind alles, erfüllen alle Anforderungen, arbeiten nachhaltig, kurze Wege zum Kunden, Verbraucheraufkärung, vertrauensbildende Maßnahmen“, bemerkte er. Subventionen seien gut, wenn wie bei der Fotovoltaik etwas angestoßen werden könne. Aber dann sei es genug. „Wir brauchen hier einen Strategiewechsel, entweder Subventionen für alle oder für niemanden“, sagte Kiemle. Ihre Ideen zur Schaffung eines fairen Wettbewerbs trugen die Gemüse-Selbstvermarkter bereits im Straßburger Europaparlament dem Abgeordneten Alfred Dess vor. Auf der Tagung wurden Betriebe des Knoblauchslands besichtigt. Mehr dazu und zum Vortrag über „Elektronische Kassensysteme“ in weiteren Ausgaben von »Gemüse«.