Hintergründe und Stellungnahmen
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Bevor man in die politische Diskussion auf EU-Ebene einsteigt, lohnt es sich, einen Blick auf die neuen Zuchtungsmethoden zu werfen. Als neue Pflanzenzüchungstechniken werden die Züchtungsmethoden bezeichnet. die nach dem Jahr 2001 enstanden sind. Die größte Bedeutung haben die Techniken der Genomeditierung. „Darunter hat die CRISPR/Cas-Methode das größte Potential, die im Jahr 2012 entwickelt wurde“, erklärt Dominik Modrzejewski, Referent für pflanzliche Erzeugung, Nachwachsende Rohstoffe & Erneuerbare Energien beim Landesbauernverband in Baden-Württemberg.
Durch die Genomeditierung lassen sich gezielt Eigenschaften in Sorten einkreuzen, indem eine gezielte Stelle im Genom angesteuert werden kann. Das CRISPR/Cas-System dockt genau dort an und kann mithilfe der sogenannten Genschere an dieser spezifischen Stelle im Genom schneiden. So lassen sich einzelne Basenpaare oder sogar ganze Gene einbauen, sowohl arteigene (Cisgenese, klassische Züchtung) oder auch artfremde (vergleichbar mit Gentechnik).
Beschleunigung des Züchtungsprozesses
Die sonst verwendete Mutationszüchtung ist sehr unspezifisch, es lässt sich nicht genau bestimmen, wo die zahlreichen Mutationen sitzen. „Neben einer Mutation, die positive Eigenschaften ausbildet, habe ich so auch viele ungewollte Mutationen mit negativen Auswirkungen. Das heißt, ich muss Rückkreuzungen durchführen, um die ungewünschten Mutationen zu elimienieren und das ist sehr zeitaufwendig“, weiß Modrzejewski. Mit der Genomeditierung lässt aber an einer spezifischen Stelle eine Mutation erzeugen. Es gibt also kaum ungewollte Mutationen und damit fallen die Rückkreuzungen weg, der Züchtungsprozess dauert anstelle vieler Jahre nur einige Monate. Allerdings lässt sich die Genomeditierung nur einsetzen, wenn bekannt ist, welches Gen für welche Eigenschaft verantwortlich ist.
Novellierung des Gentechnikrechts
2018 hat der europäische Gerichtshof entschieden, wie die neuen Züchtungsmethoden reglementiert werden. Er hat geurteilt, dass alle Organimsen, die mithilfe von Genomeditierungstechniken entstanden sind, gentechnisch veränderte Organismen (GVO) sind und somit unter die Regularien des Gentechnikrechts fallen. Allerdings sind mittels ungerichteter Mutationszüchtung erzeugte GVO davon nicht tangiert, da darin weniger Risiko gesehen wird aufgrund der bereits langen Anwendungszeit dieser Technik. Das heißt, diese Pflanzen werden weniger streng reguliert und sind auch im Ökoanbau erlaubt. Die Genomeditierung wird aber wie die klassische Gentechnik reguliert und ist damit im Ökolandbau verboten.
„Wenn ich aber eine Sorte habe, kann ich nicht unterscheiden, ob eine Mutation natürlich entstanden ist oder durch Genomeditierung, was viele Probleme mit sich bringt“, sagt der Referent des Landesbauernverbands. Aufgrund dieser für viele Züchter und andere Beteiligten aus der Landwirtschaft nicht zufiredenstellenden Situation, wurde auf EU-Ebene nun neu entschieden. Anfang Juli 2023 legte die EU-Komission einen Vorschlag zur Novellierung des Gentechnikrechts vor.
Das EU-Parlament hat nun am 7. Februar diesen Jahres über den Vorschlag abgestimmt und kam mit einer knappen Mehrheit zu dem Entschluss, dass die neuen genomischen Züchtungsmethoden nicht mehr so streng wie bisher reglementiert werden sollen. Das Ziel dahinter ist, dass sich mit den neuen Methoden schneller klima- oder schädlingsresistente Pflanzen entwickeln lassen. Somit sollen NGT-Pflanzen nicht mehr wie bisher wie durch artfremde Gene veränderte Organismen (GVO) beschränkt, sondern auch in der landwirtschaftlichen Züchtung eingesetzt werden.
Hierfür werden diese zukünftig in zwei Kategorien eingeteilt:
- Kategorie 1: NGT-Pflanzen, die als gleichwertig mit herkömmlichen Pflanzen gelten und somit von den GVO-Vorschriften ausgenommen werden. Das Parlament will die Regeln dafür anpassen, wie groß und zahlreich Änderungen sein dürfen, damit eine NGT-Pflanze als gleichwertig mit herkömmlichen Pflanzen gelten kann. Im Sinne der Transparenz soll eine Liste aller NGT-Pflanzen der Kategorie 1 erstellt und im Internet veröffentlicht werden. Die Abgeordneten fordern zudem von der Kommission, sieben Jahre nach Inkrafttreten der neuen Regeln Bericht darüber zu erstatten, wie sich die Wahrnehmung der Verbraucher und der Erzeuger entwickelt hat.
- Kategorie 2: Alle anderen NGT-Pflanzen. Diese unterliegen weiterhin den strengen GVO-Rechtsvorschriften der EU, insbesondere beim Zulassungsverfahren. Um Anreize für die Nutzung von NGT-Pflanzen der Kategorie 2 zu schaffen, sprachen sich die Abgeordneten dafür aus, das Risikobewertungsverfahren für jene Pflanzen zu beschleunigen, die zu einem nachhaltigeren Agrar- und Lebensmittelsystem beitragen dürften. Gleichzeitig betonten sie, dass das sogenannte Vorsorgeprinzip geachtet werden müsse.
Außerdem müssen beide Kategorien weiterhin gekennzeichnet werden und sollen im Ökoanbau verboten bleiben.
Patentrechte regeln
Die Abgeordneten fordern ein vollständiges Verbot von Patenten auf jegliche NGT-Pflanzen, jegliches Pflanzenmaterial und Teile davon sowie auf genetische Informationen und die darin enthaltenen Verfahrensmerkmale. Rechtsunsicherheiten, erhöhte Kosten und neue Abhängigkeiten für Landwirte und Züchter sollen dadurch vermieden werden. Außerdem soll bis Juni 2025 ein Bericht darüber vorgelegt werden, wie sich Patente auf den Zugang von Züchtern und Landwirten zu vielfältigem Pflanzenvermehrungsmaterial auswirken. Ebenfalls vorgelegt werden soll bis dahin ein Gesetzgebungsvorschlag für eine entsprechende Anpassung der EU-Vorschriften über die Rechte des geistigen Eigentums. Nun laufen die Trilogverhandlungen mit den Mitgliedsstaaten, um das Gesetz endgültig in Form zu bringen.
Einen Expertenkommentar von Dominik Modrzejewski, Referent für pflanzliche Erzeugung, Nachwachsende Rohstoffe & Erneuerbare Energien des Landesbauernverbands in Baden-Württemberg e. V. zu den aktuellen Entscheidungen rund um die NGT lesen Sie hier.
Stellungnahmen der offiziellen Stellen
Sowohl Verbände als auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft kommentierten die Entscheidung des EU-Parlaments nach der Abstimmung.
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft:
Während sich im Europäischen Parlament eine knappe Mehrheit für den Vorschlag der EU-Kommission aussprach, fand dieser am Nachmittag im Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten (AStV) keine qualifizierte Mehrheit. Dazu erklärt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir: „Die sich widersprechenden Abstimmungsergebnisse zum Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen zeigen: Es liegt noch kein tragfähiger Vorschlag vor, der den Interessen von Landwirtschaft, Verbrauchern und Lebensmittelwirtschaft gerecht wird. Weiterhin sind viele zentrale Fragen ungeklärt: Stichworte Koexistenz, Wahlfreiheit, Patente. Die Probleme der Patentierung von Pflanzen müssen gelöst und nicht durch die Neuregelung verschärft werden. Sie darf nicht zur Einführung von Biopatenten durch die Hintertür führen. Das ginge zulasten unserer mittelständischen Zuchtunternehmen, die gerade in Deutschland besonders stark sind. Zudem könnten Patente auf Saatgut in der gesamten Wertschöpfungskette bis hin zum Handel zu Haftungsrisiken führen.
Insgesamt gilt: Wer gentechnikfrei wirtschaften will, muss dies auch in Zukunft tun können. Wir brauchen echte Wahlfreiheit über die gesamte Lebensmittelkette. Dafür benötigen wir Regeln für die Koexistenz, damit ein funktionierender, milliardenschwerer Markt nicht sehenden Auges zerstört wird. Viele Landwirte verdienen gutes Geld mit Produkten ohne Gentechnik – das muss auch künftig möglich sein. Und auch zahlreiche Unternehmen des Lebensmittelhandels haben sich sehr klar für Transparenz im Sinne der Verbraucher ausgesprochen.
Die Bürger wollen wissen, welche Produkte sie kaufen. Ich möchte, dass sie selbstbestimmt entscheiden können. Fragen der Gentechnik betreffen und berühren zahlreiche Menschen. Ich habe mich frühzeitig für einen guten Kompromiss eingesetzt und fordere dies auch weiterhin. Es ist wichtig, dass wir uns jetzt in Ruhe mit diesen komplexen Fragen auseinandersetzen. Gründlichkeit geht hier vor Schnelligkeit."
Auch Bioland kommentierte die EU-Parlamentsabstimmung:
Das Europäische Parlament hat über den Gesetzesentwurf zu den sogenannten „Neuen Genomischen Techniken“ (NGT) abgestimmt. Das Ergebnis: 307 zu 263 Stimmen bei 41 Enthaltungen für den Vorschlag der EU-Kommission. Damit rückt das Ende der Wahlfreiheit und des Vorsorge-Prinzips in Bezug auf Gentechnik näher. Kleiner Lichtblick: Immerhin stimmte eine Mehrheit für einige Mindestanforderungen für die Transparenz und Vorgaben zur Rückverfolgbarkeit. Darauf müssen die Mitgliedstaaten nun aufbauen, um die gentechnikfreie Landwirtschaft in Europa abzusichern.
„Das Parlaments-Votum ist voller Widersprüche. Es erkennt zwar einige wichtige Probleme im Zusammenhang mit der Deregulierung Neuer Gentechnik an, stellt aber keine konkreten Lösungen in Aussicht. Letztlich bleibt unter dem Strich stehen: Die Wahlfreiheit der EU-Bürger in Bezug auf Gentechnik gerät immer mehr in Gefahr. Und landwirtschaftliche Betriebe sowie Züchter werden nicht vor der Abhängigkeit von Chemie-Konzernen durch die Patentierung auf Pflanzeneigenschaften geschützt“, kommentiert Bioland-Vizepräsident Sabine Kabath.
Während das Parlament einerseits für den Entwurf stimmte, der die Patentierung auf Pflanzeneigenschaften erst ermöglichen würde, erkannte es andererseits an, dass Patente auf Saatgut eine Bedrohung für den europäischen Züchtungssektor darstellen und sich der Patentschutz nicht auf genetisches Material erstrecken sollte, das auch durch konventionelle Züchtung gewonnen werden kann.
Der Ökolandbau soll weiter für alle Arten von Gentechnik verschlossen bleiben, auch für die Neuen gentechnischen Verfahren. Änderungsanträge, mit denen Mitgliedstaaten daran gehindert worden wären, Koexistenzmaßnahmen für Landwirtschaft mit und ohne Gentechnik zu ergreifen lehnte das Parlament ab. Eine Stellungnahme des Rats der Europäischen Union wird noch erwartet, bevor die Trilog-Verhandlungen beginnen können. Sabine Kabath: „Es ist gut und richtig, dass der Rat der europäischen Union sich jetzt mehr Zeit nehmen wird. Die muss er nutzen: vor allem, um eine rechtssichere Lösung zu präsentieren, die Züchtung und Landwirtschaft vor Patenten schützt und um praktikable Koexistenz-Maßnahmen zu entwickeln. Nur so kann die Wahlfreiheit von Landwirten, Lebensmittelherstellern und Verbrauchern doch noch gewährleistet werden.“
Zur Abstimmung äußerte sich auch der Deutsche Bauernverband:
Der Deutsche Bauernverband (DBV) begrüßt die deutliche Zustimmung des EU-Parlaments zu einer Deregulierung der sogenannten Neuen Züchtungsmethoden. DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken dazu: „Es handelt sich bei dem nun beschlossenen Vorschlag um eine gelungene Abwägung der Argumente und bietet damit eine gute Grundlage für den Trilog.“ Mit den neuen Techniken können züchterische Innovationen schneller in der Praxis ankommen und dabei helfen, die aktuellen Herausforderungen durch den Klimawandel besser zu bewältigen. Ebenso kann durch eine bessere genetische Pflanzengesundheit der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln gesenkt werden.
Auch die Rückverfolgbarkeit der so gezüchteten Pflanzen sei laut Krüsken in dem Entwurf ausreichend geregelt. Das vorgesehene Transparenzregister biete für alle Beteiligten die Grundlage, die Verwendung von NGT-Sorten in der Verarbeitungskette nachzuvollziehen. Damit ist eine durchgehende freiwillige Kennzeichnung bis an die Ladentheke möglich, wenn dies vom Verbraucher gewünscht wird. Der Deutsche Bauernverband begrüßt ausdrücklich, dass sich die Abgeordneten mit großer Mehrheit gegen die Möglichkeit ausgesprochen haben, Pflanzensorten, die mit Hilfe der neuen Techniken gezüchtet werden, patentieren zu lassen. „Dies sehen wir als klaren Auftrag an die Kommission und den Rat, sich hier der Auffassung des Parlamentes anzuschließen“, so Krüsken. „Der Berufsstand ist dringend auf viele innovative Züchtungsunternehmen angewiesen, welche sich frei von juristischen Patentstreitigkeiten darauf konzentrieren sollten, weiterhin ein breites Fruchtartenspektrum anzubieten.
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