Verheerende Auswirkungen für Acker-, Obst-, Gemüse- und Weinbau
Anlässlich einer anstehenden Abstimmung im Europäischen Parlament zum Vorschlag des Umweltausschusses zur Sustainable Use Regulation (SUR) warnt der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim Rukwied, in einem Schreiben an rund 100 EU-Abgeordnete vor den schwerwiegenden Auswirkungen dieser Vorschläge.
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„Eine Umsetzung dieser sehr ambitionierten Reduktionsziele beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wäre an sich schon eine erhebliche Belastung für die Bäuerinnen und Bauern in Deutschland und Europa. Sollten jedoch die generellen Verbote des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln in den sogenannten „sensiblen Gebieten“ umgesetzt werden, wäre dies für die betroffenen Betriebe in solchen Gebieten das Aus.“
Die Fachhochschule Soest berechnet in einem Gutachten die zu erwartenden durchschnittlichen Ertragsverluste beim Wintergetreide auf rund 30 Prozent, bei Kartoffeln und Winterraps würden sich diese auf circa 40 Prozent summieren. Im konventionellen Gemüsebau käme es zu hohen Ertragsminderungen von mindestens 30 Prozent. Das Anbaurisiko ohne chemischen Pflanzenschutz ist sehr hoch; je nach Infektionsdruck, Witterung und Schädlingsaufkommen gehen die Szenarien bis zum Totalausfall. „In den so genannten sensiblen Gebieten wäre diese Verordnung das faktische Aus für den Obst-, Gemüse- und Weinbau sowie für den klassischen Ackerbau. Außerdem entzieht dieser Vorschlag einer Zusammenarbeit zwischen Landwirtschaft und Naturschutz jegliche Grundlage“, so Rukwied. „Deshalb fordern wir mit Blick auf die Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa nochmals eingehend die Abgeordneten auf, den Vorschlag des Umweltausschusses zurückzuweisen. Die deutschen Bäuerinnen und Bauern sind weiterhin bereit, ihren Anteil zur Erreichung des Green Deals zu leisten. Entscheidend dabei ist jedoch, dass die erforderlichen Maßnahmen auf kooperative Weise entwickelt und umgesetzt werden, anstatt die Landwirtschaft in vielen Regionen Deutschlands durch pauschale Verbote in ihrem Bestand zu gefährden.“
Auch DRV warnt vor den Folgen
„Am Mittwoch darf es in Brüssel nicht um Ideologie gehen, sondern es braucht Augenmaß und eine faktenbasierte Folgenabschätzung. Jedem Parlamentarier muss klar sein: Wenn die Reduktionsziele von Pflanzenschutzmitteln zu radikal ausfallen, wird es zu massiven Ernteeinbußen bei Qualität und Quantität kommen – und in der Folge zu etlichen Betriebsaufgaben. Die Entscheidung im Europäischen Parlament ist richtungsweisend.“ Franz-Josef Holzenkamp, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV), macht deutlich, dass die gesamte Landwirtschaft davon betroffen ist, vor allem der Weinbau und der Sonderkulturenbereich mit Obst- und Gemüseanbau.
Für Deutschland ist die Ausgestaltung der Sustainable Use Regulation (SUR) besonders entscheidend, die eine generelle Reduktion um 50 Prozent bis zum Jahr 2030 sowie ein Komplettverbot in FFH-Gebieten und anderen sogenannten empfindlichen Gebieten vorsieht. „In Deutschland sind mehr als 3,5 Millionen Hektar Land als Schutzgebiete ausgewiesen. Das ist Rekord in Europa.“ Daher wäre eine pauschale Reduktion um 50 Prozent gar nicht umsetzbar. Holzenkamp: „Die Auswirkungen wären verheerend. Viele Weinberge und Obstanlagen würden stillgelegt und veröden – mit allen nachgelagerten negativen Konsequenzen für historisch gewachsene Kulturlandschaften und den Tourismus. Allein die Steillagen an der Mosel und am Neckar könnten nicht mehr bewirtschaftet werden.“
Der DRV-Präsident appelliert an die Parlamentarier, die in den vergangenen Jahren gemachten Fortschritte bei der Reduktion im Pflanzenschutzmitteleinsatz anzuerkennen. Diese resultierten vor allem aus einer ausführlichen Beratung durch die Genossenschaften, dem verstärkten Einsatz alternativer Unkrautbekämpfung sowie der Nutzung innovativer Smart-Farming-Technologien. Die Devise muss lauten: Innovationen statt pauschaler Verbote.“
Für den DRV ist außerdem entscheidend: Die vorgesehenen Anforderungen an die unabhängige Beratung dürfen nicht dazu führen, dass Pflanzenbauberatung durch die Genossenschaften im Landhandel eingeschränkt wird. „Bewährte Prozesse, die nachweislich zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln beitragen, müssen erhalten bleiben. Alles andere wäre nicht zu verstehen“, so der DRV-Präsident.
IVA: "SUR erweist Biodiversität einen Bärendienst"
Mit Blick auf die anstehende Diskussion der „Verordnung über den nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln“ (Sustainable Use Regulation: SUR) im Europäischen Parlament in der kommenden Woche warnt der Industrieverband Agrar e. V. (IVA) vor falschen Erwartungen an die geplante Reduktion des Pflanzenschutzmittel-Einsatzes. Erste Ergebnisse einer vom IVA in Auftrag gegebenen, noch unveröffentlichten Studie der HFFA Research GmbH zeigen, dass die Natur nicht von einer ungerichteten Extensivierung profitiert, landwirtschaftliche Betriebe gleichzeitig aber erhebliche Einbußen haben werden.
„Der Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit liegt nicht in pauschalen Reduktionsmaßnahmen, sondern in innovativen Lösungen auf dem Acker und gezielten Biodiversitätsmaßnahmen“, sagt IVA-Hauptgeschäftsführer Frank Gemmer: „Zahlreiche Betriebe und Regionen in Deutschland beweisen seit Jahren, wie sich Artenschutz und Produktivität verbinden lassen. Das Biodiversitätskonzept des IVA zeigt einen praxistauglichen Weg für ganz Europa. Statt neuer Verbote braucht es Kooperationen von Umweltschützern und Landwirtschaft sowie gezielte Fördermaßnahmen.“
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