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Gemüsebautag Südwest 2015, Leonberg

Pflanzenschutz: Neues zu invasiven Arten, Sachkunde, Zulassungen und Einzelfallgenehmigungen

Mit welchen neuen Schädlingen ist im Gemüsebau zukünftig zu rechnen? Welche gravierenden Änderungen gibt es bei Pflanzenschutzmittel- Zulassungen? Und wie lassen sich Bekämpfungslücken bei kleinen und Kleinstkulturen schließen?
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Vier invasive Schädlinge sind zu beobachten

Über diese Pflanzenschutz-Themen referierten Experten am Gemüsebautag Südwest in Leonberg. Dr. Olaf Zimmermann, Landwirtschaftliches Technologiezentrum (LTZ) Augustenberg, Karlsruhe, knüpfte an den Vortrag von Dr. Reinhard Albert 2012 (siehe Titelthema in »Gemüse« Nr. 5/ 2013) an und machte auf vier invasive Schädlinge aufmerksam, die es mittelfristig zu beachten gilt. Da ist die circa 1 cm große Bläulingszikade (Metcalfa pruinosa), die bläulich-bräunlich gefärbt ist, auffällig seitlich läuft und 2012/13 in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gefunden wurde. Sie verursacht starken Saftentzug, Wachstumsdepressionen, Triebstauchungen und starke optische Schäden durch weißliche Beläge. Unter den 300 Wirten befinden sich vermehrt Gehölze, kaum Gemüsearten. Dieser in Nordamerika beheimatete Schädling wird sich nach Zimmermann wahrscheinlich nicht ausbreiten. Denkbar ist eine unterstützende regelmäßige Freisetzung des natürlichen Gegenspielers Neodryimus typhlocobae.

Die Marmorierte Baumwanze (Halyomorpha halys) hat zwar in Deutschland noch keine Schäden im Gemüsebau bewirkt. Es ist aber damit zu rechnen, da dieser invasive Schädling immer mal wieder gefunden wird. Er ähnelt Stinkwanzen und startet in Ziergehölzen. Etwa 300 Pflanzenarten zählen zu seinem Nahrungsspektrum. Darunter sind erschreckenderweise Paprika, Tomate, Spargel, Bohne und Mais. Bisher trat die Marmorierte Baumwanze jedoch noch nicht in Gewächshäusern auf. Natürliche Gegenspieler, zum Beispiel Schlupfwespen, sind eine Option, die sich aber schwieriger gestaltet, weil Schlupfwespen sehr spezifisch ausgerichtet sind. Vom dritten beachtenswerten invasiven Schädling, der Tomatenminiermotte (Tuta absoluta) wurden jetzt auch Befallsstellen in Nordrhein-Westfalen (NRW) und Südhessen gemeldet. Einzelne Puppen der Tomatenminiermotte kamen an verunreinigten Transportkisten kam von Südamerika über das spanische Anbaugebiet Almeria nach Deutschland. In Südhessen wurden auf einer 4 ha großen Tomatenfläche im Jahr 2013 nur 30 Tiere gefunden. 2014 baute sich ab Ende Mai eine beachtenswerte Population im Gewächshaus auf. In der zweiten Generation wurden stärkere Fruchtschäden an Tomaten festgestellt. Die Herkunft der Ausgangspopulation ist unbekannt. Jungpflanzen als Quelle sind auszuschließen. Pflanzen aus der Familie der Solanaceae zur Überwinterung im Umland gab es nicht. In NRW handelte es sich um einen beheizten, in Südhessen um unbeheizten Anbau.

Man hofft jetzt, den Befall der sehr unscheinbaren Miniermotte mit Pheromon-Fallen kontrollieren und in mit Trichogramma-Kärtchen in den Griff bekommen zu können. Beim letzten invasiven Schädling, die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii), wies Zimmermann darauf hin, dass Schäden nur an sekundär befallenem Gemüse, also nach dem Platzen oder anderweitig geschädigten Früchten, auftreten. Bei Beerenobst sieht das anders aus, worauf im Beitrag in »Gemüse« Nr. 2/2015 ausführlich eingegangen wurde.

Gravierende Änderungen bei Pflanzenschutz-Zulassungen

Dr. Michael Glas, LTZ Augustenberg, ging unter anderem auf gravierende Änderungen bei den Pflanzenschutz- Zulassungen 2015 ein. So wurde die Zulassung von Mesurol Schneckenkorn zum 19. September 2014 widerrufen. „Das Mittel ist weg, darf nicht mehr eingesetzt werden“, betonte Glas. Die Zulassung von Nexion wurde zum 2. Oktober 2013 widerrufen und kann noch bis 2. April 2015 aufgebraucht werden. Für Glyphosat gilt ab sofort, dass es auf derselben Fläche in einem Jahr nur noch maximal zwei Mal und im Abstand von 90 Tagen eingesetzt werden darf. Zudem darf nicht mehr als 3,6 kg Glyphosat/ ha und Jahr ausgebracht werden. Dies gilt auch für bereits gekaufte Mengen.
Eine Notfall-Zulassung für das Herbizid Proman (Wirkstoff Metobromuran) besteht für die Zeit vom 20. Februar bis 20. Juni 2015. Das ist gut für den Feldsalatanbau, der mit der Herbizidanwendung steht und fällt. Glas machte weiter darauf aufmerksam, dass es unter anderem für das Mittel Revus zwei Zulassungsnummern gibt. Diese Zulassungsnummern gelten für unterschiedliche Anwendungsgebiete. Dies ist unbedingt zu beachten. So seien zum Beispiel Indikationen im Zierpflanzenbau nur über die neue Zulassungsnummer abgedeckt. Das nach Glas „absolute Highlight“ ist die neue Zulassung von Vertimec Pro für Aubergine, Gurke, Zucchini unter Glas gegen Spinnmilben. Aber: Gleichzeitig hat dieses Mittel bei Radies und Rettich die bußgeldbewährte Auflage NZ 113 bekommen, was bedeutet „Anwendung nur in Gewächshäusern auf vollständig versiegelten Flächen, die den Eintrag des Mittels in den Boden ausschließen“. Kuriositäten dieser Art seien für eine Beratungseinrichtung wie das LTZ nicht so ganz einfach.

Einzelbetriebliche Genehmigung: Was ist möglich?

Die Grenzen des § 22.2 Einzelfallgenehmigung, ehemals § 18b, schilderte Dr. Mareile Zunker, LTZ Augustenberg. Der § 22.2 ist eine Besonderheit, weil er nicht auf EU-Ebene, sondern auf Ebene der Bundesländer geregelt wird. Sind bei einer Indikation Rückstandsdaten vorhanden, kann über Verbände der Antrag auf Prüfung im Einzelfall, bezogen auf eine einzelne Kultur (Gemüseart) gestellt werden. Auch Sammelanträge sind möglich. Eine Genehmigung nach § 22.2 PflSchG erfordert eine fachliche Begründung und eine Aufteilung in Gewächshaus- und Freilandkulturen. In der Regel können nur Einzelkulturen und keine Kulturgruppen geprüft werden.
Es besteht kein Rechtsanspruch auf eine Genehmigung. Es geht darum, Lücken bei Klein- und Kleinstkulturen zu schließen. Der § 22.2 sollte nach Zunker nicht dazu missbraucht werden, ein „Feuerwehrprodukt“ im Schrank zu haben. Wie Zunker sagte, hat der Gartenbau mit 59% den höchsten Anteil aller einzelbetrieblichen Genehmigungen in Baden- Württemberg, darunter vorrangig Indikationen in Blattgemüse-, Kräuter- sowie Wurzel- und Knollengemüsearten.