Bundesfachgruppe Gemüsebau
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Für alle Saison-Arbeitskräfte aus Polen, die zum 1. Juli 2005 eine Saisonarbeit in Deutschland aufgenommen haben, gilt entweder das Recht Polens oder das Recht Deutschlands. Nichterwerbstätige, wie Hausfrauen, Rentner, Studenten oder arbeitslose polnische Arbeitnehmer, die in Deutschland als Saisonarbeitskraft arbeiten, werden weiterhin nach deutschem Recht behandelt.
Mit der Änderung wird die Anwendung europäischen Rechts durch eine bilaterale Vereinbarung zwischen Deutschland und Polen vom 1. Mai 2004 auf den
1. Juli 2005 verschoben. Nach der Vereinbarung gilt, dass für polnische Arbeitnehmer, die während ihres bezahlten Urlaubs in Deutschland als Saison-Arbeitskräfte arbeiten, die polnischen Rechtsvorschriften hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge gelten. Für sie müssen ab dem 1. Juli 2005 die Sozialversicherungsbeiträge nach Polen abgeführt werden.
Informationsveranstaltung
Mitte Juli 2005 fand in Berlin eine Informationsveranstaltung zur verwaltungstechnischen Abwick-lung statt, auf der geklärt werden sollte, wie für diesen Personenkreis die Meldungen zur Sozialversicherung und die Abführung der Beiträge nach Polen durchgeführt werden müssen.
Auch die Fachgruppe Gemüsebau war vertreten durch die Geschäftsführung. Es wurde klar, dass auf Druck der deutschen Regierung diese Änderung zum 1. Juli 2005 herbeigeführt wurde. Polen war immer gewillt und sei auch nach wie vor bereit, den Einsatz polnischer Saison-Arbeitskräfte so zu regeln, dass polnische SaisonArbeitskräfte weiterhin deutschem Sozialversicherungsrecht unterliegen. Auch der Zeitpunkt der Umstellung hätte nach polnischem Willen durchaus später sein können. Dies war das Ergebnis eines vorgeschalteten Gesprächs zwischen Vertreten des Deutschen Bauernverbands (DBV), des polnischen Bauernverbands und mit Ministern der polnischen Regierung.
Zu den praktischen Fragen: Formular E 101
Das Formular E 101 wird nur für die Zeit des bezahlten Urlaubs ausgestellt. Der polnische Arbeitnehmer muss dafür eine schriftliche Erklärung eines polnischen Arbeitgebers bei der ZUS (ZUS = Zuständige polnische Behörde für die Sozialversicherungspflicht) vorlegen. Aus ihr muss auch die Anzahl der noch zur Verfügung stehenden bezahlten Urlaubstage hervorgehen. Der unbezahlte Urlaub wird in Polen generell erst genehmigt, wenn der bezahlte Urlaub vollständig genommen wurde. Nach polnischem Recht müssen Überstunden auch im gleichen Monat ausgeglichen werden. Allerdings kann Urlaub auf das nächste Kalenderjahr übertragen werden. Generell wird die E 101-Bescheinigung nur auf Antrag des Arbeitnehmers bei der ZUS erstellt. Deutsche Gemüseerzeuger als Arbeitgeber erfahren aus Datenschutzgründen von der ZUS keine Aussagen, zum Beispiel dahingehend, ob der jeweilige polnische Arbeitnehmer eine E 101-Bescheinigung nach Deutschland mitzubringen hätte oder nicht. Allerdings kann die ZUS grundsätzlich eine Negativbescheinigung ausstellen. Sie beinhaltet, dass der jeweilige Arbeitnehmer keine E 101 vorlegen muss. In diesem Fall muss sich der polnische Arbeitnehmer an die ZUS wenden und diese Negativbescheinigung verlangen. Da aber die ZUS über eine begrenzte personelle Kapazität verfügt, kann die Ausstellung einer solchen Negativbescheinigung unter Umständen Monate dauern. Die deutschen Verbände haben einen Vorschlag für eine mögliche Negativbescheinigung mittlerweile eingereicht. Ob dies für die deutschen Gemüsebauern eine Sicherheit darstellt, wird davon abhängen, wie schnell die ZUS diese Negativbescheinigung ausstellt.
Polnische Personenkennzahl (PESEL)
Jeder polnische Bürger hat in seinem amtlichen Ausweis (nicht im Reisepass) neben der Ausweisnummer eine Personenkennzahl (PESEL). Die eindeutige Identifizierung der ZUS erfolgt ausschließlich über die PESEL-Nummer. Grundsätzlich beläuft sich die Verjährungsfrist für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge in Polen auf fünf Jahre.
Einstufung von Selbständigen und Landwirten noch offen
Die polnischen und deutschen Seiten sind sich noch nicht über das anzuwendende Sozialversicherungsrecht bei Selbständigen und Landwirten einig (Artikel 17 der EWG-Verordnung 1408/71). Die EG-Verwaltungskommission wurde um Klärung gebeten. Das Verfahren läuft. Eine Entscheidung wird wahrscheinlich nicht vor November 2005 vorliegen.
Bis eine Entscheidung der Kommission getroffen worden ist, so wurde von polnischer Seite mitgeteilt, wird die ZUS keine E 101-Bescheinigung für den Personenkreis der Selbständigen und Landwirten aus Polen ausstellen. Das hat zur Folge, dass bis zur Entscheidung der EU-Verwaltungskommission zunächst deutsches Recht gilt. Die polnischen Vertreter haben weiterhin zugesichert, dass es auch keine Nachforderungen für diesen Personenkreis von polnischer Seite für den Zeitraum, bis die Verwaltungskommission ihre Entscheidung getroffen habe, geben wird. Mitarbeitende polnische Familienangehörige, mit denen kein Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde, werden wie Selbständige behandelt.
Polnische Steueridentifikationsnummer (NIP)
Als Gesamtschuldner für die polnischen Sozialversicherungsbeiträge muss der deutsche Arbeitgeber für sein Unternehmen beim polnischen Finanzamt eine NIP-Nr. beantragen. Sie wird nur einmal ausgestellt und gilt dann für alle Folgejahre und muss später in den verschiedenen ZUS-Formularen entsprechend verwendet werden. Dabei wird unterschieden zwischen der NIP-1: für eine natürliche Person, die einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht und der NIP-2: für juristische Personen und für Personengesellschaften. Beide Formulare können aus dem Internet heruntergeladen werden
>> www.mf.gov.pl/dokument.php?dzial=151&id=27892.
In dem Antrag muss der deutsche Gemüseerzeuger einen Nachweis beifügen, dass er als Unternehmer die landwirtschaftliche Tätigkeit ausüben darf. Bei der NIP-1 wäre hier die Unternehmerbescheinigung vom Finanzamt und eine Bestätigung der Gartenbauberufsgenossenschaft denkbar. Der Antrag kann auch von einer Buchstelle ausgefüllt und unterschrieben werden. In diesem Fall ist die Vollmacht des Arbeitgebers für die Buchstelle beizufügen. Der unterschriebene Antrag mit den vollständigen Unterlagen, die hier nicht ausreichend erörtert werden können, ist an das polnische Finanzamt in Warschau/Polen einzureichen.
Die einzelnen ZUS-Meldeformulare
Die einzelnen Meldeformfulare der ZUS zu polnischen Sozialversicherungen liegen im Muster bei allen Landesverbandsgeschäftstellen der Gartenbau- und Bauernverbände sowie bei den Landwirtschaftlichen Buchstellen vor. Auch diese Meldeformulare beziehen sich auf die polnischen Personen, die die E 101 vorlegen. Da diese Formulare in Polen maschinenlesbar sein müssen, sind sie nicht im Original aus dem Internet herunterzuladen.
Die Originalformulare können bei der ZUS angefordert werden unter: Zakkad Ubezpieczen, Spokecznych (ZUS), I Oddzial,
ul. Senatorska 6/8, 00-917 Warswawa, Polska.
Die Erfahrungen verschiedener Steuerberater und Verbände zeigen, dass die Originalformulare sehr schnell von der ZUS zur Verfügung gestellt werden.
Legt man die deutsche Übersetzung zu Grunde, sind folgende Formulare vorhanden:
ZUS-ZPA: Anmeldung des deutschen Arbeitgebers (juristische Person und Personengesellschaft bei der ZUS)
ZUS-ZFA: Meldung/Änderung von Daten des Beitragszahlers – der natürlichen Person
ZUS-ZUA: Meldung zur Sozialversicherung/Änderung von Daten des Versicherten
ZUS-DRA: Erklärungsvordruck über geleistete Sozialversicherungsbeiträge
ZUS-RCA: Namentlicher Monatsbericht über fällige Beiträge und gezahlte Leistungen
ZUS-ZWUA: Abmeldung von der Versicherung
ZUS-ZWPA: Abmeldung des deutschen Arbeitgebers bei der ZUS.
Für die sozialversicherungsrechtliche Behandlung nach polnischem Recht (Vorlage E 101-Bescheinigung) wird vom Arbeitgeber eine Anmeldung innerhalb von 30 Tagen bei der ZUS erwartet. Fest steht, dass ohne polnische Sprachkenntnisse ein Ausfüllen der Formulare trotz vorliegender deutscher Übersetzung kaum ein Weiterkommen zu erkennen ist. Das gesamte Verfahren zur sozialversicherungsrechtlichen Abwicklung nach polnischem Recht (E 101) ist äußerst kompliziert und für unsere Gemüsebaubetriebe kaum noch zu bewältigen. Deshalb ist ohne professionelle Beratung und Beistand vor Ort hier kaum ein Weiterkommen möglich.
Jochen Winkhoff, Bonn
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