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Digitalisierung in der Landwirtschaft

Mit der Zeppelindrohne übers Feld

Ist es ein Vogel? Ist es ein Flugzeug? Nein, es ist eine Zeppelindrohne, die zum Bestandsmonitoring über Sonderkulturen hinweggleitet und Fotos aufnimmt. Diese und weitere Innovationen aus dem Gemüse- und Ackerbau, Grünland, Weide, Tierwohl und Pferdehaltung wurden am 17. September 2020 auf dem DiWenkLa-Digitalisierungs-Tag 2020 auf dem Hofgut Tachenhausen bei Nürtingen vorgestellt.

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Der Kamerazeppelin erspäht Pathogene und Krankheitsbefall auf Sonderkulturflächen aus der Luft.
Der Kamerazeppelin erspäht Pathogene und Krankheitsbefall auf Sonderkulturflächen aus der Luft.J. Klein
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„Mit dem aktuellen Koalitionsvertrag ist die Digitalisierung ein Dauerthema in allen Bereichen. Die Digitalisierung der ländlichen Räume und der Landwirtschaft ist überall mit gefragt“, erklärte Prof. Dr. Engel Hessel, Digitalisierungsbeauftragte des BMEL. Die Ziele der Digitalisierung in der Landwirtschaft lauten laut Hessel:

  • Effizienzsteigerung in allen Bereichen, sowohl bei Quantität als auch bei Qualität der Erzeugnisse
  • Verbesserung des Tierwohls und des Umweltschutzes, auch um sich den gesellschaftlichen Forderungen an eine nachhaltige Landwirtschaft zu stellen.
  • Arbeitserleichterung, da vor allem in Metropolregionen immer weniger Arbeitskräfte für die Landwirtschaft zur Verfügung stehen.

„Bei vielen dieser Fragestellungen kann uns die Digitalisierung helfen. Jetzt können wir wieder Einzelpflanzen und Einzeltiere sowie Kleinstflächen in den Blick nehmen und bedarfsgerecht produzieren“, erklärte Hessel zusammenfassend.

Digitaler Blitzstart

Um Forschungsprojekte rund um die Digitalisierung möglichst schnell in die Praxis zu bringen, wurden in Deutschland Digitale Experimentierfelder ins Leben gerufen. Im Rahmen dieser Projekte beackern Forschende Fragestellungen direkt auf landwirtschaftlichen Betrieben in Zusammenarbeit mit Erzeugern. Alle 14 Experimentierfelder, davon sieben im Pflanzenbau, drei in der Tierhaltung und vier Bereichsübergreifende, sind mittlerweile gestartet. Insgesamt stellt der Bund eine Fördersumme von mehr als 50 Mio. Euro über die kommenden drei Jahre zur Verfügung.

Darüber hinaus wurde ein Kompetenznetzwerk eingerichtet, um einerseits die Experimentierfelder untereinander zu vernetzen und andererseits politischen Handlungsbedarf aus ersten Ergebnissen abzuleiten. Weiterhin stellt das BMEL Budgets zur Erforschung Künstlicher Intelligenz in der Landwirtschaft und für Innovationen zur Digitalisierung in der Nutztierhaltung zur Verfügung.

Speziell für kleine Strukturen

„Baden-Württemberg ist ein sehr schönes Bundesland, dazu tragen die kleinen Strukturen bei“, sagte Prof. Dr. Enno Bahrs von der Universität Hohenheim. Wichtig sei deshalb im Land ein skalenunabhängiger Einsatz neuer Technologien, sodass nicht nur Großbetriebe profitieren. Auch kleine Betriebe sowie größere, die zahlreiche kleine Flächen bewirtschaften, müssen laut Bahrs am Effizienzgewinn, der Ressourcenschonung und dem Transparenzgewinn durch moderne Technologien beteiligt werden.

Das Experimentierfeld für Baden-Württemberg heißt deshalb DiWenkLa. Das  steht für „Digitale Wertschöpfungsketten für eine nachhaltige kleinstrukturierte Landwirtschaft“ – ein Kooperationsprojekt der Universität Hohenheim und der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Gefördert wird das Projekt vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, unterstützt durch das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg.

Experimentierfeld Baden-Württemberg am Beispiel von zwei Regionen

Es unterscheidet beispielhaft die Metropolregion Stuttgart, in der die Landwirtschaft häufig mit Verbrauchern in Kontakt tritt, Sonderkulturen eine wichtige Rolle spielen und Arbeitskräfte rar sind. Hier lauten die Hauptprojekte der Forschung Ackerbau von Feldgemüse, Getreide, eiweißpflanzen sowie Pferdehaltungssysteme. Die zweite beispielshafte Projektregion ist der Südschwarzwald, wo die Topografie sehr stark die landwirtschaftliche Nutzung beeinflusst. Zum Teil gibt es hohe Tourismusanteile, die Anbindung an die digitale Infrastruktur seien zum Teil schlecht. Im Schwarzwald werde vor allem an Digitalisierungslösungen für Grünlandsysteme und Rinderhaltung geforscht. Dazu kommen jeweils zahlreiche Teilprojekte.  

Ziele für das Experimentierfeld Baden-Württemberg:

  • Entwicklung und Etablierung von digitalisierten Technologien in der Landwirtschaft sowie in Wertschöpfungsketten des Agribusiness.
  • Weitgehend skalenunabhängiger Einsatz für kleinsturkturierte Betriebe in kleinstrukturierten Regionen. Automatisch fahrende Maschinen müssten beispielsweise auch in Arbeitsbreiten von drei Metern kostengünstig zu haben sein, sodass nicht nur Großbetriebe von den Fortschritten selbstfahrender Geräte profitierten.
  • Technologieeinsatz zu zur Effizienzverbesserung (quantitativ und qualitativ) von Produkten und Dienstleistungen mit Ressourcenschonung und mit hoher Transparenz. Auch an der Sicherheit der Systeme werde geforscht, beispielsweise was die Datenhoheit des Landwirts oder was die Funktionalität der Geräte im Falle eines Stromausfalls angehe.

Hier hackt der Roboter Kohl

„Wir arbeiten an der neuen Mechanisierung und Automatisierung der Landwirtschaft im Land“, erklärte Prof. Dr. Hans Griepentrog von der Universität Hohenheim. Die neue Technik solle explizit dem Erhalt einer vielfältigen und kleinstrukturierten Landwirtschaft dienen, beispielsweise über Robotik mit einer starken Verkleinerung der Maschinengrößen, um teure Arbeitskräfte in Baden-Württemberg zu ersetzen. Die Forschungsgruppe rund um Griepentrog bearbeitet ein Teilprojekt des Experimentierfelds zur Automatisierung des Feldgemüsebaus mit folgenden Eckdaten und Zielen:

  • Autonome, georeferenzierte Auspflanzung von Kohl. Jede Pflanze erhält eine Koordinate, die später wichtige Informationen für die Bestandesführung generiert.
  • Bildbasierte Bestimmung der Pflanzenentwicklung. Bildanalyse bestimmter Pflanzenmerkmale als Marker für die spätere Bestandesführung.
  • Bereitstellung ermittelter Pflanzenparameter während der Vegetation bis kurz vor der Ernte.

Der Roboter des Teams wiegt 400 kg und wird von einem Modul mit 10 kW Leistung angetrieben. „Die Roboter brauchen ein technisches Ökosystem um gut funktionieren zu können“, sagte Griepentrog. Das funktioniere bekanntermaßen über Sensoren an den Maschinen, einen Server auf dem Hof und die Anbindung der Maschinen an eine Cloud, wo die Daten verarbeitet und wieder an die Maschine zurückgegeben werden, damit diese ihre Arbeit beginnen kann. „Wir gehen aber davon aus, dass die Maschinen selbst in Zukunft eine erhebliche Maschinenintelligenz installiert bekommen werden und der Hof eine Menge leistungsfähige Hardware braucht, damit trotzdem die Produktion weiterläuft, auch wenn die Cloud nicht bereitsteht. Landwirtschaft ist kritische schließlich eine Infrastruktur“, erklärte Griepentrog die notwendige Unabhängigkeit der Maschinen vom Internetzugang.

Was macht die N-Düngung wirklich effizienter?

Ein brisantes Forschungsfeld ist die Effizienzsteigerung der N-Düngung. Dr. Simone Graeff-Hönninger und ihr Team haben beobachtet, dass Smart Farming Lösungen, die die Düngung effizienter machen sollen, in der Praxis oft scheitern. Die Gründe: Zu komplex, zu zeitaufwändig und zum Teil sind nicht genügend oder nicht die richtigen Daten verfügbar. Das Ziel der Forschung sei hingegen ein Smart Farming-Werkzeug für kleinstrukturierte Betriebe im Südwesten, das schlagspezifische und zeitnahe Empfehlungen fürs Düngemanagement anhand der wichtigsten Daten aus der Praxis bereitstellt.

Mit Projektbetrieben soll geschaut werden, an welche Daten der Landwirt relativ einfach rankommt (Saatzeitpunkt, Düngung, Sorten, Boden …). Das fließt in ein pflanzenbauliches Wachstumsmodell ein, das den Ertrag und die Qualität simuliert. Was passiert, wenn man Parameter wie en Düngezeitpunkt verändert? Das Ergebnis wird sofort. Bestehende Technik wie N- Sensoren werden in die Entscheidungshilfe miteinbezogen.

In einem weiteren Schritt wird laut Graeff-Hönninger geprüft, welche weiteren Daten noch gut verfügbar sind. Beispielsweise Satellitendaten würden bislang noch wenig genutzt, stünden aber günstig zur Verfügung. Immer wieder seien kritische Evaluationen mit Praktikern nötig um zu hinterfragen, welche zusätzlichen Daten wirklich zu einer Verbesserung der Situation in der Düngepraxis beitragen. „Der wichtigste Part, um praktikable Lösungen für ein Düngeentscheidungsmodell zu finden, sind die landwirtschaftlichen Betriebe“, sagte Graeff-Hönninger zusammenfassend.

Drohne mit Adleraugen

Krankheiten in Sonderkulturen erkennt man am besten, wenn man in regelmäßigen Abständen durch sämtliche Bestände geht und Veränderungen über die Vegetationsperiode akribisch dokumentiert. „Wer einen Betrieb mit mehreren Hektar Sonderkulturen bewirtschaftet, kann aus dem Monitoring aber beinahe einen Vollzeitjob machen“, erklärte Christian Trautmann von der Universität Hohenheim. Deshalb arbeitet der Doktorand an einem drohnengestützten Monitoringsystem für Pflanzenkrankheiten in Sonderkulturen.

Vorteile eines Drohnenbasierten Monitorings könne geringe Betriebskosten der Feldbefliegung durch Drohne sein, eine mehrmalige Kartierung des Schlages pro Jahr werde so erschwinglich. Vorliegende Pathogene würden anhand von Luftaufnahmen bestimmt und die Krankheit könne gezielt angegangen werden.

„Die Grundlagen unseres Vorgehens basieren auf dem Lichtspektrum des einfallenden Sonnenlichts“, erklärte Trautmann die Kamerafunktion an der Drohne. Entsprechend des Zustandes einer Pflanze absorbiere und reflektiere diese unterschiedlichen Wellenlängen. „Mit grünem Licht kann eine gesunde Pflanze nichts anfangen, sie reflektiert dieses Licht. Hat die Pflanze Stress, ändert sich das Spektrum des reflektierten Lichts, was über Sensoren detektierbar ist“, erläuterte Trautmann die Funktionsweise. Die Aufnahmen aus dem Verlauf der Vegetation würden übereinandergelegt und somit Veränderungen ersichtlich. „Heraus kommen bearbeitete Karten, auf denen Erkrankungen des Bestandes anhand von farblichen Abweichungen sichtbar werden“, erklärte Trautmann.

Aktuell im Einsatz seien ein gewöhnlicher Quadkopter sowie ein eine Zeppelindrohne. Letztere erzeugt keinen Wind, der die Pflanzenblätter bewegt, was laut Trautmann optimal für Kameraaufnahmen ist. Allerdings sei der Ballon selbst entsprechend anfällig für Böen.

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